Von Teststrategien und Katastrophenschutz: Forchheims Landrat im Interview

17.3.2021, 07:30 Uhr
Von Teststrategien und Katastrophenschutz: Forchheims Landrat im Interview

© Foto: Roland Fengler

Ein Jahr Pandemie. Ein Jahr Ausnahmezustand. Ein Jahr, in dem die Regelungen von gestern morgen schon veraltet sein können. Hermann Ulm ist als Landrat und Chef des Katastrophenschutzes ganz nah dran an den Entwicklungen. Im Interview spricht er über Vorgaben aus München, die Arbeitsbelastung im Landratsamt und die Teststrategie des Landkreises.


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Wie erleben Sie die derzeitige Situation?

Es ist keine einfache Zeit. Man wird immer wieder eingeholt von Dingen, die sich neu und anders entwickeln. In Pressekonferenzen auf Bundes- oder Landesebene werden Sachen verkündet, für die es weder Verordnungen noch Ausführungsbestimmungen gibt. Auf der einen Seite werden dadurch bei den Bürgern Erwartungshaltungen erzeugt. Auf der anderen Seite Frust bei den Mitarbeitern vor Ort, die es umsetzen müssen und dann noch in der Kritik dafür stehen, dass das nicht so funktioniert, wie es verkündet wurde.

Das heißt, die Arbeit ist nicht weniger geworden. Und das, obwohl der repräsentative Teil Ihres Amtes fast völlig weggefallen ist.

Das stimmt. Und das ist schade, denn es ist das, was das Amt auch ausmacht. Dass man vor Ort ist und die Menschen besucht, das fällt völlig weg. Es ist auch ein Grund dafür, dass viele gar nicht wissen, was wir hinter den Kulissen alles leisten.

Wie sehr prägt Corona die Arbeit im Landratsamt?

Enorm. Das Personal ist zahlenmäßig auf den "Normalbetrieb" eingerichtet. Nun haben wir mit Unterbrechung fast ein Jahr lang den Katastrophenfall. Das heißt, unsere Mitarbeiter schultern die zusätzliche Arbeit zu ihren normalen Aufgaben. Das betrifft sowohl die Mitarbeiter aus den Bereichen Gesundheit und öffentliche Sicherheit und Ordnung, aber auch alle anderen Abteilungen. Denn wir haben aus allen Bereichen Mitarbeiter zur Unterstützung abgezogen. Dabei erwarten die Bürger natürlich, dass ihr Bauantrag bearbeitet oder die Zulassung ihres Autos geregelt wird. Diese Zusatzbelastung bringt alle Mitarbeiter absolut an die Grenze – und das wird außen oft gar nicht gesehen.

Gibt es noch Möglichkeiten zur Aufstockung?

Es wird aufgestockt, teilweise durch staatliches Personal, teilweise durch uns. Aber auch das hat Grenzen. Finanzielle, räumliche aber auch, was die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt angeht. Nehmen wir zum Beispiel die Mitarbeiter in der IT, die momentan überall gebraucht werden. Sie kümmern sich um unsere EDV, richten Heimarbeitsplätze ein statten Lehrer und Schüler mit Computern aus. Wir haben zwar um einige Stellen aufstocken können, doch es ist schwierig, IT-Fachkräfte dazu zu bewegen, befristet im öffentlichen Dienst anzufangen.

Wenn die Belastungsgrenze erreicht ist, muss man das doch klar formulieren, auch in Richtung München.

Wir formulieren die Kritik. Zum Beispiel im bayerischen Landkreistag. Und wir sind nicht die einzigen. Aber wir stehen in der Pflicht. Im Katastrophenfall gibt es eine ganz strikte Hierarchie von oben nach unten. Und wie es immer so ist: Den letzten beißen die Hunde. Der muss es umsetzen.

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© Foto: Roland Fengler

Es gibt Kommunen in Deutschland, die eine Vorreiterstellung einnehmen. Tübingen zum Beispiel oder Rostock. Wie sehen Sie solche Initiativen?

Beim Thema Impfen haben auch wir eine Vorreiterstellung eingenommen. Und wir sind sehr glücklich, dass wir den ASB und UGeF an unserer Seite haben. Durch das Impfen in den Gemeinden haben wir wesentlich mehr Über-80-Jährige erreicht als Regionen, die nur auf zentrales Impfen gesetzt haben. Es ist ein Grund dafür, dass unsere Impfquote über dem bayerischen und über dem bundesdeutschen Durchschnitt liegt.

Was bedeutet der Stopp der Astra-Zeneca-Impfungen für die Menschen im Landkreis?

1060 Personen wären in dieser Woche damit geimpft worden. Alle diese Termine mussten storniert werden. Sobald es neue Lieferungen von BionTech und Moderna gibt, bekommen diejenigen, die davon betroffen waren, eine Art Erstzugriffsrecht auf diese Termine. Das wird ein, zwei Wochen dauern, aber dann sollte die Liste der Stornierungen abgearbeitet sein.

Das Impfzentrum sollte eigentlich erweitert werden, doch vergangene Woche stoppte der bayerische Gesundheitsminister die Erweiterungen. Wie ist der Stand der Dinge?

Das ist auch ein Thema, bei dem man die Hände über dem Kopf zusammenschlagen könnte. Wir bekamen die Anweisung, auszubauen. Daraufhin haben wir investiert, den Mietvertrag mit Don Bosco erweitert und neue Trockenbauwände gesetzt. Das ist alles schon erledigt. Und dann kam die Absage. Im Vergleich zu anderen Landkreisen ist es bei uns vom finanziellen Aufwand überschaubar, aber insgesamt muss man schon sagen, dass dadurch einiges an Geld verbrannt wurde.

Wie geht es weiter?

Wir werden die neu geschaffenen Flächen ab 1. April für eine weitere Impfstraße nutzen, denn das Untergeschoss bietet die Möglichkeit eines zusätzlichen barrierefreien Zugangs.Der davor liegende Sportplatz kann außerdem als Parkplatz genutzt werden.

Die Impfungen in den Gemeinden sind für die Über-80-Jährigen fast abgeschlossen. Ist das für die nächste Altersgruppe auch geplant?

Nein, denn diese Altersgruppe ist so groß, dass das zu Ungerechtigkeiten führen würde. Dann wären die einen im März an der Reihe, die anderen aber erst im Mai. Dafür werden dann die Hausärzte eingebunden werden.

Wie ist es mit dem Thema Testen?

Auch so ein Thema. Da wurde viel angekündigt. Die Umsetzung lag dann allein bei uns. Immerhin konnten wir inzwischen die Lehrkräfte und Erzieherinnen in den Kitas mit Selbsttests beliefern. Nun werden durch neue Aussagen wieder Erwartungen geweckt, dass auch die Schüler Selbsttest erhalten sollen. Doch da warten wir aktuell noch auf die Auslieferung über den Freistaat.

Wie sieht das Testkonzept im Landkreis aus?

Wir setzen auf drei, vielleicht auch vier Säulen: auf der einen Seite die Apotheken und die Ärzte, wobei es bei letzteren noch etwas problematisch bei den Kosten ist. Noch bieten nicht alle Ärzte kostenlose Tests an. Auf der anderen Seite wird das BRK am Freitag in unserem Auftrag ein Schnelltestzentrum in Ebermannstadt eröffnen. Die vierte Säule ist die Möglichkeit, dass Gemeinden mit einsteigen. Wir haben alle Bürgermeister im Landkreis angefragt, welche Möglichkeiten sie vor Ort sehen. Das BRK hat außerdem das Angebot gemacht, Schulungen anzubieten. Inzwischen haben wir von einigen Gemeinden gehört, dass sie sich Tests vor Ort vorstellen können, manche auch in Kooperation mit den Apotheken oder Hausärzten. Es soll sich in den nächsten Tagen entscheiden, wie es mit der Kostenübernahme aussieht, aber auf diese Vorgaben warten wir noch.

Das heißt, es könnte sich in Zukunft in dieser Richtung noch mehr tun?

Ja. Die längerfristige Planung muss sein, dass es in jeder Gemeinde die Möglichkeit für Schnelltests gibt. Auf Dauer macht es keinen Sinn, den ganzen Landkreis in ein Testzentrum pendeln zu lassen. Unser Ziel muss sein, die Gastronomie und den Handel mit ins Boot zu holen und die Leute dort zu testen, wo sie es auch brauchen.

Gibt es Lehren, die Sie aus dem Jahr Pandemie mitnehmen?

Es gibt Dinge, die durch die Pandemie nach vorn gebracht wurden und nun weiter forciert werden müssen. Der Einsatz von EDV an Schulen zum Beispiel. Was mir aber besonders wichtig ist, ist die Reihenfolge in der Kommunikation. Zuerst etwas in der Hand zu haben und dann an die Öffentlichkeit gehen und etwas zu versprechen. Das ist auf allen Ebenen der Politik nötig.

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