Corona-Krise: Forchheims Innenstadt kämpft ums Überleben

27.3.2020, 19:10 Uhr
Corona-Krise: Forchheims Innenstadt kämpft ums Überleben

© Ralf Rödel

23 Euro. Brutto. So viel hat die Kaffeerösterei Bogatz in der Forchheimer Hornschuchallee nach eigenen Angaben am vergangenen Samstag umgesetzt. Also quasi nichts. Das Café ist für Gäste, die sich ihren Kaffee für unterwegs oder die Bohnen nach Hause holen wollen, nach wie vor geöffnet. Doch nicht nur die Gäste machen sich in einer Stadt, in der viele Geschäfte geschlossen sind, rar, sagt Inhaberin Constanze Bogatz. „Ich vermisse einen Häuptling, der sich vorne hin stellt und signalisiert, dass er sich der Lage bewusst ist“, sagt sie. „Doch es kommt nichts von der Stadt, weder vom Oberbürgermeister, noch von jenen, die sich für das Amt des Oberbürgermeisters zur Verfügung stellen oder von Stadträten“, sagt Bogatz.

„Die Stadt Forchheim liegt im Dornröschenschlaf!“, stellt sie für sich in ihrem Brandbrief fest. Adressiert hat sie diesen an den OB, Stadtrat, die Stadtverwaltung und alle Bürger. Bei Oberbürgermeister Uwe Kirschstein (SPD) angekommen ist er noch nicht, sagt er und betont, ein offenes Ohr zu haben.

Heulend in der Schockstarre

Die große Sorge von Bogatz ist, dass die Innenstadt nach Corona nicht mehr die ist, die sie einmal war. „Auch die Stadt muss jetzt den Geschäftsleuten unter die Arme greifen, sonst gibt es in einem halben Jahr nicht mehr viele.“ Das Szenario von Bogatz: Brechen zu viele Geschäfte weg, leidet die Atmosphäre der Innenstadt. Selbst jene Betriebe, die die Corona-Zeit überstehen, würden in diesem Kosmos nicht überleben. Ein Café mache noch keine schöne Stadt. „Wir sind alle aufeinander angewiesen.“ Unter den Gastrokollegen habe sich eine „Schockstarre“ ausgebreitet. „Ich habe mit Selbstständigen Gespräche geführt, die heulend vor mir standen“, so Bogatz. Diejenigen, die erst seit ein, zwei Jahren auf dem Markt sind, treffe es hart. „Die haben sich keine finanziellen Reserven aufbauen können.“

Wie viele andere Betriebe, versucht auch die Kaffeerösterei, den Betrieb online aufrecht zu erhalten. Bisher verlaufe es aber „sehr schleppend“, sagt Bogatz. Die Mitarbeiter befinden sich in Kurzarbeit, im Geschäft steht das Betreiberpaar. Bogatz glaubt nicht, dass sich die Situation schnell verbessert. Sie rechnet mit Monaten, ehe wieder an einen normalen Geschäftsalltag zu denken sei und fordert deshalb in ihrem Brief, dass die Stadt bei Kleinunternehmen die Gewerbesteuer aussetzt und dieses Jahr auf die Gebühren für Außenbestuhlung oder Werbeaufsteller verzichtet. OB Kirschstein: „Da spricht überhaupt nichts dagegen. Aufgrund des Katastrophenfalls darf es keine Außenbestuhlung geben, deshalb werden selbstverständlich keine Kosten erhoben.“

„Innenstadt muss erhalten bleiben“

Das sind Forderungen, die auch die Händlervereinigung HeimFOrteil unterstützen, sagt Co-Vorsitzender Manfred Schade. Während Bogatz von einer schlecht erreichbaren Stadt in Zeiten der Corona-Krise spricht, sagt Schade, dass „die Türen bei der Stadt offen sind“. Bereits vergangene Woche habe sich der Verein mit Oberbürgermeister Kirschstein zusammengetan, um darüber zu sprechen, wie die Stadt dem Einzelhandel helfen kann.

„Wir müssen schauen, dass die Stadt erhalten bleibt“, sagt Schade. Es gebe ohnehin bereits viele Leerstände. „Corona ist für die Stadt deshalb nicht lustig.“ Zu den mit dem OB diskutierten Maßnahmen gehört es, dass die Gewerbesteuer-Vorauszahlungen reduziert werden. Von 40 Prozent weniger ist die Rede. Zudem ist ein allgemeines Schreiben an Vermieter von Geschäftsräumen geplant. Die Hoffnung ist, dass Vermieter ihren Mietern entgegenkommen.

Unter dem Schlagwort „ZusammenhaltenFO“ hat die Stadt die Forchheimer Beratungsagentur JungAdler beauftragt, eine Online-Plattform ins Leben zu rufen, auf der sich die Händler der Stadt vorstellen und auf der Kunden Gutscheine für einen Laden kaufen können, der ihnen per E-Mail zugeschickt wird. Dieser kann nach der Krise eingelöst werden. Am Donnerstag soll die Plattform fertig und unter www.zusammenhaltenfo.de erreichbar sein.

„Die Idee haben wir in enger Zusammenarbeit mit der Händlervereinigung HeimFOrteil und der Citymanagerin ins Leben gerufen“, sagt OB Kirschstein. Auf die Gewerbetreibenden kommen keine Kosten zu. Die Kosten der Maßnahme, rund 2500 Euro, trage die Stadt, so der OB. Damit wolle man den Händlern entgegen kommen, „die in dieser Zeit ein begrenztes Werbebudget haben“, so Kirschstein. „Die Stadt kann das finanzieren. Wir lassen niemanden stehen und sind da.“ Mit der Plattform wolle sich die Stadt auch für die Zeit nach der Corona-Krise aufstellen. Auch das Malerhandwerk habe sich nach einer Online-Plattform erkundigt, sagt der OB und zeigt sich offen. „Die Idee lässt sich beliebig erweitern, um die lokale Wirtschaft zu stärken.“ Ein ähnliches Projekt, ergänzt um Nachbarschaftshilfe, läuft auch in Ebermannstadt an. Es trägt den Titel "Rettet die Innenstadt". Zudem halten bereits viele Gemeinden im Landkreis Hilfsangebote vor.

Boom beim Lieferservice

Speziell für die Gastrobranche lassen sich unter der Rubrik „Kulinarik“ auf der Seite www.forchheim-erleben.de Betriebe auswählen, die Lieferservice anbieten. Zu finden ist die Auflistung hier. Auch das Restaurant „Zum Alten Zollhaus" ist dort zu finden.

Seit Mittwoch vergangener Woche bietet Inhaber Christopher Kraus einen Lieferservice an. Nach den ersten vier Tagen war plötzlich Lieferstopp. „Wir haben unseren Lieferservice am Samstag und Sonntag erst mal aussetzen müssen. Wir hatten keine To-Go-Gefäße mehr. Wir waren restlos ausverkauft“, sagt Kraus in einem selbst veröffentlichten Video. Kraus hat To-Go-Geschirr nachbestellt. Seit gestern geht es mit dem Lieferservice weiter.

Constanze Bogatz hofft, dass auch die vom Freistaat und Bund versprochenen Hilfsmaßnahmen möglichst zügig ankommen. Derzeit greift sie auf Rücklagen zurück und ruft die Bürger zum solidarischen Handeln auf. „Helft uns Kleinunternehmern, indem ihr unsere Onlineshops, Lieferdienste und Abholservice nutzt.“ Mit dem Kurzarbeitergeld könnten die Lohnkosten zwar „auf Null“ heruntergefahren werden, Fixkosten und den eigenen Lebensunterhalt müssten Selbstständige aber selbst bestreiten.

Zukunft? Schwer vorhersehbar.

Wie es nach Corona weitergeht, steht in den Sternen. Klar ist, dass für viele Betriebe das Loch in der Kasse nicht mehr aufzufüllen ist. „Der Kaffee, der jetzt nicht getrunken wird, wird auch später nicht mehr getrunken“, sagt Bogatz. „In einer Situation wie jetzt, kann auch niemand einen neuen Kredit unterschreiben.“ Niemand wisse, wie und wann er diesen bedienen könne.

„Die ganze Gesellschaft muss jetzt zusammenrücken, sonst ist die Innenstadt in einem halben Jahr tot“, sagt Bogatz. Jetzt zähle Solidarität und jeder Euro.


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