„Es herrschten bürgerkriegsähnliche Verhältnisse in Wackersdorf“

16.5.2011, 13:49 Uhr
„Es herrschten bürgerkriegsähnliche Verhältnisse in Wackersdorf“

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Wackersdorf steht wie kaum eine andere Gemeinde für den erbitterten Widerstand der Bevölkerung gegen die Atomenergie. Jahrelang standen sich in dem beschaulichen Ort in der Oberpfalz Polizei und Kernkraftgegner gegenüber. Zunächst war der Protest gegen die geplante Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) friedlich.

Nach der Katastrophe in Tschernobyl eskalierte jedoch die Situation. Bei blutigen Krawallen am Baugelände wurden allein am Pfingstmontag 1986 (19. Mai) knapp 400 Menschen verletzt, darunter 182 Polizisten, 27 von ihnen schwer.

„Es waren bürgerkriegsähnliche Verhältnisse“, erinnert sich der heutige Polizeipräsident der Oberpfalz, Rudolf Kraus. Pfingstsonntag 1986 wollte er mit seiner Einheit eigentlich eine andere Gruppe unterstützen. „Plötzlich wurden wir von zumeist vermummten Kernkraftgegnern mit Steinen und Stahlschleudern angegriffen. Uns blieb nur der sofortige Rückzug“, sagt der damalige Leiter einer Hundertschaft. „Das Wort hatte in Wackersdorf bei den Autonomen keine Kraft mehr.“

Gut die Hälfte seiner 120 Mann starken Truppe wurde verletzt, erlitt schwere Prellungen, blutende Wunden an Kopf oder Körper. Die vielen blauen Flecke, die Kraus selbst durch Wurfgeschosse erlitten hatte, spürte der heute 56-Jährige erst, als er in der Unterkunft und in Sicherheit war.

„Es herrschten bürgerkriegsähnliche Verhältnisse in Wackersdorf“

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Aber auch die Polizei griff damals mit ungewohnter Härte durch: Die Beamten setzten Wasserwerfer ein, denen CS-Reizgas beigemischt wurde. Wenig später warfen sie Reizstoffkörper gar von Hubschraubern ab. Ein Sprecher des Anti-WAA-Büros sprach damals vom „wahllosen Einsatz einiger Hundert Gasgranaten“. Kinder hätten heulend am Boden gelegen. Auch der damalige Landesbischof, Johannes Hanselmann, bezahlte seinen Besuch an der geplanten WAA mit einem dauerhaften Augenschaden. Das Reizgas hatte noch in der Luft gelegen.

„Die Menschen wurden von Polizisten über das Feld gejagt, mit gezogenen Schlagknüppeln“, erinnert sich Rudi Amannsberger. Der heutige Fachreferent für Energie und Klima der Grünen-Landtagsfraktion war damals von Anfang an bei den Demonstrationen dabei.

Die Demos in Wackersdorf mit zum Teil mehr als 100000 Teilnehmern und gut 881000 juristische Einwände betroffener Bürger hatten schließlich Erfolg. Am Ende gaben die Betreiber klein bei und begruben das Projekt. Investitionen in Milliardenhöhe waren in den Sand gesetzt worden. Heute steht auf dem Gebiet ein moderner Industriepark.

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