"Walter Geipel" aus Bubenreuth sticht jede Konkurrenz aus China

14.3.2021, 05:31 Uhr

© Foto: Klaus-Dieter Schreiter

Walter Geipel aus Kirchberg im Egerland stammt aus einer "Dynastie", deren Stammbaum bis ins 16. Jahrhundert zurückreicht. Ein Familienwappen beweist, dass die Geipels wichtige Funktionen innehatten. Sogar Richter und Ritter gehörten zur Familie.

1908 gründete er in seinem Heimatort eine eigene Firma zur Herstellung von Kolophonium für Streichinstrumente. Deren Produkte waren sofort äußerst erfolgreich. Nachdem die Firma im Jahre 1946 aus- und die Familie im niederbayerischen Pfarrkirchen angesiedelt worden war, wurde die Produktion von Kolophonium 1949 wieder aufgenommen.

Großvater wollte den Umzug nach Bubenreuth

"Als in Bubenreuth die Geigenbauersiedlung gegründet wurde, hat der Großvater gesagt, man muss an den Ort des Geschehens gehen, und darum hat er sich bei der Joseph-Stiftung für eine Wohnung und eine Fertigungsstätte beworben", erzählt der heutige Firmeninhaber Walter Glaßl.

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Er ist der Enkel des Firmengründers, aus dessen Ehe mit seiner Gattin Eva nur die Tochter Juliane hervorgegangen war. Seit der Heirat von Juliane mit Ferdinand Glaßl wird die Firma Walter Geipel von der Familie Glaßl erfolgreich geführt. Die Firma Walter Geipel stellt somit bereits in dritter Generation Kolophonium für Streichinstrumente her, und musste wegen der rasanten Entwicklung der Branche im Jahre 1965 sogar die Kapazität ausbauen und die Fertigungsstätte im Bubenreuther Werkstättenweg erheblich erweitern. Weil der Name "Walter Geipel" weltweit für Qualität steht, hat man den Firmennamen auch beibehalten.

Wie in der Küche von Miraculix

Der alte Herd mit der Gusseisernen, mit verschiedenen Ornamenten verzierten Front, steht in einer Ecke des kleinen Raumes. Der schaut so ein wenig aus wie die Küche vom Druiden Miraculix, der den Zaubertrank für Asterix immer dann zusammenbraut, wenn die Römer einmal wieder angreifen. Auf der Herdplatte stehen drei Töpfe, in denen eine goldig glänzende Flüssigkeit vor sich hin blubbert. Es ist Baumharz, das hier gekocht wird, um daraus Kolophonium zu machen. Es dampft leicht, die Luft riecht nach Wald, es sieht alles ziemlich geheimnisvoll aus. Etliche kleinere Töpfe stehen auch noch herum, in denen sich Materialien befinden, über die Walter Glaßl lieber nichts sagen möchte.

Geheime Stoffe machen das Kolophonium aus

Es sind die geheimen Stoffe, die er dem brodelnden Baumharz zusetzt, um daraus das Kolophonium für Streichinstrumente zu machen, das die Firma "Walter Geipel" weltweit berühmt gemacht hat. "Das ist unser Betriebsgeheimnis." Nach einer Dreiviertelstunde befindet er, dass es reicht, und dass sein Kolophonium wieder gut gelungen ist. Er füllt den flüssigen Inhalt der Töpfe in kleine Milchtöpfe, um das siedend heiße Kolophonium in Formen zu gießen.

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Nach 15 Minuten wird der Inhalt der Formen hart, so dass er sie auseinander nehmen kann. Mal sind die Formen rechteckig, mal quadratisch, mal sind sie rund. Dann legt er die abgekühlten Kolophoniumstücke auf eine Holzplatte. Sonja Gügel und Inge Wagner wickeln rund zweihundert Stücke in Mikrofasertücher und verpacken es in schicke Döschen.

Von Bubenreuth in die weite Welt

Paganini, Geipel, Strauss, Esperanto Cello und Sonic steht beispielsweise darauf. Das sind die Namen der eigenen Produkte. Aber die Firma Geipel stellt Kolophonium auch für andere Firmen weltweit her, die eigene Namen dafür haben. Doch stets steht "Made in Germany" auf den kleinen Schächtelchen, die weltweit verschickt werden. Wie viele solcher 20 Gramm leichten Kolophonium-Stücke er jährlich herstellt und verkauft, will Walter Glaßl nicht verraten. Aber immerhin verrät er, dass einer seiner besten Kunden im Jahr 60.000 Stück geliefert bekommt, und dass er im Jahr weltweit rund 100.000 Stück Schüler-Kolophon vertreibt.

Zum Einreiben der Rosshaare 

Kolophonium wird verwendet, um die Rosshaare der Bögen von Streichinstrumenten damit einzureiben, um einen kräftigen Haftgleiteffekt zu erhalten. Beim Streichen der Saite bringt dieser rasche Wechsel von Haftreibung und Bewegung zwischen Bogenhaar und Saite die Saite zum Schwingen – und es entsteht ein hinreißend schöner Ton. Ohne Kolophonium auf den Bögen würde der Geigenbogen eine Saite der Geige gar nicht richtig zum Schwingen bringen – es käme nur ein müder, quietschender Ton heraus.

Es ist der besondere "Klebeffekt" des Kolophoniums, der die Qualität ausmacht. Wie Walter Glaßl diese Qualität, die für verschiedene Instrumente unterschiedlich sein muss, erreicht, ist das Geheimnis seiner Firma: "Es ist die hervorragende Qualität unserer Erzeugnisse, die eine weltweite Verbreitung unserer Produkte und dadurch den Erfolg unseres Betriebes gewährleistet."

Besser als die Konkurrenz aus China oder den USA

Davon, dass Bubenreuther Kolophonium die Saiten von Streichinstrumenten offenbar besser zum Schwingen bringt, als manch Konkurrenzprodukt aus China, USA, Frankreich oder England, zeugen die zahlreichen Briefe, die Glaßl aus der ganzen Welt erreichen. So schreibt ein Cellospieler vom Konservatorium in Udine: "Ich bin sehr geehrt, Ihr Kolophonium ausprobiert zu haben. Ich habe mir nicht vorstellen können, dass es so ein großer Unterschied im Klang ist zu anderen Produkten."

Ein berühmter Geiger, berichtet Walter Glaßl, habe einmal einem Kollegen sein Kolophonium geliehen, weil der seines vergessen hatte. Der sei so begeistert gewesen, dass er nur noch Geipel-Kolophonium benutze. Lob gibt es auch von einer Allergikerin, die das für Allergiker hergestellte Bogenharz prima verträgt. Auch das Bass-Kolophonium, das in Zinnkapseln gegossen wird, weil es weicher und klebriger ist, wird von Bassspielern in höchsten Tönen gelobt.

Mit Pinienharz aus Indonesien fängt alles an

Der Geiger Siegfried Schmollinger aus Berglen in Baden Württemberg hat das Bubenreuther Kolophonium an Mitspieler in seinem Orchester verteilt, und sagt: "Keiner hat geglaubt, dass es so etwas gibt". Schmollinger kommt regelmäßig nach Bubenreuth, um die Qualität des Geipel-Kolophoniums zu prüfen. Das Rohmaterial für Kolophonium, nämlich das Harz von Pinien, kommt aus Indonesien.

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Walter Glaßl kauft es in Fässern zu je 250 Kilogramm von einem Lieferanten aus Weiden, der schon seinen Großvater beliefert hat. Vier Tonnen verarbeitet er im Jahr. Steinhart ist das wie Bernstein aussehende Harz, wenn es angeliefert wird. Mit Hammer und Meißel zerkleinert Glaßl es, um es zum Kochen in seine Töpfe zu legen.

Werbung brauch Glaßl keine zu machen

Es erscheint wie ein kleines Wunder, wenn man sieht, was schließlich daraus wird. Professionell kommen die handgefertigten und verpackten Kolophonium-Stücke daher, die in die ganze Welt verschickt werden und dafür sorgen, dass die Musiker mit ihren Streichinstrumenten die Ohren der Musikliebhaber verwöhnen können. Ohne den kleinen Bubenreuther Familienbetrieb würde der Musikwelt etwas fehlen.

Das weiß Firmeninhaber Walter Glaßl natürlich auch, und es macht ihn sehr stolz. Trotz des Welterfolgs mit seinem Kolophonium ist er immer bescheiden geblieben und macht nicht viel Aufhebens davon. Auch Werbung für seine Qualitätsprodukte muss er trotz einiger Konkurrenz auch aus China nicht machen. "Der Name Walter Geipel und sein Kolophonium sind in der Branche bekannt", strahlt Walter Glaßl. Dass das so bleibt, dafür sorgt das Geheimrezept für seine Mixtur, das er hütet wie seinen Augapfel.