Fürths Italiener fiebern jetzt mit den Deutschen

15.11.2017, 16:00 Uhr
Fürths Italiener fiebern jetzt mit den Deutschen

© Foto: Beatrice Larco/dpa

Maurizio Scigliuzzo (45) ist enttäuscht. Das sei aber noch gar nichts gegen die Depression, die derzeit im Heimatland seiner Eltern herrsche. "Das ist in Worten nicht zu beschreiben", weiß der Fußballtrainer von Bezirksligist Tuspo Roßtal. "Ich will die Leistung der Schweden nicht schmälern, aber sie spielen keinen attraktiven Fußball."

Fürths Italiener fiebern jetzt mit den Deutschen

© FN

Die Ursachen für das Aus der Squadra Azzurra lägen indes auf der Hand: Ein wenig motivierender Trainer und ein veralteter Kader ("solide, aber nicht spritzig") schreien nach einem Neuanfang. Das einzig Positive für Scigliuzzo: "Ich werde die entspannteste WM meines Lebens erleben." Doch als Fußballfan kann er es nicht leugnen: "Klassiker wie Italien gegen Brasilien werden einfach fehlen."

Fürths Italiener fiebern jetzt mit den Deutschen

© FN

Maria Fontana-Eberle seufzt langgezogen ins Telefon. Das Scheitern der Mannschaft aus ihrem Heimatland findet die Vorsitzende des Fürther Netzwerks Kinderfreundliche Stadt "sehr, sehr schade". Gemeinsam mit ihrem Mann hat sich die 54-Jährige das entscheidende Match angesehen. Engagiert habe das Team zwar gespielt, doch das Glück, das man immer auch brauche, sei den Italienern diesmal nicht hold gewesen. Hinzu komme, dass Italien den längst überfälligen Neustart mit jungen Spielern verschlafen habe.

Bei der Weltmeisterschaft werde sie Italien aber auf jeden Fall schmerzlich vermissen. Ihr Sohn, der deutsch-italienische Wurzeln hat, habe bereits angekündigt, die WM zu boykottieren. Das wiederum kommt für Maria Fontana-Eberle nicht in Frage. "Ich liebe es, gemeinsam mit Freunden die Spiele zu verfolgen, das lasse ich mir nicht nehmen." Lediglich die Daumen drückt sie dann einer anderen Mannschaft: der DFB-Elf.

Fürths Italiener fiebern jetzt mit den Deutschen

© FN

Domenico Di Cello, Fürther Radsportler und Künstler aus Kalabrien, hat das Spiel über Satellitenempfang im italienischen Fernsehen angeschaut. Wegen der Kommentare, denn die haben doch eine ganz andere Qualität als die deutschen, findet er. Das hat die Stimmung freilich auch nicht aufhellen können. "Ich hake den Fernsehabend unter dem Titel ,Die Apokalypse‘ ab. Einfach unvorstellbar nach all den großartigen Erfolgen der italienischen Nationalmannschaft in den letzten Jahrzehnten. So enttäuscht war ich wirklich nie zuvor."

Am Einsatz des Teams habe es nicht gelegen, gekämpft hätten die Spieler "wie die Blöden", und gefühlte 80 Prozent der Zeit aufs Tor der Schweden gespielt. Grund fürs Scheitern ist in Di Cellos Augen die Unfähigkeit der italienischen Stürmer, den Ball ins Gehäuse zu bekommen.

Fürths Italiener fiebern jetzt mit den Deutschen

© fn

Guglietta – der Name klingt, keine Frage, sehr italienisch. Und Maurice Guglietta (26) hat auch italienische Wurzeln, der Großvater kam einst als Gastarbeiter nach Fürth. Doch mit den Sympathien für die Squadra Azurrra ist es beim Studenten der Kommunikationswissenschaft, der für die SPD im Fürther Stadtrat sitzt, schon seit dem Jahr 2006 nicht mehr weit her. Damals nämlich schmissen die Italiener die deutsche Mannschaft in deren eigenem Land aus dem WM-Turnier – und das hat ihnen Guglietta nie verziehen. Denn italienische Wurzeln hin oder her: Nummer eins in der persönlichen Sympathie-Rangliste war stets die Nationalelf seines Geburtslandes. Bis heute sitzt der Schmerz tief, der sich 2006 im Herzen des Heranwachsenden eingenistet hat. Deshalb macht Guglietta auch kein Hehl aus seiner eigentlichen Stimmungslage: "Ganz ehrlich, unglücklich bin ich übers Aus für Italien nicht. Und für die Schweden freut es mich."

Fürths Italiener fiebern jetzt mit den Deutschen

© fn

Was den Fußball anbelangt, sind harte Zeiten für Sebastiano Silvia angebrochen. Sein Lieblingsverein, das Fürther Kleeblatt, steht auf einem Abstiegsplatz in der Zweiten Liga, und jetzt geht auch noch die WM ohne Italien über die Bühne. "Das tut weh", sagt der 39-Jährige, der seinem Bruder Christian als Gastronom im Café Terrazza hoch oben in der neuen Mitte zur Seite steht. Sebastiano Silvia wurde in Sizilien geboren, kam mit fünf nach Franken, wuchs in der Fürther Südstadt auf. "Jetzt muss Deutschland den Pokal nach Hause bringen", sagt er, das würde ihn ein wenig trösten. Im Sommer 2018 werden ihm aber nicht nur Fußball-Klassiker fehlen wie Italien-Deutschland oder Italien-Brasilien. Wenn 32 Nationen ohne die Squadra Azzurra um den Titel spielen, wird er noch etwas ganz anderes vermissen: "Die Sticheleien mit unseren deutschen Freunden", sagt Sebastiano Silvia – und grinst.

Keine Kommentare