Mehrgenerationenhaus dient als „kleine Ersatzfamilie“

7.4.2014, 08:00 Uhr
Mehrgenerationenhaus dient als „kleine Ersatzfamilie“

© NN

Internetkurs für Menschen mit langsamem Lerntempo, Tiere filzen oder Rommé – das sind die Angebote, die aktuell im Schaukasten aushängen. Doch die Palette des Bürgerzentrums Mehrgenerationenhaus in der Paul-Keller-Straße reicht viel weiter. Von Stadt, Bundes- und Staatsministerium und der EU gefördert, steht es vor allem für bürgerschaftliches interkulturelles und integratives Engagement.

Die Integrationslotsen wurden 2013 mit dem Integrationspreis der Regierung von Oberfranken und dem Ehrenamtspreis der Evangelischen Landeskirche ausgezeichnet. Die Offene Behindertenarbeit schickt „Kellner“ für Mittagstisch und Seniorentee. Es gibt einen Tag für Integration, Deutschkurse, einen Asylbewerbertreff, eine Gruppe für Demenzkranke, und die Mini-Stadt Forchheim wird organisiert: Die Dia-Show zum Festakt mit Stadträten, Partnern und Ehrenamtlichen zeigte mehr als 30 Gruppen und Initiativen und Leiterin Kathrin Reif sprach von 15 Kooperationspartnern.

Als Reif 2009 als Quartiersmanagerin mit einem Büro im Stadtteiltreff anfing, habe man noch „dicken Fleece und Handschuhe gebraucht, um am Computer nicht zu erfrieren“, blickte die Leiterin zurück. „Wenig später zogen wir in helle, warme Räume“, dem damaligen Gemeindezentrum der Christuskirche, sagte sie und schälte sich aus ihrer schwarzen Fleece- Jacke. Das szenische Element sei eine Metapher für das soziale Klima, das in Forchheim-Nord seither herrscht.

Bürgermeister Franz Streit nannte das Bürgerzentrum „ein Haus der kurzen Wege“: Dienstleistungen, Beratung und Freizeitangebote lägen unter einem Dach. „Das Haus spiegelt im Kleinen unsere Gesellschaft wieder“, so Streit. Es sei Begegnungsort für Menschen in verschiedenen Lebenssituationen, die es gelte, aktiv in die Gesellschaft einzubauen. „Sie brauchen uns, und wir werden schnell merken, dass auch wir sie brauchen.“

Pfarrer Christian Muschler, Vorsitzender des ratio-Ausschusses im Haus und Leiter der Christuskirche, nahm die entgegengesetzte Perspektive ein: Das Haus schaffe „Raum für bürgerschaftliches Engagement“. Ehrenamtliche brächten hier ihre Lebenserfahrung ein, „eine Kompetenz, die gefragt ist“. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Andreas Schwarz nannte dann das Haus „eine kleine Ersatzfamilie“ in einer Gesellschaft, „in der traditionelle Familienstrukturen wegbrechen“. 2008 hatte er als Bürgermeister von Strullendorf das erste Mehrgenerationenhaus im Landkreis Bamberg auf den Weg gebracht und war den Forchheimern ein wichtiger Ansprechpartner. Sein Fazit: „Man merkt, man kann helfen.“ Dazu bedürfe es aber einer „funktionierenden Gesellschaft“ mit bürgerschaftlichem Engagement und einer hauptamtlichen Leitung, um die Ehrenamtlichen zu motivieren. „Ohne emotionale und soziale Kompetenz verkümmert unsere Gesellschaft“. Reif nannte ihn einen Fürsprecher für die Weiterförderung, die bald verhandelt werden soll.

Vielfältigste Arbeit

Als Argumentationshilfe schilderte sie einen Tag im Mehrgenerationenhaus: Er beginnt mit einem Gang durchs Café, wo eine Ehrenamtliche am Abend zuvor noch die Deko auf den Tischen verteilt hat und damit der Leiterin ein Lächeln auf die Lippen zaubern. Im PC wartet schon ein Mail der Seniorengruppe, die von einer gelungenen Veranstaltung berichtet. Dann steht ein Bericht fürs Ministerium an. Soll der in eine wissenschaftliche Begleitstudie fließen, müssen weitere 1600 Fragen beantwortet werden, bevor der Sponsorenbrief für die „Mini-Stadt Forchheim“ folgt.

Derweil stehen eine Schlüsselübergabe und eine Anmeldung fürs Ferienprogramm an. Gleichzeitig läutet eine bulgarische Familie, die einen Termin beim Jobcenter hat, die Formulare aber nicht allein ausfüllen kann. Zum Glück spricht der Vater etwas Türkisch, so dass Reif eine türkischsprachige Integrationslotsin vermitteln kann. Dann steht die zweite Dokumentation an: Vermittlung eines Beratungsgesprächs. Wie oft wird das Angebot in Anspruch genommen? Wie qualifiziert ist die Ehrenamtliche? „Noch schöner wäre die Arbeit ohne Bürokratie,“ findet Kathrin Reif.

Beim gestrigen Frühlingsfest feierten zahlreiche Bürger bei bester Stimmung das Mehrgenerationenhaus. Puppenspieler Bernhard Betz begeisterte mit dem Stück „Bärenfaust“. Kinder ließen sich schminken und Bobbycars fuhren um die Wette.

ZMehr Fotos im Internet unter www.nn-forchheim.de

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