Klezmer-Virtuosin begeistet in der Synagoge Ermreuth

2.8.2014, 19:41 Uhr
Klezmer-Virtuosin begeistet in der Synagoge Ermreuth

© Rolf Riedel

Die Münchener Sängerin gilt als Autorität, mit dem Musikstil Klezmer ist Andrea Pancur nahezu verwachsen. Schon 1994 gründete sie nach ihrem Musikstudium das Klezmer-Sextett „Massel-Tov“, dem sie bis 2008 angehörte. Seitdem hat sich „die bedeutendste Vertreterin jiddischer Musik in Deutschland“ verschiedenen Projekten gewidmet und mit unterschiedlichen Musikern zusammengearbeitet.

Nach Ermreuth hat sie diesmal mit der in Berlin lebenden Akkordeonistin Franka Lampe eine Musikerin mitgebracht, die sich ebenso wie Pancur nahezu ausschließlich mit Klezmer beschäftigt. Der Nürnberger Markus Milian Müller am Kontrabass ist ebenfalls ein erfahrener Klezmermusiker. Die Nummer vier im Bunde ist Roman Seehon aus Freising, der das Trio als Percussionist und Drummer ergänzt.

Pankcurs geschulte Stimme ist dabei das beherrschende Element. Egal ob sie mittelalterliche Gesänge anstimmt oder zeitgenössisches Liedgut vorträgt – oder wie sie es selbst ausdrückt: „Jiddisch goes Reggae.“

Im Jiddischen bedeutet „Federmentsh“ im Übrigen Schreiberling oder Literat. Zugleich soll die Bezeichnung introvertierte Menschen, „Luftmenschen“, in den Mittelpunkt stellen, die in ihren Traumschlössern leben und das reale Dasein allzu oft als Nebensächlichkeit empfinden. Aber: „Die Feder schießt schärfer als der Pfeil“, sagt ein jiddisches Sprichwort.

Besonders die zeitgenössischen jiddischen Komponisten hat Andrea Pancur in ihr Programm aufgenommen. Deren Lieder erzählen von Tagträumern, gefallenen Mädchen, Schulschwänzern und flüchtiger Liebe, auch von traurigen Trennungen und dem wonnigen Wiedersehen, aber auch von Schnaps, vom Rausch und vom Überleben.

„Traurigkeit“, so sagt sie selbst, „kann sehr schön sein. Und mir steht sie ausgezeichnet.“ Pancur singt nicht nur von „S‘iz matse do“ von Matze, ein ungesäuertes Brot, sondern erläutert dem Publikum auch die Bedeutung dieser besonderen Brotfladen, die während des Pessachfestes verzehrt werden.

Oder sie erzählt von dem gemeinsamen Festmahl, bei dem ein Stuhl frei bleibt „Tsi veystu wer der volkn iz“, für den unvorhergesehenen Gast. Aber auch von Verführung ist die Rede bei „Ale vaserlekh“. Besonders lustig wird es bei „Tsigele, migele“, wo die Liebe vom Essen abhängig ist und die Zahl der gekochten Kartoffeln entscheidet.

Aber Andrea Pancur wäre nicht Pancur, würde sie nicht auch musikalische Grenzüberschreitungen zulassen. So bei dem bayerischen „der do dad ma schon daug’n“, dem sie einen jiddischen Text unterlegt.

Das hervorragend aufeinander eingespielte Quartett, besonders Franka Lampe am Akkordeon, sorgt für amüsante und anspruchsvolle Unterhaltung. Das Publikum wird mit einbezogen und geht freudig mit, dem Rhythmus kann und will sich niemand entziehen. Das Ganze kommt leicht und locker herüber, obwohl es manch ernsten Hintergrund hat. Ein breiter Bogen musikalisch umgesetzter Erfahrungen, die von der Erkenntnis künden, dass nur wer sich den herrschenden Regeln erfolgreich widersetzt, vorgegebene Grenzen überschreitet und Wagnisse eingeht, kann auch versponnene Träume zur gelebten Wirklichkeit werden lassen.

Alles in allem eine Performance, so richtig geeignet, die Frühjahr/Sommer-Saison in der Ermreuther Synagoge würdig zu beschließen.

Keine Kommentare