Drei Jahre Haft für schweren Missbrauch

1.12.2020, 10:00 Uhr
Drei Jahre Haft für schweren Missbrauch

© dpa

Sie haben es sich nicht leicht gemacht: Drei Verhandlungstage haben Richter Matthias Bachmann und seine beiden Schöffen sich durch Aktenberge, Zeugenaussagen und Video-Vernehmungen gearbeitet. Mehrere Stunden hat alleine die Beratung hinter verschlossenen Türen gedauert. Danach sind sie weitgehend dem Antrag des Staatsanwaltes Johannes Bartsch gefolgt, der dreieinhalb Jahre gefordert hatte. Am Ende glaubten man den Aussagen der beiden Zeuginnen.

Verhalten nachvollziehbar

Insbesondere die Tochter habe sich das Geschehen nicht ausgedacht oder es nur erträumt. Im Gegenteil habe sie den Vater bei der Polizei sogar noch in Schutz genommen. Auch die späte Enthüllung des Missbrauchs sei nachvollziehbar. Dem Vater habe die Tochter nichts gesagt, weil der sich sowieso nicht daran erinnern hätte können, so Richter Bachmann. Die Mutter, geplagt von gesundheitlichen Problemen, Trennungsstress und familiären Tiefschlägen, habe sie schonen wollen. "Wir haben keine Anhaltspunkte, dass die Tochter durch die Mutter instrumentalisiert wurde, um im Scheidungsverfahren eine bessere Position zu haben", hieß es vom Gericht.

Der Alkohol und seine Folgen haben das nach außen hin heile Familienleben seit Jahren geprägt. Vor 16 Jahren wurden die Probleme erstmals außerhalb der vier Wände sichtbar. Da hatte man den Mann bei einer Trunkenheitsfahrt erwischt. Vier Jahre später dann das gleiche Spielchen. Vor elf Jahren dann hielt es die Ehefrau nicht mehr bei ihm aus. Es folgte die Scheidung. Der 53-Jährige gelobte Besserung, begab sich in eine Entgiftung im Klinikum Forchheim und der Kopfklinik Erlangen. Er bekam mit einer zweiten Heirat eine zweite Chance.

Gravierende Wesensänderung

Doch die Schäden am Gehirn durch den langjährigen Alkoholmissbrauch waren bereits eingetreten. Die Folge: eine gravierende Wesensänderung. Das erläuterte der psychiatrische Sachverständige Dr. Christoph Mattern. Der Mann habe Schwierigkeiten, seine Triebe zu kontrollieren, sei schnell reizbar und das Sexualverhalten ändere sich auch. "Er neigt unter Alkoholeinfluss dazu, Dinge zu tun, die er nüchtern niemals täte."

Dass er nicht mehr wusste, was er tat, zeigte sich vor sechs Jahren bei einem Aufenthalt in Vietnam – als der Mann im Rauschzustand seine Frau im Streit mit einer Hand am Hals packte und mit den Fingern der anderen Hand in ihre Augen drückte, bis sie nurmehr Sternchen sah. Diese vorsätzliche Körperverletzung, die auch der gemeinsame Sohn miterleben musste, wurde als fahrlässiger Vollrausch geahndet. Ein Jahr später wurde die gemeinsame Tochter während eines Annafest-Besuches von einem Unbekannten begrapscht. Das interessierte den Vater aber nicht, er wollte nur weiter auf den Kellern bleiben und trinken. "Er hat sie im Stich gelassen", so Richter Bachmann.

Übergriff im Urlaub

Dann kam es während eines Urlaubs in Thailand zum Inzest. Die Wesensänderung war es wohl auch, die ihn dazu veranlasste, seine damals 13-jährige Tochter sexuell schwer zu missbrauchen. Wobei die Details unter Ausschluss der Öffentlichkeit besprochen worden sind, auf Grund des Opferschutzes nicht breitgetreten werden sollen.

Auch nach den beiden Vorfällen in Fernost änderte sich wenig. Das beweisen zwei weitere Trunkenheitsfahrten, eine erneute Scheidung und die gesetzliche Betreuung. Er war nach Ansicht des Betreuungsrichters nicht mehr in der Lage, ganz alltägliche Dinge alleine zu regeln. Dann landete er vor zwei Jahren wieder vor dem Amtsgericht Forchheim. Er hatte zwei Polizeibeamte übel beleidigt (die Worte "Scheißbullen", "Wichser" und "Arschloch" fielen unter anderem). Und nachdem man ihn trotz Widerstandes festgenommen hatte, folgte auf der Polizeiwache ein "Drecks-Nazis".

Hirnorganische Schäden

Ob und wann der Verurteilte die dreijährige Gefängnisstrafe antreten muss, ist indes noch nicht klar. Derzeit befindet er sich in einer "beschützenden Einrichtung" irgendwo in der Oberpfalz. Dort ist er wegen seiner langjährigen Alkoholabhängigkeit untergebracht. Möglicherweise werden sich für den 53-jährigen Mann die verschlossenen Türen dort nie mehr öffnen.

Das niederschmetternde Fazit: Eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sei nicht erfolgversprechend. Dafür seien die hirnorganischen Schäden bereits zu groß. Außerdem zeige sich eine beginnende Demenz, konstatierte der Diplom-Psychologe Jürgen Melzer.