Kellerwald

Kellerstollen unter Baustelle: Gar nicht mal so überraschend

27.5.2021, 16:04 Uhr
Kellerstollen unter Baustelle: Gar nicht mal so überraschend

Er ist Teil des seit den 1960er Jahren nicht mehr bewirtschafteten Bauernkellers, der zwischen dem alten Gottla- und dem Kaiser-Keller liegt.

Wie berichtet, sei der Gang "überraschend aufgetaucht" und "einer Altlast geschuldet", sagte Bauordnungsamts-Chef Stefan Kindler in der letzten Sitzung des Forchheimer Bauausschusses. Mit "Altlast" ist die vor Jahrzehnten von der Stadt erfolgte Ausweisung eines Baurechts an dieser in Grundstückfragen arg unübersichtlichen Stelle gemeint, die auch lagebedingt nicht gerade unproblematisch ist – am Hang mit spezieller Boden- und Gesteinsbeschaffenheit.

2018 wurde die Baugenehmigung für ein Mehrfamilienhaus an den damaligen Gottla-Eigentümer Haldun Yildirim erteilt, der das Grundstück 2020 an einen neuen Investor, die Erlanger "Niersberger Wohn- und Anlagenbau GmbH", weiterverkauft hat.

Aus statischen wie denkmalschutzrechtlichen Gründen herrscht momentan Baustopp am Waldesrand: Der fragliche Stollen des historischen Bauernkellers könnte unter der Last des Neubaus einbrechen.

Die im Bauausschuss präsentierte Lösung: Die Firma Niersberger soll den Gang mit einem mehrlagigen mineralischen Material verfüllen, ihn sozusagen konservieren, um ihn in ferner Zukunft theoretisch wieder begehbar machen zu können. Die Kosten dafür: Eine Viertelmillion Euro, zu tragen vom Bauherrn. Absehbar, dass die Firma das so nicht stehen lassen wollte und es zu einem Gerichtsverfahren zwischen Investor und Stadt kam, das vorläufig zugunsten der Stadt ausfiel.

Allerdings, so befürchtete es jüngst schon Amtschef Kindler, ist die Kostenübernahme-Frage damit wohl noch nicht endgültig geklärt – denn komplex und weitverzweigt wie die Felsengänge sind auch die Eigentumsverhältnisse und Grundstücksgrenzen im Kellerwald: Der Stadt gehört der Kellerwald als Ganzes, der Firma Niersberger das Baugrundstück und dazwischen liegt der Bauernkeller, dessen nun im Fokus stehender Gang unterirdisch in das Baugrundstück hineinragt.

Private Nutzungsrechte

Beim Bauernkeller verfügt eine Reihe von Personen über vererbte private Nutzungsrechte. Das heißt, sie nutzen die alten Gewölbe seit Generationen als private Lagerräume, sei es klassischerweise für Bier oder, wie eine der Nutzungsberechtigten den NN erzählt, beispielsweise für Kartoffeln. Weil dieses alte Recht nicht verjähren könne, erklärt die Nutzerin weiter, gebe es viele Bedenken und Unklarheiten hinsichtlich der Bau- beziehungsweise Verfüllarbeiten an der Stelle.

Der Forchheimerin sind zwei Dinge wichtig: Dass sie ihr Nutzungsrecht weiterhin wahrnehmen kann, egal, welche Maßnahmen ober- und unterirdisch noch anstehen. Und: Dass das Ganze hinterher auch langfristig stabil bleibt, sprich die Bauarbeiten nicht schlimmstenfalls zum Einsturz von Gewölbeteilen führen.

Denn an den Keller-Ast, dessen Verfüllung demnächst geplant ist, schließt sich im weiteren Verlauf hinter einer zugemauerten Wand ein gebogener, teils verschütteter Gang an. "Zur Ehrenrettung des Bauamts muss man sagen, dass dieser Teil der Gewölbe im Liegenschaftskataster nicht eingezeichnet ist", sagt sie.

Schon lange bekannt

Trotzdem: Es sei durchaus erstaunlich, dass der Stadt und dem Bauherrn die Existenz des Kellergangs vorher offenbar nicht bekannt gewesen sei und erst nach Fertigstellung der Bodenplatte zum Problem wurde. Zumal der Investor im Sommer 2020 ein Planungsbüro vorbeigeschickt habe, das den Bauernkeller begutachtete und Dutzende Fotos (darunter auch vom Zugang zum fraglichen Stollen) schoss.

Dass der Keller-Ast übersehen wurde, mag der renommierte Forchheimer Historiker Reinhold Glas ebenfalls kaum glauben. Der Autor der 2019 veröffentlichten Monografie "Biertradition in Forchheim: Zur Geschichte der Schankstätten, Brauereien und Felsenkeller" hat darin nicht nur die Geschichte des Bauernkellers nachgezeichnet, sondern auch den Verlauf seiner Gänge – inklusive Lageplan mit dem vermeintlich verborgenen Stollen.

Glas beruft sich dabei auf den öffentlich einsehbaren Abschlussbericht eines Gutachtens, herausgegeben von der Stadt Forchheim im Jahr 2014. Ab 2012 wurden nämlich diverse Keller, darunter der Bauernkeller, wissenschaftlich untersucht und kartiert – zur Vorbereitung einer hinterher auch erfolgten Sanierung. "Der Keller und seine Gänge sind also eingehend dokumentiert worden", sagt Glas. Auch der Abschlussbericht enthält den Lageplan des Bauernkellers – inklusive des jetzigen "Problem-Stollens".

Keine Überprüfung möglich

Kellerstollen unter Baustelle: Gar nicht mal so überraschend

© Grafik: Reinhold Glas/Repro: NN

Eine Überprüfung, ob sich dieser Plan mit den von Kindler im letzten Bauausschuss vorgestellten Grafiken deckt, kann derweil nicht erfolgen, weil die Stadt diese Dokumente auf Anfrage unserer Redaktion nicht herausgeben wollte.

Aus Sicht des Historikers jedenfalls hätte man erst gar keine Baugenehmigung erteilen dürfen. Dass es geschah, begründete die Stadt damit, dass mit der komplizierten Materie vertraute Mitarbeiter zwischenzeitlich versetzt worden oder in Rente gegangen waren. Für Glas klingt das "eher nach einer Ausrede".

Ja, die offiziellen Kellerpläne und Kataster seien nicht vollständig, sagt er. Doch, dass die Gänge des Kellers in Wahrheit viel weiter in das benachbarte Grundstück hineinführen, das wussten sowohl Glas als auch die Nutzungsberechtigten schon lange – und sie stehen eben seit 2014 schwarz auf weiß in dem von der Stadt in Auftrag gegebenen Gutachten.

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