„Die Teilzeitlehre ist das Beste, was mir passieren konnte“

24.4.2015, 21:00 Uhr
„Die Teilzeitlehre ist das Beste, was mir passieren konnte“

Mitte August kam der Anruf, der Saskia Auerochs (27) enormen Auftrieb gab. Dietmar Lorenz, Leiter der Berufsfachschule für Altenpflegehilfe an der Hans-Weinberger-Akademie, wollte wissen, ob sie weiter Interesse habe. Ein Platz sei noch frei in der neuen Klasse mit den Halbtags-Azubis. „Und wie ich Interesse hatte!“ Auerochs fiel „ein ganzer Felsbrocken“ vom Herzen.

Als alleinerziehende Mutter eines jetzt sechsjährigen Mädchens hatte sich die Veitsbronnerin nach einer abgebrochenen Ausbildung zur Arzthelferin so durchgeschlagen, jobbte im Altenheim, dann in einem Callcenter. Heute urteilt sie: „Die Teilzeitlehre ist das Beste. was mir passieren konnte.“ Ihr und ihrem Kind. Denn: Seit sie ihre berufliche Zukunft in die Hand genommen hat, ist die Mutter „längst nicht mehr so gereizt und so genervt von mir selber“.

Zusammen mit 24 anderen Frauen hat Saskia Auerochs jeweils im mehrwöchigen Block theoretischen Unterricht an der Hans-Weinberger-Akademie und berufspraktische Einsätze, in ihrem Fall im Veitsbronner Phönix Alten- und Pflegeheim. Den Schulort kann sie mit dem Zug gut erreichen, den Arbeitsplatz zu Fuß. Ein Glücksfall, denn sie wohnt gleich nebenan. Um 6.45 Uhr bringt sie ihre Tochter in den Kindergarten, ab 7 Uhr umsorgt sie die Heimbewohner, hilft beim Waschen, Anziehen, Essen . . .

Heike Wild, Pflegedienstleiterin im Phönix, ist „heilfroh um jeden qualifizierten Mitarbeiter“. Dass junge Mütter die an sich einjährige Ausbildung zur Altenpflegehelferin auf zwei Jahre strecken können, findet sie „wunderbar“ und meint: „Auf sowas hätte man auch früher kommen können.“ Völlig neu ist das Projekt „Halber Tag – ganze Lehre“ der Bundesarbeitsagentur, wie das Handelsblatt titelte, zwar nicht. Doch kann es nach den Worten von Ursula Schöbel, Beauftragte für Chancengleichheit in der Fürther Arbeitsagentur, nur umgesetzt werden, wenn sich genug Interessent(inn)en finden. In Fürth war das im Herbst der Fall. Laut Lorenz ist es das einzige Angebot in Mittelfranken.

Natürlich bedarf es auch aufgeschlossener Arbeitgeber. Schöbel und ihre Kollegen versuchen, bei den Betrieben „ein Bewusstsein für so genannte Hausfrauen-Schichten zu schaffen“. Dass sich ein solches allmählich durchsetzt, zeigt sich am Heinrich-Heinel-Heim der Diakonie-Gemeinschaft Puschendorf. Pflegekräfte können dort ihre Einsatzzeiten weitgehend selbst bestimmen (wir berichteten). Auch Pflegedienstleiterin Wild sagt: „Es ist in unserem Interesse, gute Kräfte zu halten“. Die Dienstpläne kriegen wir schon hin.“

Im September startet an der Weinberger-Akademie eine neue Klasse. Am Mittwoch, 29. April, findet dort (Hirschenstraße 26) ein Informationstag statt. Für Interessent(inn)en ohne Erfahrung in der Branche ist ein Vorpraktikum Pflicht – „damit sie sich klar werden, ob sie sich den physischen und psychischen Belastungen in der Pflege gewachsen fühlen“, erklärt Schöbel.

Die zweifache Mutter Kalliopi Stavrou gesteht, sie habe Bedenkzeit gebraucht, als ihr die Arbeitsagentur die Teilzeitlehre nahelegte. Die 40-Jährige hat einmal Reiseverkehrskauffrau gelernt, ohne Abschluss. Nach der Geburt ihrer Kinder Eleni (7) und Niko (5) blieb sie erst mal daheim, später jobbte sie abends, wenn ihr Mann zuhause war, als Hausmeisterin.

Dass sie „Menschen etwas geben“ kann, dass es ihr nicht schwerfällt, fremde Leute zu säubern, die sich eingekotet haben, und dass es ihr gelingt, abends abzuschalten, erkannte sie im Vorpraktikum. Stavrou begann die Lehre, absolviert den Praxisteil im Betreuten Wohnen von „Sicher und Sozial“ mit ambulantem Dienst (Foerstermühle) und ist froh darum. Denn: „Es gibt mir eine neue Perspektive.“

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