Forchheimer Wirtschaft plagen Nachwuchssorgen: "Es hapert schon an den Grundrechenarten"

6.2.2019, 06:00 Uhr
Forchheimer Wirtschaft plagen Nachwuchssorgen:

© Foto: Roland Fengler

Während sich die Experten auf einer Bildungskonferenz am 21. März in Forchheim Gedanken machen, wie der Übergang von Schule und Ausbildung hin in den Beruf besser klappen könnte, geht es hier um die betriebliche Basis.

Mit rund 50 Auszubildenden gehört Infiana zu den großen Playern in Forchheim. Angesichts der Vielzahl an Berufen, die bei dem Hersteller von Spezialfolien gefragt sind, gibt es ganz unterschiedliche Anforderungen an den Nachwuchs.

"Bei technischen Berufen wie Industriemechaniker, Elektroniker und Verfahrensmechaniker spielt das räumliche Vorstellungsvermögen eine entscheidende Rolle", so Katrin Eger. In einem kleinen Test prüft Infiana die Fingerfertigkeit und das handwerkliche Geschick der Probanden. "Da haben diejenigen Vorteile, die vielleicht Hobbybastler und Tüftler sind."

Probleme bei Textaufgaben

Die Personalreferentin hat in den letzten 18 Jahren, in denen sie für die Ausbildung verantwortlich ist, immer wieder Defizite im mathematischen Bereich feststellen müssen. "Die Ausbilder in unserer Werkstatt erzählen mir auch, dass es zu Schwierigkeiten beim Lösen von Textaufgaben kommt. So etwas braucht man, wenn man mit einer Anleitung etwas bauen soll."

Bei Infiana gibt es aber auch Medientechnologen, wie Drucker heutzutage heißen. Sie brauchen ein Gespür für Farben und deren Vielfalt. Immerhin sollen sie Folien bedrucken und überprüfen, ob die Farbnuancen auch stimmen. "Für Bewerber mit Sehschwächen ist das nichts."

Im Feld der Industrie-Kaufleute gilt es, sich und die Firma ständig zu präsentieren. "Da haben es schüchterne Menschen schwer," so die Betriebswirtin, die in ihren jungen Jahren beim Vorgängerunternehmen 4P-Folie ihre Lehre absolviert hat.

Begehrtes Französisch

Nachdem eine Niederlassung in den USA existiert und die Produkte aus Forchheim auf mehreren Kontinenten zu finden sind, haben junge Leute mit Fremdsprachenkenntnissen gute Karten. "Der Kundenservice und unser Betriebs-System laufen in Englisch. Wenn einer ein Englisch-Verweigerer ist, wird er nicht weit kommen."

Fürs erste reichen Katrin Eger aber schulische Kenntnisse. Denn die Feinheiten des Business-Englisch bekommen die Azubis während ihrer Lehrzeit beigebracht. Nur an Kollegen, die Französisch sprechen, mangelt es derzeit: "Da würden wir auch ein Sprachtalent nehmen, das anderweitig vielleicht keine so guten Noten hat."

Dann verblüfft Katrin Eger noch mit dem Hinweis, dass man bei gleicher fachlicher Qualifikation denjenigen nehme, der sich in seiner Freizeit ehrenamtlich engagiere. "Egal ob in der Schule als Streitschlichter oder Schülerlotse, egal ob im Sport als Trainer oder Schiedsrichter, egal ob im Rettungsbereich als Sanitäter oder Feuerwehrler."

"Man wird nicht adäquat auf das Berufsleben vorbereitet"

"Man wird in keiner Schule adäquat auf das Berufsleben vorbereitet. Das ist auch nicht die Pflicht einer Mittel- oder Realschule. Lesen, schreiben, rechnen reichen." Für Harry Keßler (28) vom Autofahrer-Fachmarkt Aubeck ist die Ausbildung dazu da, dass die Bewerber, die bei ihnen angenommen werden, zum Beispiel zu Großhandelskaufleuten ausgebildet werden. Ohne ein grundlegendes Rüstzeug geht es hier aber auch nicht. Schließlich muss man in seiner Branche Preise richtig kalkulieren, Geschäftsbriefe ohne peinliche Fehler schreiben und "mit vielen verschiedenen Kunden umgehen, mit denen das Arbeiten wirklich Spaß macht".

Wobei derzeit kein geeigneter Kandidat in der Lagerhalle im Forchheimer Süden erste Karriereschritte tut, weil "es gar nicht leicht ist, einen geeigneten Bewerber zu finden, obwohl wir sehr viele Anfragen haben."

Seit sieben Jahren arbeitet Harry Keßler im Familienbetrieb und hat sich zusammen mit seinen Kollegen und Kolleginnen regelmäßig um einen oder zwei Azubis gekümmert. "Für einen Ausbilder in Vollzeit sind wir einfach zu klein." Drei Jahre dauert die Lehrzeit. Wer gut ist, kann ein halbes Jahr abkürzen.

Wahlfach "Lebenskunde"?

Der IHK-Handelsfachwirt sähe gern ein Wahlfach "Lebenskunde", in dem jungen Leuten beigebracht würde, wie man eine Steuererklärung ausfüllt, was bei der Autofinanzierung zu beachten ist oder wie man einen Ausweis beantragt. Wichtig sei es, dass der junge Mensch, der mit 15 oder 17 Jahren ja noch gar nicht wisse, wohin die Reise in den nächsten Jahrzehnten gehen wird, ein grundlegendes Interesse an den Tag lege. "Da machen Elternhaus und Freundeskreis viel aus."

Als Vater Dieter Keßler den Betrieb noch am Laufen gehalten hatte, seien Begriffe wie Fleiß, Ehrgeiz, Pünktlichkeit, Höflichkeit und Respekt vor dem Ausbilder wichtig gewesen. Harry Keßler, übrigens selbst ehemaliger Realschüler, nennt solche Eigenschaften "Eigeninitiative". Man müsse sich auch ohne Anweisung um die eigene Fortbildung kümmern, ständig Fragen stellen, um mehr zu erfahren.

Mit ganz anderen Schwierigkeiten hat Matthias Endres (43) zu kämpfen. "Es ist extrem schlimm. Es hapert schon an den Grundrechenarten. Viele können nicht einmal mehr zwei und sieben zusammenzählen", klagt der Metzgermeister. Der Unternehmer aus Kohlstein, der wie sein Vater beim selben Lehrmeister in Behringersmühle den Beruf von der Pike auf gelernt hat, sieht mit Sorge auf die Schülerinnen, die sich bei ihm melden, um Fachverkäuferinnen zu werden.

Niemand an der heißen Theke

Hauptsächlich sind es Hauptschülerinnen, die sich drei Jahre mit 80 bis 100 Koch-, Brüh- und Rohwurstsorten befassen sollten. Der Metzgermeister betreibt Läden in Forchheim im ehemaligen Geschäft Höhn, in der Merianpassage in Buckenhofen und in Baiersdorf. Derzeit hat er für den Verkauf seiner Wurst- und Fleischprodukte und für das Zubereiten der Mahlzeiten für die Heiße Theke sowie für den Partyservice keine Auszubildende.

"Dabei habe ich in 20 Jahren als Selbstständiger 15 Lehrlingen eine Chance gegeben." Dass die wenigsten davon immer noch im Verkauf tätig sind, sieht Matthias Endres mit einem weinenden und einem lachenden Auge.

Gebe es mit einer soliden Ausbildung doch Aufstiegsmöglichkeiten, etwa als Lebensmitteltechniker und in der Lebensmittelkontrolle. Neben der mangelnden fachlichen Qualifikation fehle es bei den jungen Leuten an Durchhaltevermögen, sie hätten oft weder Lernwillen noch den Biss dazu.

Den Noten der Bewerber misst Matthias Endres keine allzu große Bedeutung bei: "Die sagen nicht viel aus. Papier ist geduldig." Die positiven menschlichen Eigenschaften seien, gerade im Kundenkontakt, viel entscheidender.

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