Tragödie im Kellerwald

Ein Toter und Verletzte: Annafest erlebt düstere Stunden

1.8.2005, 00:00 Uhr
Ein Toter und Verletzte: Annafest erlebt düstere Stunden

Auch wenn Oberbürgermeister Franz Stumpf gegenüber der Presse am nächsten Tag sagt, dass es keinerlei Sturmwarnung für Forchheim gegeben habe: Den meisten war an diesem Annafestabend klar, dass ein Unwetter heraufzieht. Der Wetterbericht sprach eine eindeutige Sprache. Gegen 21.30 Uhr donnert das Gewitter los, schwerer Regen prasselt nieder. Viele Gäste verlassen fluchtartig den Kellerwald, andere suchen Schutz unter Schirmen und Pavillons, die eilig aufgerichtet werden, und wollen weiterfeiern. Vor allem auf den oberen Kellern merken die Gäste nichts von dem Drama, das sich auf dem Gottla-Keller abspielt.

Katrin Bierfelder ist Sängerin bei den „Töchtern Forchheims“, die an dem Abend das Musikprogramm auf dem Gottla bestreiten. Als der Regen losgeht, bleiben die Begleitmusiker — die Band „Insert Coin“ — auf der Bühne und spielen weiter. Katrin Bierfelder flieht wie ihre Kolleginnen in die Innenräume des Gottla. Von dort wird sie Augenzeugin des Dramas: „Wir haben nur noch Schreie gehört, die Pächter haben mit einer Motorsäge den Ast auseinander geschnitten, um den Mann zu befreien. Es war das Chaos pur da oben.“

Klaus Backer steht als Gitarrist auf der Bühne, als der Ast herunterbricht: „Es kam plötzlich eine Art Fallwind auf und von den Grasterrassen wehte viel Staub hinunter. Zehn Sekunden später brach der Ast herunter.“ Das Holz fällt genau vor den Hauseingang des Kellers, wo der Ausschank aufgebaut ist. Dort hatten noch einige Unerschrockene dem Wetter getrotzt.

Zusammen mit sechs anderen versucht der kräftige Backer den Ast wegzuschaffen. Es gelingt ihnen nicht. Dass ein Mensch darunter liegt, war allen sofort klar, erzählt Backer. Zwei Minuten später sind die ersten Rettungssanitäter vor Ort und beginnen die erfolglosen Wiederbelebungsmaßnahmen.

Prompte Reaktion

Nach dem Unfall reagiert die Polizei sofort: Es beginnt einer der größten Rettungseinsätze in Forchheims Geschichte (s. Zur Sache). Das Annafest wird evakuiert, weil weitere Unwetterschäden drohen. Alle Musikgruppen müssen gegen 22.15 Uhr aufhören zu spielen. Es wird kein Bier mehr ausgeschenkt. Mitglieder der Bereitschaftspolizei Bamberg, die auf dem Fest patroullieren, räumen zusammen mit der Feuerwehr das riesige Gelände, auf dem 30 000 Menschen einen Sitzplatz finden. Trotz Unwettervorhersage ist das Annafest bei schwül-heißen Temperaturen bestens besucht, die Stimmung ausgelassen.

Manchmal unverständlich ausgelassen, wie sich herausstellt. Robert Bähr, Leiter der Polizeiinspektion Forchheim, berichtet am nächsten Tag von grotesken Szenen: „Auch als der Sarg durch die Menge heraufgetragen wurde, tat das der Lustigkeit keinen Abbruch.“

Auf den oberen Kellern war die Unlust, das Feiern zu beenden, besonders groß. Konrad Böhm saß zum Zeitpunkt der Evakuierung an der Kasse der Pfandrückgabe auf dem Eichhorn-Keller: „Die meisten waren vernünftig, aber einige wollten weitertrinken. Das lag natürlich am Alkoholpegel.“ Wie auf den anderen Kellern hatten Polizeibeamte und Feuerwehrleute den Ausschank abrupt beendet, meist ohne größere Probleme.

Auf den unteren Kellern suchten zu diesem Zeitpunkt Eltern ihre Söhne und Töchter. Das Gottla ist wegen seines modernen Musikprogramms vor allem bei den Jüngeren als Treffpunkt sehr beliebt. Vom Treppenaufgang bis zum Ausschank bilden sich ständig große Menschentrauben. In eine von ihnen krachte der Ast hinein.

„Könnte jedem passieren“

In die dramatischen Szenen mischen sich kurz nach dem Unglück nachdenkliche Gedanken. „Das hätte jedem von uns passieren können. Da steckt man nicht drin“, sagt der Wirt eines Kellers in der Nähe des Gottlas. Zuvor ist er ruhig von Tisch zu Tisch gegangen und hat allen Gästen erklärt, warum es kein Bier mehr gibt und das Annafest für heute zu Ende ist. Gerade auf den unteren Kellern, wo jeder die Blaulichtorgie sieht, ist die Betroffenheit groß.

Die meisten Gäste gehen sofort nach Hause. Hier, direkt neben dem Unglücksort, rechnen viele sogar damit, dass das Annafest wegen des Todesfalls vielleicht abgesagt wird.

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