In Forchheim wird das neue Kunstwerk für den Kersbacher Kreisel erstellt

17.8.2020, 17:56 Uhr
In der Bau- und Kunstschlosserei Zocher entsteht das Werk, hier sind Stefan Zocher (links) und Künstler Harald Winter zu sehen.

© Foto: Edgar Pfrogner In der Bau- und Kunstschlosserei Zocher entsteht das Werk, hier sind Stefan Zocher (links) und Künstler Harald Winter zu sehen.

CH_SEL, BST_W, H_GEST: Noch sind es nur Bruchstücke, Wortfetzen, wie einzelne Buchstaben eines Scrabbles, deren silbriger Glanz sich hinter der Schutzfolie erahnen lässt. Einzelne Segmente sind es, 22 an der Zahl, die in der Bau- und Kunstschlosserei von Stefan Zocher den letzten Schliff bekommen, um zum Kersbacher Kreisel-Kunstwerk zusammenzuwachsen.

Exakt 49,2 Meter lang und aneinandergereiht werden die Buchstaben folgenden Satz ergeben: " . . . die ganze Natur ist dem Menschen, wenn er poetisch gestimmt ist, nur ein Spiegel, worin er nichts als sich selbst wiederfindet." Ein Zitat des Romantikers Ludwig Tieck, der mit seinem Kommilitonen Heinrich Wackenroder im Jahr 1793 auf der berühmten Pfingstreise durch die Fränkische Schweiz unterwegs war.

Auf einem Wagen hintereinander gereiht steht die buchstäbliche Kunst in der großen Werkhalle der Schlosserei in Forchheim. Hier erhalten die Buchstaben ihren finalen Schliff, hier werden lange Metallteile an großen Walzen so gebogen, dass sie sich auch kreisrund um den Kreisel schmiegen können.

Das erste Kunswerk in fast 50-jähriger Firmengeschichte

Balkongeländer entstehen normalerweise in der Werkstatthalle in der Hainstraße, Zäune, Treppengeländer und Gartentore: "Das ist das erste Kunstwerk in unserer fast 50-jährigen Firmengeschichte", erzählt Stefan Zocher. "Vier bis fünf Mann" arbeiten hier momentan daran, dass der Zeitplan eingehalten werden kann. In der zweiten Septemberwoche soll die Kreisel-Kunst installiert werden.

Doch wie lange der Weg eines Kunstwerks vom bloßen Gedanken, von der Idee, die dem Weilersbacher Künstler Harald Winter übrigens in der Badewanne kam, bis zur Vollendung ist, zeigt ein Blick ins Archiv:

Dass der triste Hügel zum Hingucker werden soll, hatten die Kreisräte des Bau- und Verkehrsausschusses bereits im März 2018 beschlossen. Die Idee ist nicht neu, sondern seit 2014 Bestandteil der "Lokalen Entwicklungsstrategie" im Rahmen des "Leader"-Förderprogramms der EU.

Fachjury überzeugt

Aus 101 Bewerbern im Rahmen einer europaweiten Ausschreibung erhielt Winter den Zuschlag – nachdem er sowohl eine Fachjury als auch die Kreisräte des Bau- und Verkehrsausschusses überzeugt hatte (wir berichteten fortlaufend).

"Viele Auflagen", erzählt Harald Winter, "hat die Verkehrsbehörde gemacht". Allein das Exposé des Statikers sei 170 Seiten stark. Dazu gehört auch, dass das Kunstwerk sich bei einem Aufprall nach hinten weg biegen muss. Etwa dann, wenn im Falle eines Unfalls ein Motorradfahrer gegen die Kreisel-Kunst kracht.

Die Schrift muss dabei groß genug sein, damit man sie auch, wie Winter sagt "relativ weit lesen kann". Die Kanten, die momentan noch scharf sind, müssen abgerundet werden, anschließend wird der Schriftzug beschichtet, weil eine zu silbrige Spiegelung im Sonnenlicht schnell gefährlich werden kann. Außerdem ist die Beschichtung "graffiti resistent" gegen Schmierfinken und, wie Stefan Zocher erklärt, überdies auch "seewasserbeständig", also gegen Streusalz immun.

Mit Blattgold

Sechs Anfangsbuchstaben besonders zentraler Worte wie "Natur", "Mensch" und " Spiegel" werden mit Blattgold vergoldet. Das gesamte Zitat steht rund zwei Meter über der Erde, gehalten von Metallstreben, deren senkrechte Stützen nach hinten zurückversetzt sind – wodurch der Eindruck entstehen soll, als ob die Worte "schweben".

Wie bei einem guten Essen der Wein zu den Speisen passen sollte, korrespondiert am Kreisel die Kunst mit begleitendem Grün, um zur Einheit zu werden. "Die Bepflanzung muss stimmig sein", sagt denn auch Harald Winter und meint damit keine "parkähnliche Gestaltung" mit Blumenrabatten, sondern verweist auf Tieck und Wackenroder: "Die Romantiker haben die wilde Natur geliebt", machte man es anders, dann sei es nur "ein zynisches Zitat".

Für die Realisierung dieser "wilden Natur" an der Kreisel-Kunst hat man Johannes Mohr vom Forchheimer Landratsamt mit ins Boot geholt, der bestätigt, dass "das Eingrünen einen Bezug zum Kunstwerk haben muss".

Eine "von Natur aus typische Pflanzung" habe er vorgeschlagen, so Mohr. Einheimischen Sandmagerrasen, wie er in der Gegend rund um den Kreisel vorkommt. Dafür braucht es nährstoffarmes Substrat, ein Meter Sand soll deswegen dort aufgebracht und im Herbst bepflanzt werden.

Bepflanzung soll Bezug zum Kunstwerk aufnehmen

Trockenheitsresistentes Silbergras soll dort angesiedelt werden, Sandgras-Nelken, Sandnelken und Sandglöckchen. Nachtkerzen, Königskerzen und spezielle Wildrosenarten sollen dort wachsen und "den Bezug zum Kunstwerk aufnehmen, das auf die Natur hinweist", so Mohr.

Wadenhoch, so Mohr, soll die Bepflanzung werden, vor allem auch deswegen, um den Blick auf die Kunst nicht zu verdecken. Schweren Felsen und Steinquadern erteilt Mohr eine Abfuhr: "Felsen im Tal machen keinen Sinn. Wir richten die Flächen so her, dass sie möglichst wenig Pflege brauchen", sagt der Experte.

Es sei wohl sein "flächenmäßig größtes Projekt mit den meisten Besuchern", meint Harald Winter augenzwinkernd. Wobei der Künstler das Wort Denkmal durchaus als eine wörtliche Aufforderung "Denk mal!" an den Betrachter verstanden wissen will: "Ich möchte, dass die Leute darüber nachdenken." Denn "eine kaputte Natur zeigt nur eine hässliche Fratze im Spiegel".

Keine Kommentare