Experte erläutert in Cadolzburg Finessen der Strabs

14.7.2016, 13:00 Uhr
Experte erläutert in Cadolzburg Finessen der Strabs

© Thomas Scherer

„Rentner soll 99 000 Euro für seinen Gehweg zahlen“ — so machte ein berühmtes Tagesblatt Stimmung gegen die Strabs. Einige Medien führen einen „Kreuzzug“ gegen die vom bayerischen Gesetzgeber vorgeschriebene Satzung, sagte Gerhard Wiens. Der ehemalige Richter am Bayerischen Verwaltungsgericht erklärte in einem zweieinhalbstündigen Vortrag im Cadolzburger Gemeinderat, was es mit der ungeliebten Satzung auf sich hat.

Alle Bürger einer Gemeinde beteiligen sich an den Kosten des Ausbaus einer Straße über die Steuerkasse. Zusätzlich sichert die Strabs ab, dass die Personen mehr zahlen, die mehr davon profitieren. Und Nutznießer sind vor allem die Eigentümer von Grundstücken an der ausgebauten Straße. Je größer das Grundstück, desto höher ist in der Regel der Beitrag. Bebauungen mit hohen Geschosszahlen oder Gewerbe kosten mehr. Bei einem Einzelbetrag von fast hunderttausend Euro vermutet Gerhard Wiens ein großes Grundstück. „Und wer einen Porsche vor der Haustüre stehen hat, kann sich den Ausbaubeitrag auch leisten“, sagte der Experte. Der Gesetzgeber verlange nicht, dass finanziell nicht liquide Personen das Grundstück verkaufen, auf dem sie wohnen. In diesem Fall kann die Kommune beispielsweise Raten vereinbaren.

Außerdem hätten Kommunalpolitiker Einflussmöglichkeiten: Der Anteil der Anlieger beim Ausbau beträgt höchstens 80 Prozent der Baukosten und kann deutlich niedriger liegen, wenn die Straße von viel Durchgangsverkehr belastet ist. Zudem plant der Gemeinderat zusammen mit der Verwaltung die Art des Ausbaus, hat also direkten Einfluss auf die Kosten. Je länger eine Straße hält, ohne ausgebaut zu werden, desto günstiger für die Eigentümer: Denn Unterhaltskosten für die kommunalen Straßen trägt die Gemeinde zu 100 Prozent. „Wenn die gemeindlichen Straßen gut unterhalten werden, müssen sie seltener ausgebaut werden“, sagte Gerhard Wiens.

Nur zwei Ausnahmen

Abschaffen können Gemeinden die Ausbausatzung nicht. Sie ist im Freistaat Bayern gesetzlich vorgeschrieben, wie auch in allen anderen Bundesländern mit den Ausnahmen Baden-Württemberg und Berlin. „Wir als Kommunalverwalter wollen nichts Böses, sondern vollziehen Gesetze“, sagte Cadolzburgs Bürgermeister Bernd Obst.

Aktuell heiß in der Diskussion ist ein neues Mittel, das die Höhe der Beiträge auf den ersten Blick senkt: So genannte wiederkehrende Beiträge teilen die Kosten auf fünf Jahre unter mehr Personen auf – auch solchen, deren Straße in den fünf Jahren noch nicht ausgebaut wird. Jährliche Beiträge könnten sich so leicht reduzieren. Die geringeren Summen auf den Zahlbescheiden der Verwaltung machen die wiederkehrenden Beiträge attraktiv: Weniger Anlieger sind unzufrieden, der Gemeinderat sitzt fester im Sattel.

Doch der Experte warnt: „Wiederkehrende Beiträge verringern die Summe nicht.“ Letztlich könnten sie sogar steigen, denn jeder Anwohner möchte den Luxusausbau, wenn seine Straße endlich an der Reihe ist.

Wiens beteuerte, neutral zu sein, lieferte aber die überzeugenderen Gegenargumente. Rechtlich seien die wiederkehrenden Beiträge leichter angreifbar, weil die Zusammenfassung mehrerer Straßen zu einer Ausbaugemeinschaft nicht eben einfach sei. Aus Sicht der Kommune spreche der hohe Verwaltungsaufwand gegen wiederkehrende Beiträge. „Es müssen zum Beispiel hundert Bescheide verschickt werden und nicht zehn – und das jährlich und nicht einmalig“, sagte der Experte.

In der Sitzung traf der Cadolzburger Gemeinderat keine Entscheidung über die wiederkehrenden Beiträge. Bisher kam die Strabs in Cadolzburg ein Mal zum Einsatz: beim Ausbau der Ortsdurchfahrt von Wachendorf. „Wir haben uns die Entscheidung bei Einführung der Satzung nicht leicht gemacht“, beteuerte Bernd Obst. Manche Gemeinderäte fühlten sich indes erst nach dem Expertenvortrag von Gerhard Wiens ausreichend informiert. Bis auf drei Ausnahmen waren alle Räte der Einladung zur Sondersitzung gefolgt.

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