Stille Leidenschaft für fleißige Insekten in Erlangen

22.8.2018, 10:30 Uhr
Stille Leidenschaft für fleißige Insekten in Erlangen

© Patrick Pleul/dpa

Dicke, weiße Flocken fallen vom grauen Himmel über Erlangen. Es ist kurz vor 18 Uhr und die Dämmerung setzt bereits ein, die sich kaum von der düsteren Wolkendecke des sich zum Ende neigenden Tages unterscheidet. Ein breiter, gepflasterter Weg führt um das Gebäude des Kulturpunktes Bruck herum zum Haupteingang – vorbei an großen Holzkästen, die im Sommer bepflanzt sind, und einer großen Gartenfläche. Sofort sticht die große, hölzerne Spinne ins Auge, die auf dem gegenüber liegenden Dach thront. Sie gilt als Schutzpatronin des Gemeinschaftsgartens und wurde erst vor gut zwei Wochen festlich eingeweiht.

In einem der Gruppenräume des Freundeskreises wartet Klaus Becker bereits auf seine Gäste, der aufgrund des miserablen Wetters beschlossen hat, lieber im Trockenen seinen Workshop abzuhalten. Der nicht mehr allzu junge Mann mit weißem Rauschebart feiert in diesem Jahr bereits sein vierzigjähriges Imker-Jubiläum, was ihn mit allerlei Erfahrungen ausstattet. Er ist sowohl geschulter Bienenfachwart als auch Vorsitzender des Imkervereins in Herzogenaurach und Umgebung. Die kleinen Schulungen im Gemeinschaftsgarten gibt er nun schon seit über einem Jahr regelmäßig.

Pünktlich zum Glockenschlag der Kirche, der von draußen in den Gruppenraum hallt, beginnt Becker. Schnell legt er noch einen gelb-roten Überwurf an, der mit goldenem Rand verziert ist und krönt sein Outfit mit einem Strohhut. Er schlüpft in die Rolle des Beamten Konrads, der vor vielen Jahrhunderten Stadtschreiber von Herzogenaurach gewesen ist und sowohl die Stadt als auch die dortige Imkerei stark beeinflusst hat. Zunächst berichtet er vom Umzug des Lehrbienenhauses, das in seiner ursprünglichen Form einst auf dem Altstadtfest von Herzogenaurach stand. Später ruhte es für viele Jahre in Herzogenaurach bei adidas und ist nun im Garten des Kulturpunktes Bruck gelandet.

Nach dieser Einführung kommt Klaus Becker zum eigentlichen Grund des Zusammentreffens: die Bienen und die Imkerei. "Das kleine, fleißige Insekt beginnt erst bei 9,5-10°C zu fliegen – davor ist es noch zu kalt", erzählt der erfahrene Imker. Dann sei das Weidenkätzchen die erste wichtige Nahrung, welche die Bienen finden. Sie sei bedeutsam, denn sie stärke das Volk für die bevorstehende Arbeit bis zum Sommer. Genau aus diesem Grund sollte man darauf achten, dass man nicht alle Äste des Weidenkätzchens jährlich abschneidet.

Das Einmaleins der Imkerei

Wer sich dafür entscheidet, Bienen bei sich aufzunehmen, hat die freie Auswahl: das neue Zuhause für das Volk kann eine herkömmliche Beute, Zander oder auch ganz modern eine IKEA-Kiste sein. Wichtig ist, dass sich die Insekten wohl fühlen. Der Rest kommt mit der Erfahrung, wie Herr Becker immer wieder betont.

Bienen können stechen – aber eigentlich machen sie es nur, wenn sie sich bedroht fühlen. Klaus Becker schwört auf die Carnica, auch Apis mellifera Carnica genannt. Es ist eine Unterart der Honigbiene, die besonders sanftmütig ist. "Bisher wurde in seiner Gegenwart nur eine Person von einer solchen Biene gestochen", erinnert sich Becker, "Ein Fotograf, der blöderweise den Auslöser drückte, auf dem eine der besagten Bienen saß."

Die Aufzucht von Bienen ist einfachste Mathematik. Es gibt drei verschiedene Arten von Bienen in einem Stock: Arbeiterbiene, Drohne und Königin. Sie unterscheiden sich in der Dauer ihrer Entwicklungsphase, der Nahrung, die sie aufnehmen, und der schlussendlichen Aufgabe, die ihnen zuteil wird.

Eine Wabe besteht aus vielen kleinen Zellen, die exakt von den Bienen gebaut werden. In den minimal größeren befinden sich die Drohnen. Ihre einzige Aufgabe ist es, die Königin zu befruchten, danach sterben sie. Das Ei, aus dem die Arbeiterbiene schlüpft, wird von der Königin in eine kleinere Zelle gelegt und ist befruchtet. Es dauert ungefähr 40 Tage, bis sich das Insekt vom Ei über die Larve hin zur Puppe vollständig entwickelt hat und zur Arbeit ausfliegen kann. Sie ist es, die ihre Königin tatkräftig beim Bau der Waben, bei der Versorgung des Nachwuchses und der Beschaffung der Nahrung unterstützt.

"3-5-8 – Königin gemacht" – so lautet der Merkspruch der Imker. Die Arbeiterbienen entscheiden selbst, wenn eine neue Königin benötigt wird. Dann beginnen sie die Larven aus den befruchteten Eiern mit einer besonderen Nahrung zu füttern – dem Gelée royale.

Nach drei Tagen wird aus dem Ei eine Made, die bis zu ihrer Verpuppung fünf Tage lang gefüttert wird. Danach verwandelt sie sich innerhalb von acht Tagen zur Königin, die bis zu fünf Jahre alt werden kann. Wenn die Bienenkönigin einmal von den Drohnen begattet wurde, reichen die Samen ihr komplettes Leben lang.

Besondere Honigprodukte

Klaus Becker baut eine kurze Pause ein, in der er seine Gäste mit zwei besonderen Honigprodukten verköstigt. Das erste besteht aus einem Drittel Honig, einem Drittel Wasser und noch einem aus Früchten. Es ist sehr süß und man schmeckt intensiv die 14 Prozent Alkohol. Das zweite Produkt ist purer Honig in einem dünnen Teigschälchen, welches schmeckt, als würde man Honig pur mit einem kleinen Stück Keks löffeln. Nach dem kleinen Zuckerschock geht es weiter zum Thema Bienenschwarm. Jeder kann sich einen herrenlosen Bienenschwarm zu Eigen machen, solange kein Imker seinem Besitz auf den Fersen ist. Dieser hat Vorrecht und darf sogar laut Gesetz auf private Grundstücke, um seine flüchtigen Schützlinge einzufangen.

Wie genau man seine Völker davon abhalten kann, zu schwärmen, das möchte Klaus Becker jedoch bei einem der kommenden Treffen erklären.

Gemeinsam mit dem Kulturpunkt Bruck lädt Klaus Becker alle Menschen unterschiedlichster Nationalität dazu ein, vorbeizukommen. Wer normalerweise keine Zeit Donnerstagabend hat, kann auch jeden ersten Sonntag in Obermembach dazustoßen.

ZNächster Termin ist am Donnerstag, 27. September, 18 Uhr. Der Eintritt zu den Veranstaltungen ist immer frei.

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