So geht es hinter den Kulissen wirklich zu

Drei Monate als Reiseleiter in Korfu: Zwischen Erschöpfung und Euphorie

31.8.2021, 08:00 Uhr
Eine der zahlreichen spektakulären Buchten der Insel Korfu. Korfu liegt im Ionischen Meer und ist bekannt für seine üppige Vegetation, die Vielzahl an Sand- und Kieselstränden und sein reichhaltiges kulturelles Erbe.

© Lukas Koschyk Eine der zahlreichen spektakulären Buchten der Insel Korfu. Korfu liegt im Ionischen Meer und ist bekannt für seine üppige Vegetation, die Vielzahl an Sand- und Kieselstränden und sein reichhaltiges kulturelles Erbe.

Mai 2021. Ein langer Corona Winter scheint sich endlich dem Ende zuzuneigen. Erste Lockerungen in Gastronomie, Schule, Sport und Alltag vermitteln ein Gefühl des Aufbruchs. Zum 21. Mai darf im Landkreis Forchheim erstmals die Außengastronomie wieder eröffnen, was bedeutet: die Forchheimer dürfen zurück auf ihre geliebten Keller. Auch die Impfkampagne nimmt endlich Fahrt auf und eine Aufhebung der Impfpriorisierung steht bereits in Aussicht. Hoffnungsmonat Mai. Auch für den Autor dieses Artikels steht ein Aufbruch bevor.

Schlechte Löhne und horrende Arbeitszeiten

Als Angestellter eines Hotelunternehmens waren die vorangegangenen 13 Monate geprägt von Stillstand und Aussicht auf Besserung, Klammern an kleine Hoffnungsschimmer irgendwo zwischen zweiter, dritter und wer-weiß-nicht wievielter Welle, Hoffen und Bangen auf ein Ende der Pandemie. All das wurde während des Ausnahmezustands Corona leider Normalität für viele der fast 2,9 Millionen Beschäftigten des Tourismussektors in Deutschland. Doch wenn diese Branche eines auszeichnet, dann die uneingeschränkte Liebe zum Arbeiten mit Menschen und der unbedingte Wunsch, seinen Gästen eine Freude zu bereiten.

Warum wäre man sonst bereit, sich für schlechte Löhne bei horrenden Arbeitszeiten und teils fragwürdigen Bedingungen den Rücken krumm zu schuften? Man könnte mich also für verrückt erklären, als ich den Entschluss fasste, ein Jobangebot als Reiseleiter eines deutschen Veranstalters für Sportreisen auf der griechischen Insel Korfu anzunehmen. Hatte ich aus einem Jahr Perspektivlosigkeit und Ungewissheit nichts gelernt?

Wer könnte Nein sagen zu einem Job unter der Sonne Griechenlands?

Andererseits: Wer könnte nach 13 Monaten unter dem Motto "Wir bleiben zuhause", Nein sagen zu einem Job unter der Sonne Griechenlands? Nein sagen zu Buchten mit türkisfarbenem Wasser und beeindruckenden Steilküsten, vier Millionen Olivenbäumen in traumhaften Tälern und Frappé am Strand? Doch was beinhaltet der Beruf eines Reiseleiters eigentlich?

NN-Mitarbeiter Lukas Koschyk (links) gemeinsam mit einem Kollegen auf einer Mountainbiketour. Drei Monate war er als Reiseleiter auf Korfu im Einsatz.

NN-Mitarbeiter Lukas Koschyk (links) gemeinsam mit einem Kollegen auf einer Mountainbiketour. Drei Monate war er als Reiseleiter auf Korfu im Einsatz. © Oliver Remy

Meine Stelle wurde vorab mit der Bezeichnung "Sport Allrounder" versehen. Wie der Name schon erahnen lässt, sollte mein Aufgabenfeld ein weit gestecktes sein: In erster Linie würde ich Mountainbike- und Wandertouren leiten. Aber auch Rezeptionsdienste übernehmen, ein sportliches Rahmenprogramm entwerfen, kurzweilige Abendunterhaltung präsentieren oder kulturelle Ausflüge durchführen. All das natürlich bei stets bester Laune, einem offenem Ohr für alle Anliegen der Gäste und nahezu ständiger Erreichbarkeit. Klingt anstrengend? Ist es auch.

Nichtsdestotrotz entwickelt sich im Laufe der Saison eine Dynamik, in der man bereit ist, über all die fragwürdigen Beschwerden, die seltsamen Fragen der "Spezies Urlauber" oder die endlos lang erscheinenden Tage hinwegzusehen. "Ein Tag hier fühlt sich an wie eine Woche zuhause", pflegten die Teammitglieder nach einer Weile zu sagen.

Das Leben kann ein verdammt gutes sein

Allgemein das Team. Wichtigster und schnell einziger Bezugspunkt. Ersatzfamilie und Ort der Missgunst zugleich. Streit und Uneinigkeit genauso wie absolute Hilfsbereitschaft und bedingungsloser Zusammenhalt. Saisonarbeit bedeutet ganz starkes Leben im Moment. Plötzlich gibt es keine Fragen mehr wie: "Wo siehst du dich in fünf Jahren? Hast du die letzte Versicherung abgeschlossen? Wann kümmerst du dich um deine Altersvorsorge?" Wie auch, wenn dein Arbeitstag von 9 Uhr in der Früh bis 22 Uhr am Abend geht? Du nur einen freien Tag in der Woche hast, an dem du eigentlich nur im Bett liegen und die Decke anstarren willst, weil du im Laufe der Woche 150 Gäste kennengelernt und 150 mal deine Geschichte erzählt hast. All das während du bei 35 Grad und 90 Prozent Luftfeuchtigkeit auf den Pantokrator (höchster Berg Korfus) geradelt bist?

Natürlich hat dieser Job seinen Preis. Viele der Kollegen brennen aus. Vergessen, warum sie einmal mit dieser Arbeit angefangen haben. Steigen komplett aus und sträuben sich vor jedweder Verantwortung für das eigene Leben oder dem, was andere als Verantwortung definieren. Manche sagen auch, man könne diesen Beruf nur machen, wenn man jung ist. Ich weiß nicht, was der Weisheit letzter Schluss ist. Ich weiß nur, dass das Leben ein verdammt gutes sein kann, wenn man vormittags mit einer Gruppe abenteuerlustiger Gäste einen Berg erklimmt, sich zur Mittagspause bei griechischen Mezedes und einem Badestopp erfrischt und abends die Sonne über den Dünen Süd-Korfus untergehen sieht.

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