Das sind die Folgen des Brexit auf die Firmen im Kreis Forchheim

28.2.2020, 05:58 Uhr
Das sind die Folgen des Brexit auf die Firmen im Kreis Forchheim

© Archivfoto: Martin Regner

Der Brexit ist durch, das sind keine Neuigkeiten. Unumgänglich, nicht mehr aufschiebbar und nicht rückgängig zu machen. Doch es gibt immer noch viele Fragezeichen, die vor allem international agierende Firmen verunsichern und Fragezeichen hinterlassen: Wie wird das Freihandelsabkommen aussehen, wird es Komplikationen bei der Zollabwicklung geben, welche Regelungen und Ausnahme- oder Übergangsregelungen gibt es? Die Nordbayerischen Nachrichten haben sich bei Firmen der Region umgehört.

"Wir sind auf alle Szenarien eingestellt", sagte Stefan Schmidt von Siemens Healthineers in Forchheim. "Im Bereich der Gesetzgebung und Regulierung von Medizinprodukten haben wir alle angemessenen Maßnahmen ergriffen, um sicherzustellen, dass der Zugang zum EU-Markt für unsere Fabriken im Vereinigten Königreich, die medizinische Geräte und Reagenzien herstellen, aufrechterhalten wird." Weiterhin hätten die Forchheimer Healthineers und ihre Lieferanten die Lagerbestände angepasst und zusätzliche Kapazitäten bei den entsprechenden Logistikdienstleistern eingerichtet.

Auf Verzögerungen vorbereitet

Der Medizintechnik-Hersteller hat vier Standorte in Großbritannien und eine Tochtergesellschaft. In Enshyn bei Oxford etwa betreibt Siemens Healthineers eine Magnetfabrik. Die damit verbundene Lieferkette sei auf eine mögliche Verzögerung bei der Ein- und Ausfuhr angemessen vorbereitet, so Stefan Schmidt. Doch seine Prognose: "Alle Szenarien, die keinen freien Warentransfer zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU beinhalten, könnten zusätzliche Kosten verursachen."

Auch die Neunkirchener Achsenfabrik NAF AG in Neunkirchen hat sich gut vorbereitet. Zwar hat NAF nach Angaben von Sprecher Peter Illig aktuell mit Großbritannien relativ wenig Geschäftskontakte. "Auf der Zuliefererseite haben wir gerade mal ein Produktteil, das wir aus dem Vereinigten Königreich beziehen." Was das angeht, habe NAF vorgesorgt, was heißt, dass eine frühzeitige Lieferung angeordnet wurde und der Bestand der Teile vor dem Brexit aufgefüllt werden konnte, damit NAF nicht auf kurzfristige Zulieferung angewiesen ist.

"Auf der Kundenseite haben wir auch nur einen Kunden in Schottland, der einen Umsatzanteil von lediglich zwei Prozent einnimmt. Dieser Kunde erwartet jedoch von uns, dass wir ihn Just-in-time beliefern und somit die Laufzeiten entsprechend gut vorplanen können." Generell rechnet NAF mit erhöhter Bürokratie und längeren Laufzeiten bei Lieferungen aus Großbritannien in die EU, jedoch nicht mit einem kompletten Lieferstopp: "Derzeit scheint die Übergangslösung gut zu funktionieren. Bislang kam es zu keinen Problemen oder Verzögerungen, obwohl wir mit mehr Aufwand gerechnet hatten. Wahrscheinlich kommt dieser größere Aufwand auf uns zu, wenn die endgültige Ausstiegsregelung zum Jahresende final abgestimmt ist."

Viele Kunden im Königreich

Eine Vielzahl an Geschäftskontakten hingegen hat die Firma RAŠEK GmbH & Co. KG – Ingenieursdienstleistungen & Prüfungen in Unterleinleiter. "Wir haben viele Kunden und Lieferanten in Großbritannien, da wir viele Dual-Use-Güter, also Güter aus dem Bereich der Elektronik, Telekommunikation, IT-Technik für den zivilen oder militärischen Gebrauch, sowohl testen als auch kaufen," sagt Geschäftsführerin Nathalia A. Rašek-Abach. Noch gab es keine Lieferschwierigkeiten oder Probleme beim Zoll ihren Angaben zufolge, denn alles laufe noch nach bisherigem Muster.

Nicht wenige Messungen fänden vor Ort in Großbritannien statt, deshalb werde das größte Problem die Export- und Importabwicklung der Produkte sein, so ihre Prognose. "Zollfragen in den Bereichen Automotive, Luftfahrt und Defence sind derzeit noch ungeklärt. Wir sehen große Herausforderungen durch interne Umstellungsprobleme bei großen Konzernen, die dann letztlich auch die Zulieferer und Dienstleister betreffen werden."

"Ein bisschen wie bei einer Scheidung"

Ein bisschen ist es wie bei einer Scheidung, so ihre Ansicht. "Beide Partner, die sich trennen sollen, sollten nicht bocken. Beide Seiten, die EU und Großbritannien, haben Rechte und auch Pflichten." Es sei eben noch nichts geregelt, so Nathalia Rašek-Abach. Bisher lief die Zulassung von Funkprodukten zum Beispiel für E-Mobilität, Smart Home, Mobiltelefonie nach harmonisierten EU-Regelungen problemlos und schnell: "Wenn zum 1. Januar 2021 keine EU-Regelungen verabschiedet wurden, die auch nicht rechtzeitig in nationales Recht in Deutschland umgesetzt werden, werden wir massive Probleme haben."

Relativ entspannt ist die IBG Prüfcomputer GmbH in Ebermannstadt: "Wir erwarten keine wirkliche Auswirkung auf unser Geschäft, da unsere Kunden dort keine für uns relevanten Fertigungsstandorte betreiben und unser Umsatz somit nahezu null ist," sagt Wolfgang Korpus, Chef der IBG Gruppe. Im Einkaufsbereich beziehe IBG kaum Material aus Großbritannien, so dass diese dem Brexit für die eigene Fertigung bisher gelassen entgegensehen.

IBG entwickelt und produziert seit mehr als 30 Jahren Wirbelstromprüftechnik – Prüfcomputer, Sensoren und komplette Prüfanlagen – für die weltweite Automobil-, Bahn-, Luftfahrt- und Windenergieindustrie. Der Exportanteil liegt bei 80 Prozent: IBGs größter Auslandsmarkt ist Nordamerika (USA, Kanada, Mexiko), gefolgt von China.

Bisher die Unsicherheit als größtes Problem

Tatjana Leich, International Sales Manager Toni Dress Damenmoden GmbH in Forchheim, ist positiv gestimmt: "Für uns zeigt sich die getroffene Entscheidung über den Brexit eher positiv, da unsere britischen Kunden nun wissen, woran sie sind. Bisher war die Unsicherheit das größte Problem und es herrschte eine Anspannung, die wiederum auch Zurückhaltung mit sich führte."

Was an Zöllen und Auflagen für Warenlieferung auf TONI DRESS zukomme, sei noch nicht einschätzbar: "Wir werden abwarten und sind sehr zuversichtlich, dass die Politik Lösungen findet."

In Großbritannien ist TONI DRESS erst seit wenigen so genannten Saisons vertreten und steht an sechster Stelle der größten Absatzmärkte unter anderem nach den Niederlanden und der Schweiz: "Für uns ist Großbritannien ein sehr wichtiger Markt, der hervorragend etabliert ist," so Tatjana Leich.

Wie bei den Drittländern

Das Familienunternehmen Waasner in Forchheim hat nur einen sehr kleinen Kundenkreis mit geringen Umsätzen in Großbritannien. "Bisher bemerken wir keine Auswirkungen," sagt Geschäftsführer Michael Waasner. "Da sich zollrechtlich bis Jahresende nichts ändert sehen wir aktuell keine große Auswirkung. Nach der Übergangsfrist wird die Abwicklung und Lieferung von Sendungen ins Königreich voraussichtlich wie Sendungen in alle anderen Drittländer behandelt werden," so seine Einschätzung.