Film über Depression: Wenn die beste Freundin abhanden kommt

27.6.2020, 21:00 Uhr
Film über Depression: Wenn die beste Freundin abhanden kommt

Es hätte ja auch Krebs sein können. War es aber nicht, so ein Riesenglück. Die Mutter arbeitslos, die Familie pleite? Nein, das war es auch nicht, Entwarnung. "Ich war total erleichtert", sagt Agnes Lengenfeld, "bis ich später merkte: Diese Erleichterung zu zeigen, das war eine Scheißreaktion." Agnes ist 15 und drückt die Schulbank im Schliemann-Gymnasium, als ihr die beste Freundin abhanden kommt, immer stiller wird, mürrischer, blasser. Monate vergehen, ehe sich die ein Jahr Jüngere offenbart. Es ist nicht Krebs, nicht Arbeitslosigkeit. Es ist eine Depression. Ein Thema zum Heulen, kein Thema, um erleichtert zu sein.

"Ich habe das lange mit mir herumgetragen, habe Tagebuch geführt und mir eingestehen müssen, dass man als Freundin nichts tun kann", sagt Agnes Lengenfeld heute, mit 21 Jahren. Nachrichten aus dem tiefen Seelenloch: Depressionen unter Kindern und Jugendlichen sind, Unwissende mögen es kaum glauben, eher die Regel als die Ausnahme. 2017 erhielten mehr als 193.000 Zehn- bis 18-Jährige die schlimme Diagnose, unter der psychischen Erkrankung leiden doppelt so viele Mädchen wie Jungen. Insgesamt zählt Deutschland vier Millionen Betroffene. Die Zahlen steigen.

Bis die Freundin, die auch 2020 noch Agnes Lengenfelds Freundin ist, zurückfand ins Leben, vergingen zwei aufreibende Jahre, Klinikaufenthalte inklusive. Eine Zeit, die Lengenfeld nie losgelassen hat. Verarbeitet hat die Fürtherin all das in einem Kurzfilm. "Mir geht’s gut" dauert 27 Minuten und ist ihr Beitrag zum Mittelfränkischen Jugendfilmfestival 2020, das mit 61 Werken noch bis Sonntag – nein, nicht über eine Bühne, geschweige denn durch ein Kino, sondern Corona-bedingt durch den PC geht. Am Sonntag um 18 Uhr läuft "Mir geht’s gut" unter www.twitch.tv/jufife, Preisverleihung ist am Sonntag um 20 Uhr im Franken Fernsehen.

"Mir geht’s gut", wie oft ist das eine Lüge. "Ihr seid nicht alleine!", so lautet, siehe Abspann, Agnes Lengenfelds Botschaft. Aus der Sicht der hilflosen Freundin Lucy (Zoe Thobor) schildert der stille Film die Entfremdung von der immer rätselhafteren Bella, gespielt von Lengenfelds Schwester Clara, die Suche nach Erklärungen, die labile Gruppendynamik in der Schulclique.

Alte Chatverläufe und das Tagebuch halfen

Regie, Kamera, Buch, Schnitt: Agnes Lengenfeld. Bei der Arbeit am Drehbuch halfen die alten Chatverläufe, das Tagebuch. In zwei Sommerwochen 2018 fanden die Dreharbeiten statt, unschwer zu erkennen sind eine Stadtwald-Lichtung kurz vor Cadolzburg – bei den Burgfestspielen spielte Lengenfeld mehrfach mit – und der Löwenplatz; die Cliquen-Szenen entstanden im Gemeindehaus von Unserer Lieben Frau, wo sich Lengenfeld lange Zeit engagierte.

Film über Depression: Wenn die beste Freundin abhanden kommt

© Foto: privat

"Ich möchte Mut machen, das Thema anzusprechen"; eine "große Ehre" wäre es, würde "Mir geht’s gut" in Schulen laufen und dort zu Diskussionen anregen. Das Werk ist Lengenfelds vierter Beitrag fürs Jugendfilmfestival, mit dem ersten, "Zwei Welten", gewann sie 2015 den Sonderpreis Inklusion. Aufs eisglatte Berufsfeld Film hat sich die agile junge Frau dennoch nicht gewagt; nach einem Praktikum in der Cnopfschen Kinderklinik entschied sie sich für ein Medizinstudium in Göttingen, dort ist sie im zweiten Semester, Fernziel: Kinderonkologie.

Auch die Freundin ist 2020 Studentin. Den Film kennt sie noch nicht in Gänze, "aber die Ausschnitte", sagt eine hörbar erleichterte Agnes Lengenfeld, "fand sie toll." Beiden geht’s gut.

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