Erinnern

Fürther Auschwitz-Gedenken: Eine Stimme für die Überlebenden

Armin Leberzammer

29.1.2022, 21:00 Uhr
Fürther Auschwitz-Gedenken: Eine Stimme für die Überlebenden

© Foto: Wolfgang Händel

„Heute jährt sich zum 77. Mal die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz. Die Verantwortung, daran zu erinnern, wird nicht verjähren." Mit diesen Worten leitete Moderatorin Carolin Wabra am Donnerstag die Gedenkveranstaltung der Jugendinitiative "Echt Fürth" ein, die angesichts der Pandemielage per Livestream auf Youtube verfolgt werden konnte.

Noch leben Zeitzeugen, die die Verfolgung durch die Nationalsozialisten am eigenen Leib erfahren mussten. Doch nach fast acht Jahrzehnten "sterben die Stimmen der Überlebenden langsam aus", so Niklas Haupt, Sprecher des Fürther Bündnisses gegen Rechtsextremismus und Rassismus. Es werde also Zeit, sich Gedanken über neue Formen der Erinnerung zu machen. Mit der Veranstaltung "Fürth gedenkt – wir erinnern, um zu verändern", die für eine demokratische, offene und tolerante Gesellschaft eintritt, wolle man daher nun neue Wege gehen – mit Berichten aus zweiter Hand.

Während Schauspielerin Hannah Candolini Passagen aus den Lebenserinnerungen von Frieda F., einer mittlerweile 100-jährigen Fürtherin, vortrug, sprach der in Fürth geborene und aufgewachsene Bürgerrechtler und Sinto Roberto Paskowski über das Verfolgungsschicksal seiner Angehörigen und die Auswirkungen auf die folgenden Generationen.

"Im Mai 1941 wurde unser erster Sohn Ignatz geboren und wir hofften auf bessere Zeiten", zitiert Candolini die 1921 im südlichen Polen geborene Frieda F. Bessere Zeiten kamen indes nicht, im Gegenteil. Mit dem Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion wenige Wochen später trat der Völkermord in eine neue, noch grausamere Phase. Lange Zeit gelang es F., sich gemeinsam mit Eltern, Ehemann, Schwester und Schwager im Untergrund zu verstecken. Im Januar 1944 wurden sie schließlich beim Versuch über Tschechien und Rumänien nach Israel zu entkommen von der Gestapo aufgegriffen. Ihren kleinen Sohn hatten sie zuvor noch bei polnischen Bauern versteckt.

Arbeitsfähig, wie sie war, überlebte Frieda F. die dann folgende Schreckenszeit in Auschwitz. Ihre Mutter dagegen wurde dort bald nach der Ankunft getötet. Anfang 1945 konnten sie und ihre Schwester letztlich auf einem der Todesmärsche in Richtung Westen fliehen. Vater und Bruder hatten glücklicherweise ebenso überlebt wie Sohn Ignatz. In den sechziger Jahren wanderte dann ein Teil der Familie nach Fürth aus, einer anderer nach Israel.

Für Bernd Noack "eine unglaubliche Lebensgeschichte, die irgendwie doch noch gut ausgegangen ist". Der Journalist hat sich vor einigen Jahren längere Zeit mit Frieda F. unterhalten und erzählte bei der Gedenkveranstaltung über diese Stunden. Es habe lange gedauert, bis sie für dieses Interview bereit war – und angesichts des wieder wachsenden Antisemitismus wollte sie anonym bleiben. Auffallend war für Noack, dass F. zwar stets in der Vergangenheitsform sprach, "doch über ihre Zeit in Auschwitz berichtete sie im Präsens. Für mich ein Zeichen, dass sie diese Vergangenheit permanent mit sich trägt".

Traumata, die meist unweigerlich in die nächsten Generationen weiter getragen wurden, wie das folgende Gespräch zwischen Roberto Paskowski und dem Historiker Leonhard Stöcklein offenbarte. Noch dazu, weil die Ausgrenzung von Sinti und Roma nach 1945 nicht aufhörte. Er habe zwar "eine schöne Kindheit" in Fürth gehabt, wo er 1957 geboren wurde, "aber wenn es Ärger gab, waren immer wir die Schuldigen". Lehrer waren nicht nur lange Zeit gewalttätig, sondern "haben mich auch der Bildung beraubt".

Statt seinen Traum vom Jura-Studium verwirklichen zu können, blieb Paskowski nur ein einfacher Schulabschluss – und selbst den musste er sich gemeinsam mit seinen Pflegeeltern hart erkämpfen, weil Sinti oft einfach in Sonderschulklassen gesteckt wurden. Roberto Paskowski aber wollte sich wehren und anderen helfen, etwa beim juristischen Kampf um beschämend geringe Entschädigungszahlungen. Bis heute engagiert er sich gegen Antiziganismus und Rassismus, unter anderem als Vorstandsmitglied im Landesverband der Sinti und Roma.

Die im vergangenen Jahr am Löwenplatz errichtete Gedenkstele für die verfolgten Fürther Bürger, sei ein Zeichen, dass sich langsam etwas tut. "Wir wollen nicht als Fremde gesehen werden", so Paskowski, "und nach 600 Jahren muss es endlich eine Anerkennung geben, dass wir ein Teil dieser Gesellschaft sind."

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