Ganztags in der Schule: Woher nimmt man die Erzieher?

20.11.2019, 06:00 Uhr
Ganztags in der Schule: Woher nimmt man die Erzieher?

© Foto: Patrick Pleul/dpa

Beim letzten Mal ging es um die ganz Kleinen: Mit Hochdruck wurden überall Krippen gebaut, schließlich hatte die Bundesregierung Eltern versprochen, dass sie ab 2013 Anspruch auf einen Kita-Platz für unter Dreijährige haben sollten.

Schon damals wurde es zunehmend schwieriger, genügend Erzieherinnen zu finden - der Markt galt bald als abgegrast. Und noch während die Diskussion darüber begann, dass man nach der Quantität doch unbedingt die Qualität der Betreuung in den Krippen in den Fokus nehmen müsste – es also vielleicht mehr Personal bräuchte –, wuchs auch in anderen Bereichen der Bedarf nach den Fachkräften.

2015 mussten Einrichtungen für minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge entstehen. Und heute müht sich Fürth wie andere Großstädte in Zuzugsregionen, dringend benötigte Kindergartenplätze zu schaffen. Das Betreuungsangebot für Schüler wird ebenfalls seit Jahren ausgebaut. Die Suche nach Erziehern ist für die Rathäuser in Fürth, Erlangen und Nürnberg Daueraufgabe geworden.

"Gerade so" gelinge es, alle Stellen zu besetzen, sagt Hermann Schnitzer, Leiter des Fürther Jugendamts, auf Nachfrage. Dahinter stecke viel Mühe und ein engagierter Mitarbeiter, der die Akquise verstärkt hat. Schwerer noch täten sich kleine freie Träger, die weniger flexible Arbeitszeiten und weniger Karrierechancen anbieten können als die Kommunen.

Er beobachte deshalb "mit offenem Mund, was da gerade diskutiert wird", sagt Schnitzer. Wieder will der Bund einen Rechtsanspruch einführen, wieder drückt er aufs Tempo. Diesmal geht es um Grundschüler: Ab 2025 soll es allen Eltern möglich sein, ihr Kind bis zum Nachmittag in der Schule oder im Hort zu lassen.

"Woher die Erzieherinnen bis dahin kommen sollen, das weiß keiner", sagt Schnitzer. Auch Schulreferent Markus Braun, ein erklärter Fan der Ganztagsschulen, sieht die Pläne deshalb mit gemischten Gefühlen. Die Zeit sei knapp, sagt er, es sei fraglich, ob 2025 ausreichend Personal zur Verfügung steht. Braun geht davon aus, dass bei einem Rechtsanspruch rund 90 Prozent der Eltern auf die Betreuung zurückgreifen würden. Bisher werden bereits mehr als 60 Prozent der Grundschüler in den verschiedenen Ganztagsangeboten an der Schule oder in Horten betreut.

Verkürzte Ausbildung als Modellversuch

Braun zufolge wird bei den Team- und Gruppenleitungen der Ganztagsbetreuung qualifiziertes Personal eingesetzt, in der Regel Erzieher oder auch Sozialpädagogen. Sie sind schwer zu finden, bestätigt Gerda Grillenberger, Leiterin des Schulverwaltungsamts. Unterstützt werden die Leitungen von den Gruppenhelfern, die zumindest pädagogische Erfahrungen mitbringen sollten. Das können Menschen sein, die haupt- oder ehrenamtlich mit Kindern oder Jugendlichen gearbeitet haben, aber auch Mütter. Strategie der Stadt sei es, diese Helfer mit Fortbildungen nachzuqualifizieren, so Braun.

Aufmerksam hat er verfolgt, dass es unter anderem in München seit September die neue Ausbildung zur "Fachkraft für die Grundschulkindbetreuung" gibt. Sie ist kürzer als die zur Erzieherin. Den Modellversuch hat das Kultusministerium mit Blick auf den geplanten Rechtsanspruch gestartet. Braun hofft, dass ab nächstem Jahr auch die Fachakademie für Sozialpädagogik in Fürth die Ausbildung anbieten kann.

Besser die Krippen stärken?

Während die Wirtschaft sich über den geplanten Rechtsanspruch freut, weil Mütter so leichter berufstätig sein und den Fachkräftemangel in vielen Branchen lindern könnten, beunruhigt es Fürths Jugendamtsleiter, dass der Bund erneut der Quantität den Vorrang vor der Qualität gibt. Vernünftig wäre es in seinen Augen gewesen, den Rechtsanspruch auf die Ganztagsbetreuung 2030 einzuführen – und vorher die Krippen weiter zu verbessern, etwa mit einem anderen Personalschlüssel. Die ersten Lebensjahre seien so entscheidend, gute Bindungen so wichtig.

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