Ruhe nach dem Sturm? Kontroverser Wahlkampf in Gräfenberg ist vorbei

5.4.2020, 10:57 Uhr
Amtsinhaber Hans-Jürgen Nekolla (links) unterlag in der Stichwahl seinem Herausforderer Ralf Kunzmann (rechts).

© Collage: NN Amtsinhaber Hans-Jürgen Nekolla (links) unterlag in der Stichwahl seinem Herausforderer Ralf Kunzmann (rechts).

Die Leistungen des scheidenden Bürgermeisters Hans-Jürgen Nekolla (SPD) in den letzten sechs Jahren, sie seien "bedauerlicherweise" in den Hintergrund gedrängt worden, weil "vor allem die CSU auf beschämende Art und Weise" Wahlkampf gegen ihn geführt habe.

Das teilt die Gräfenberger Grünen-Fraktion im Nachgang der Stichwahl mit. Sie gratulieren dem neugewählten Stadtoberhaupt Ralf Kunzmann (FW), bieten ihm Zusammenarbeit an, betonen aber auch: Kunzmann solle die "Lebensleistung" seines Vorgängers "angemessen würdigen", nun, da ein "ungewöhnlich harter Wahlkampf" vorbei sei.

Schon vor der Wahl rumorte es

Was ist geschehen? Schon im Vorfeld der Kommunalwahl rumorte es im politischen Gräfenberg, die Kontroverse um CSU-Ortschef Thomas Müller sorgte für Aufsehen. Er teilte Hetze im Internet, nach einem NN-Bericht bezog er Stellung: "Bin nicht rechtsradikal". Wenige Wochen später zog der Kreisverband die Reißleine, Thomas Müller trat als CSU-Ortschef zurück. Das Ergebnis am Abend des 15. März: Auf Amtsinhaber Nekolla fielen 44,46 Prozent der Stimmen, Herausforderer Kunzmann bekam 36,56 Prozent. CSU-Kandidat Hans Derbfuß schied mit 18,98 Prozent im ersten Wahlgang aus.

Im Zuge des Stichwahlkampfes begannen die Gräfenberger Christsozialen dann kräftig die Werbetrommel für Kunzmann zu rühren, mit Flugblättern, Mitteilungen im Internet. Nekolla gehe es nur "um reinen Machterhalt", hieß es bei der CSU beispielsweise, Kosten und Mehraufwand durch "gravierende Fehler" würden "einfach unter den Tisch gekehrt". Nekollas Einsatz bei der Sanierung und Fördermittelbeschaffung für Freibad und Lehrschwimmbecken nannte der Ortsverband auf Facebook "Rumgeeier".

"Hass-Kampagne" gegen Nekolla?

Die Grünen, die wiederum Nekolla unterstützten, sahen darin gar eine "Hass-Kampagne". Fraktionssprecher Matthias Striebich meinte, etwas derartiges "in unserer Stadt noch nicht erlebt" zu haben. Tiefe Gräben also, die sich auftaten. Innerhalb der zwei Wochen zwischen Wahl und Stichwahl kippte das Stimmungsbild: Am Ende musste sich Favorit Nekolla mit 47,45 Prozent geschlagen geben, Kunzmann errang mit 52,55 Prozent den Sieg.

"Natürlich bin ich enttäuscht", sagt der Noch-Amtsinhaber zu diesem Ergebnis. "Ich hätte es gern noch sechs weitere Jahre gemacht." 18 Jahre im Gräfenberger Stadtrat und 22 Jahre im Kreistag sind kein Pappenstiel – gerade für jemanden wie ihn, der sich sein Leben lang politisch engagiert habe, so Nekolla.

Kein "Reingrätschen"

Dem Kreistag wird der 62-Jährige weiterhin angehören, doch sein Stadtratsmandat hängt er ("freilich") an den Nagel. "Das gehört für mich zur politischen Hygiene und stand von vorneherein fest, wenn ich nicht gewählt werde." Er wolle seinem Nachfolger nicht "reingrätschen". Ralf Kunzmann gratuliert er explizit – und wünscht ihm "eine glückliche Hand", denn leichter werde es ja nicht, vor allem angesichts der Corona-Krise. "Kommunalpolitik ist wie Wäschewaschen: Da wirst du nie fertig." Die Amtsübergabe und eine kurze Einarbeitung "werden selbstverständlich gut klappen".

Warum es für Nekolla nicht geklappt hat mit der Wiederwahl, trotz des Vorsprungs beim ersten Urnengang? Er möchte nicht mutmaßen. "Die CSU hat in relativ aggressiver Weise eine Wahlempfehlung ausgesprochen, das Ganze stimmt schon ein bisschen nachdenklich", sagt er. Aber am Ende sei dem Votum der Wähler nichts hinzuzufügen: Die Gräfenberger hätten sechs Jahre lang Zeit gehabt, Nekollas Arbeit zu sehen und zu würdigen – "und ich denk’, da gab’s eigentlich viel zu sehen". Doch: "Wenn sie es anders bewerten, bewerten sie es halt anders."

Von Kunzmann und der Freien-Wähler-Seite jedenfalls sei der Wahlkampf absolut fair verlaufen, betont Nekolla. Das einzig Positive, das er der Wahlentscheidung zuletzt abgewinnen kann: "Jetzt mehr Freiraum zu haben, nicht mehr von einem Termin zum anderen hecheln zu müssen." Seine berufliche Zukunft ist momentan noch etwas vage. Nekolla hat in Gräfenberg einen kleinen Betrieb, der sich auf Metallverarbeitung spezialisiert hat und in Jahren seiner Amtszeit weitgehend "autark" gelaufen sei. "Ich denke, da werde ich mich wieder engagieren."

Rückkehr als Chef

Momentan alle Hände voll zu tun, hat Nachfolger Kunzmann: Der 34-jährige Verwaltungsfachwirt aus Gräfenberg muss jetzt im Laufe des Monats seinen Job im Hauptamt der Stadt Herzogenaurach nach knapp fünf Jahren aufgeben – um als hauptamtlicher Chef zu seiner einstigen Ausbildungsstätte "zurückzukehren": Kunzmann lernte sein administratives Handwerk gleich nach der Schule im Gräfenberger Rathaus.

Auch der neue Bürgermeister hebt den "sehr fairen" Wahlkampf zwischen ihm und Nekolla hervor. "Schläge unter die Gürtellinie gab es bei uns – den Freien Wählern und der SPD – zum Glück nicht." Diesbezüglich hat Kunzmann auch ein Problem mit der Frage, was er besser als Nekolla machen möchte. "Damit würde man die Leistungen des Amtsinhaber abwerten." Für ihn geht es darum, was man selbst erreichen möchte: "Wir haben ein tolles Wahlprogramm, in dem viele Dinge aufgeführt sind, die wir umsetzten wollen." Und Kernpunkte von seiner Agenda – unter anderem eine stärkere Förderung des Ehrenamts und neue Konzepte für altersgerechtes Wohnen – scheinen bei den Wählern gut angekommen zu sein.

Er habe kritische Mitteilungen über die Kampagne der CSU sowie die Kontroversen um deren Ortschef Müller erhalten und "am Rande" davon mitbekommen. "Natürlich distanzieren wir uns komplett davon", so Kunzmann. "Das ist von Thomas Müllers Seite aus so gelaufen, aber das soll bitte nicht mit uns in Verbindung gebracht werden." Der FW-Politiker betont: "Wir wollen keinen Rechtsruck und damit auch nicht in eine Schublade gesteckt werden."

"Sieg ist ein Team-Erfolg"

Wie erklärt sich aber das baldige Stadtoberhaupt seinen Sieg gegen ein politisches Urgestein wie Nekolla? Zunächst merkt Kunzmann an, dass der Unterschied in der Stichwahl gerade einmal knapp 130 Stimmen betragen habe. "Aber natürlich ist man überrascht, gegen einen Amtsinhaber zu gewinnen." Er nennt den Sieg "keine Einzelleistung", sondern "einen Team-Erfolg" der Gräfenberger Freien Wähler. Vielleicht hätten die Leute erkannt, "dass wir doch wahnsinnig viel Einsatz gezeigt haben, auch mit unseren Werbemaßnahmen".

Mit Blick auf seinen Amtsantritt und die Corona-Pandemie sagt der neue Bürgermeister: "Einfach ist anders." Für eine Krise solchen Ausmaßes gebe es "keine fertigen Lösungen". Deshalb gehe es jetzt darum, "zusammenzuhalten und gemeinschaftlich etwas zu bewirken". Und so bleibt zu hoffen, dass zumindest im politischen Gräfenberg wieder Ruhe nach dem (Wahlkampf-) Sturm einkehrt.

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