Elsbeths legendärer Ausflug in die Freiheit

9.8.2020, 10:00 Uhr
Elsbeths legendärer Ausflug in die Freiheit

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Irgendwie war es Elsbeth, Attraktion des an der Ludwigsbrücke gastierenden Zirkus Fliegenpilz, gelungen, sich dünne zu machen. Thomas Eisenhöfer erinnert sich: "Der Zugführer wusste, dass ich bei der Marine gewesen war und meinte: Du gehst ins Boot."

Mit einem Kollegen stieg der damals 24-Jährige also am Fluss in das kleine Schlauchboot mit dem Fünf-PS-Außenbordmotor und sah sich mit einem Problem konfrontiert: Wie bewegt man ein gut 200 Kilo schweres exotisches Tier dazu, an seinen Arbeitsplatz zurückzukehren?

"Wir hatten nur so eine Art Lasso dabei", sagt Eisenhöfer. "Elsbeth war schneller als wir, sie hat sich flussaufwärts bewegt. Es sah aus, als ob sie regelrecht unter Wasser läuft." Zwei-, dreimal kamen die Männer – auch Taucher waren ausgerüstet worden – nah an sie dran, aber: "Sie ist immer in letzter Sekunde entwischt."

Zwischenzeitlich war Verstärkung eingetroffen: "Einige junge Kollegen, die zur Ausbildung da waren, stießen auch zu uns." Die Aktion, über deren korrekte Vorgehensweise wahrscheinlich bis heute kein Lehrbuch Auskunft gibt, ging "den ganzen Nachmittag" lang weiter.

"Einem gelang es, Elsbeth um den Hals zu packen, aber sie tauchte unter und war weg." Eisenhöfer: "Sie hatte ja so eine Kraft, die hat einen 1,90-Meter-Mann abgeschüttelt wie eine Fliege." Auf der Höhe des Hauptfriedhofs, kurz vor der Kläranlage, musste die Aktion zunächst einmal abgebrochen werden. "Wir konnten mit unserem Boot nicht mehr folgen, und es war klar geworden, dass das Tier zu schlau ist, um sich so zur Rückkehr bewegen zu lassen." Eines weiß der Feuerwehrmann noch genau: "Sie wirkte auf mich keinen Moment aggressiv, ich hatte das Gefühl, sie hatte Angst."

Elsbeths legendärer Ausflug in die Freiheit

© Claus Felix/dpa

Für Eisenhöfer ging die Geschichte weiter. Freunde von der Marine in Kiel meldeten sich am Telefon und wollten sich vergewissern, ob die Story stimmt. Der Fürther muss lachen: "Und in einem Bericht wurden wir zur ersten Flusspferd-Rettungseinheit in Deutschland ernannt."

Noch heute, wenn der 54-Jährige, der privat Musiker und Weltenbummler ist, bei Besichtigungen der Wache über die Arbeit der Berufsfeuerwehr informiert, erzählt er oft von Elsbeth: "Das wollen alle hören."

Im Sommer 1990 sollte es noch sechs Tage dauern, bis das Zwergflusspferd schließlich bei Stadeln eingefangen wurde. Die Fürther Nachrichten berichteten vom entscheidenden Moment am 23. August: "Nachdem sie zwei Nächte lang kaum ein Auge zugetan hatte und zuletzt noch 500 Meter flussaufwärts durch die Regnitz geschwommen war, schien die Flusspferddame am Ende ihrer Kräfte zu sein. Erschöpft tappte sie gegen Mittag in eine am Ufer bereitgehaltene Schlinge."

Hunderte von Schaulustigen, so ist nachzulesen, hatten in den Tagen zuvor nach Elsbeth Ausschau gehalten. Übers Finale der Hippo-Jagd wurde sogar in Tagesthemen und Heute-Journal berichtet. Nebenbei gaben einige überregionale Blätter Einblicke in ihre Geografiekenntnisse, als sie behaupteten, das Tier habe sich "in ein Naturschutzgebiet der Regnitz, einem Seitenfluss der Pegnitz" geflüchtet.

Kritik von Tierschützern

Elsbeths legendärer Ausflug in die Freiheit

© Foto: Hans-Joachim Winckler

War das trotzdem ein wunderbares Happy-Hippo-End? Wohl kaum. Schon damals meldeten sich Tierschützer und monierten, die Haltung von Elsbeth und eines zweiten Zwergflusspferds namens Gloria im Zirkus auf wenigen Quadratmetern sei alles andere als artgerecht gewesen.

Auch darüber berichtete unsere Zeitung. Zirkus-Direktor Bodo Hölscher wurde zitiert – der solche Vorwürfe freilich von sich wies und betonte, dass sein Unternehmen erst kürzlich von der "Deutschen Zirkuszeitung" gelobt worden sei . . .

Elsbeth war im Sommer 1990 gut ein Jahr alt. Seit 1975 führt der Zoo von Basel das internationale Zuchtbuch der Zwergflusspferde, und seit 1992 wird von dort das Europäische Erhaltungszuchtprogramm (EEP) koordiniert. Die Tiere sind stark bedroht – nicht zuletzt, weil ihr natürlicher Lebensraum in Afrika zerstört wird.

Ein Zwergflusspferd kann bis zu 42 Jahre alt werden. Auf FN-Anfrage kommt aus Basel aber die Information, dass Elsbeth 2007 starb – relativ jung also. Für den Zirkus wurde sie zum Werbeträger, angeblich soll sie noch mehrmals weggelaufen sein. Ihre Auftritte beschränkten sich freilich auf eine Runde, die sie durch die Manege drehen musste.

Beatrice Steck, verantwortlich für das Erhaltungszuchtprogramm mit Sitz in Basel, sagt, dass seit 1995 – seither ist sie zuständig – keine Tiere mehr an einen Zirkus gegeben worden seien. Und: Man würde dies heute auch nicht mehr machen.

In Fürth ist Elsbeth unvergessen: Am Talblick erinnert auf einem Grundstück der Wohnungsgenossenschaft noch heute eine Skulptur von Gudrun Kunstmann an den legendären Ausflug in die Freiheit.

Keine Kommentare