Protestaktion in Fürth 

Nach der Jahrhundertflut: Aufruhr an der Farrnbach

23.7.2021, 11:00 Uhr
Nach der Jahrhundertflut: Aufruhr an der Farrnbach

© Foto: Birgit Heidingsfelder

„Stopp! Unsere Anwesen gehen kaputt“: Mit Slogans wie diesem haben am Mittwochabend rund 70 Farrnbach-Anrainer gegen Pläne der Stadt zur Entwässerung des Hafengebiets protestiert. Sie befürchten, dass nach Starkregenfällen wie zuletzt in weiten Teilen Deutschlands auch ihre Orte künftig "baden gehen" könnten. Die Stadtspitze zeigt sich gesprächsbereit.

Fast zur selben Zeit warnte Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer im TV bei Markus Lanz vor mehr Starkregenereignissen und forderte, die Politik müsse endlich handeln – bevor Menschen und das, was sie in Jahrzehnten und Jahrhunderten geschaffen haben, einfach weggespült werden. Die Forscherin Claudia Pahl-Wostl mahnte bei Lanz ebenfalls, Deutschland brauche einen Paradigmenwechsel im Umgang mit Starkregen und Hochwasser. Niederschläge müsse man nach dem Schwammstadt-Prinzip an Ort und Stelle speichern.

Regen "nicht mehr nur in den Bach" ableiten

So sehen das in Stadt und Landkreis Fürth auch Grüne, Naturschützer – und jene Farrnbach-Anwohner, die sich am Mittwoch mit Pumpen, Schwimmreifen, Gummistiefeln und anderen symbolischen Accessoires am Unterfarrnbacher Kirchweihplatz eingefunden haben. Sie wollen, dass Entwässerung "neu gedacht" wird, dass Regen "nicht mehr nur in den Bach abgeleitet" wird, dass die Stadt neue Baugebiete nur zulässt, wenn Niederschläge etwa in eigens geschaffenen Sickerflächen dort gehalten werden.

Sie finden, es muss Schluss sein mit Flächenversiegelungen in Burgfarrnbach, Unterfarrnbach, Seukendorf, Cadolzburg – überall dort eben, wo Regenfälle die Farrnbach anschwellen lassen. "Uns holt das irgendwann ein", sagt Michael Jordan, der "laienhaft ausgerechnet" hat, dass künftig womöglich mehr als 130 Millionen Liter Wasser pro Stunde an seinem Haus vorbei stürzen könnten.

"Es reicht, wir müssen umdenken. Wenn diese ganzen Liter hierher kommen, wird Unterfarrnbach baden gehen", empört sich Andrea Wein. Und Margret Rotter gibt mit Blick auf die Jahrhundertfluten in West- und Süddeutschland zu bedenken: "Alle sagen das Gleiche: ,Wir hätten nie gedacht, dass so was passiert.’" Ihr Appell: Auch Fürth dürfe "nicht einfach so weitermachen".

Was die Leute aufbringt: Die Stadt prüft, ob Niederschläge und Schmutzwasser aus dem Bereich Hintere Straße, dem Hafengelände am Main-Donau-Kanal (Golfpark bis Hintere Straße) und dem geplanten Gewerbegebiet Rezatstraße jenseits des Kanals – zusammen 87 Hektar – künftig über den Rosenstockweg in die Farrnbach eingeleitet werden können. Es gäbe dann 33 Einleitungsstellen in Fürth plus weitere im Landkreis, wo die Farrnbach bei Wilhermsdorf-Kreben entspringt.

In dem wasserrechtlichen Verfahren ist das Umweltamt Genehmigungsbehörde. Stellvertretender Leiter Markus Schmid, der mit Bürgermeister Markus Braun und einigen Stadträten zum Kirchweihplatz gekommen ist, stellt klar: Prinzipiell müsse jeder Bauherr nachweisen, dass er bestimmte Mengen an Niederschlägen wirklich nicht versickern lassen kann. Das Gewerbegebiet Rezatstraße wird, so Schmid außerdem, nach einer geplanten Änderung des Bebauungsplans voraussichtlich nur sieben Hektar groß, nicht 21. Die Entwässerungsprüfung basiere also auf einem "Worst-Case-Szenario". Das Gutachten des Wasserwirtschaftsamts stehe zwar noch aus, doch deute manches darauf hin, dass man der Farrnbach nach dem Gesetz zusätzliche Lasten zumuten darf.

Die Anwohner monieren aber, dass als Berechnungsgrundlage nur fünfjährliche Niederschlagsereignisse herangezogen werden, heftigere Regengüsse, wie sie statistisch alle fünf Jahre vorkommen, aber nicht vergleichbar mit Starkregen. Sie finden das in Zeiten des Klimawandels unrealistisch und fordern den Abbruch des ganzen Verfahrens.

Herbert Ottinger, der auch am Bach wohnt, lenkt ein: "Es ist ja noch nichts zu spät." Hier werde Neues geplant, nur leider auf einem alten Stand. Eine Unterschriftenliste wird herumgereicht. Im Text heißt es, die Farrnbach stoße schon jetzt immer wieder an ihre Grenzen. Die zusätzlichen Einleitungen stellten "eine wissentliche und vorsätzliche Gefährdung von privatem Eigentum" dar. Und: Politische Hilfe vor einer Katastrophe sei sinnvoller als nachher.

Flut-Katastrophen zwingen zum Nachdenken

Bürgermeister Braun versichert den Anwohnern, im Rathaus nehme man ihre Sorgen ernst. Und ja, auch wenn Fürth zuletzt Glück gehabt habe: Die jüngsten Katastrophen "zwingen uns alle, neu nachzudenken". Er bietet ein Gespräch mit OB Thomas Jung Mitte August an, die Anwesenden nehmen an.

Die Farrnbach, die am Kirchweihplatz vorbeifließt, mutet harmlos an. Doch sie beschäftigt Anwohner und Behörden seit Jahren. Noch keine Lösung gibt es für den Hochwasserschutz, der statistisch einmal in hundert Jahren gebraucht wird. Eine knapp 200 Meter lange Mauer war zuletzt ebenso im Gespräch wie ein Deich oder eine Erweiterung des Gewässerbetts mit Rückhaltebecken.

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