Masern: Oberasbacher Kita soll ungeimpfte Kinder ablehnen können

3.4.2019, 12:14 Uhr
Masern: Oberasbacher Kita soll ungeimpfte Kinder ablehnen können

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Der Leiterin der privaten Kita in Essen geht es um den Schutz von sehr kleinen Kindern, manche ihrer Schützlinge sind erst vier Monate alt, wie sie Medien gegenüber sagte. Ersparen möchte sie eine Masernerkrankung aber auch ihren Mitarbeitern, den Eltern – besonders schwangeren Müttern – und den Geschwisterkindern. Die Entscheidung, nur noch Mädchen und Jungen aufzunehmen, die gegen Masern und einige andere Krankheiten geimpft sind, wird von den Kita-Eltern mitgetragen.

Der Fall sorgte bundesweit für Aufsehen: weil hier die Impfpflicht de facto schon eingeführt wurde, über die im ganzen Land noch leidenschaftlich diskutiert wird. Zuletzt sprachen sich auch Familienministerin Franziska Giffey und der Präsident der Bundesärztekammer Frank Ulrich Montgomery für eine solche Pflicht aus. Im Gesundheitsministerium wird bereits darüber nachgedacht, die Impfung von Kindern zu verlangen, die Kitas und Schulen besuchen.

In Oberasbach geht man nun schon einmal einen Schritt in diese Richtung. Die Stadtverwaltung hat die Satzung für Kindertagesstätten jüngst überarbeitet und diese Gelegenheit genutzt, auch einen Passus zum Thema Masern aufzunehmen. Demnach soll dem städtischen Hort die Möglichkeit gegeben werden, die Aufnahme von Kindern abzulehnen, die (ohne medizinische Gründe) nicht gegen Masern geimpft sind.

"Im öffentlichen Interesse"

Dies sei im öffentlichen Interesse, heißt es, da eine fehlende Impfung "eine Gefährdung der eigenen und der Gesundheit Dritter darstellt". Im Hortbereich, wo Eltern noch keinen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für den Nachwuchs haben, scheint der Stadtverwaltung eine solche Vorgabe leichter umsetzbar als in der Krippe. Der Stadtrat hat die Änderung der Satzung jüngst beschlossen.

Im Fürther Jugendamt hingegen können sich die Verantwortlichen dergleichen vorerst nicht vorstellen. Solange der Gesetzgeber keine Impfpflicht eingeführt hat, halten sie eine Regelung wie in Oberasbach für rechtlich angreifbar, sagen Luise Peschke, stellvertretende Amtsleiterin, und Tobias Thiem, verantwortlich für den Bereich Kindertagesstätten, auf FN-Nachfrage. Spontan erscheint sie ihnen wie eine "Einführung der Impfpflicht durch die Hintertür".


Leserforum: Brauchen wir eine Impfpflicht?


Die Vorgaben, die die Kommunen im Oktober 2018 vom Freistaat (konkret: vom Familien- und Gesundheitsministerium) bekommen haben, stünden dem klar entgegen, schildern Peschke und Thiem. Demnach dürfen Kitas noch nicht mal einen Nachweis darüber, dass Familien eine Impfberatung bekommen haben, zur Voraussetzung für die Aufnahme machen. Der Freistaat habe Horte davon nicht ausgenommen.

Bisher ist es in Fürth folgendermaßen geregelt: Zur Anmeldung bringen Eltern meist das Kinderuntersuchungsheft mit; ein Stempel des Arztes signalisiert, dass sie über Impfungen aufgeklärt wurden. Können Familien keinen Nachweis dafür vorlegen, wird das Gesundheitsamt informiert. Dieses geht dann auf sie zu, um sie zu beraten.

Dass Masern gefährlich sind, steht auch für Peschke und Thiem außer Frage. Sie appellieren deshalb an Eltern, ihre Söhne und Töchter impfen zu lassen. Die Kinder der Impfgegner, gibt Peschke zu bedenken, profitieren davon, dass "zum Glück" die meisten Mädchen und Jungen geschützt seien.

Eingriff ins Sorgerecht

Vorgaben für die Kitas aber empfänden beide, Peschke und Thiem, bei der aktuellen Rechtslage als Eingriff ins Sorgerecht der Eltern und als schwer vereinbar mit zwei Grundsätzen, die in Bayern gelten: Die Kindertagesstätten sollen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sorgen, und ihre Beziehung zu den Eltern solle partnerschaftlich sein.

Die persönliche Entscheidungsfreiheit der Eltern betrachten auch Professor Dr. Jens Klinge, Chefarzt der Kinderklinik am Fürther Klinikum, und Dr. Werner Hähnlein, Leiter des Fürther Gesundheitsamts, als ein hohes Gut. Die Grundsatzfrage, ob es eine Impfpflicht geben sollte, sei deshalb selbst für ihn als Mediziner nicht leicht zu beantworten, sagt Hähnlein. Auf der einen Seite stehe das Sorgerecht der Eltern – auf der anderen die Nachteile für Dritte, wenn nicht mehr ausreichend viele Kinder gegen Masern geimpft wären.

"Die Hürden müssen sehr hoch sein"

Die Impfung sei definitiv sinnvoll – die Hürden aber, um eine solche Präventionsmaßnahme tatsächlich zum Zwang zu machen, müssen sehr hoch sein, sagt Hähnlein. Er selbst plädiert dafür, dass man "überzeugt und informiert".

"Absolut wichtig und sinnvoll" ist die Masernimpfung auch nach Klinges Ansicht, da die Erkrankung schwerwiegende Komplikationen haben kann. In sehr seltenen Fällen kommt es gar zur Folgeerkrankung SSPE, die immer tödlich verläuft.

Die Impfpflicht kollidiere allerdings mit der persönlichen Freiheit der Eltern – die Frage sei: Wo hört diese Freiheit auf? Heute gebe es immer mehr Menschen, deren Immunsystem medikamentös geschwächt ist, gibt Klinge zu bedenken, etwa Leukämie-Patienten. Auch um ihren Schutz gehe es. Die Antwort auf die Frage, ob es eine Impfpflicht braucht, sei also nicht einfach – die aktuelle Diskussion aber "sinnvoll und notwendig".

Das Jugendamt empfiehlt Eltern die Seite www.impfen.bayern.de

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