Ominöse Cadolzburger Flaschenpost

25.6.2020, 16:45 Uhr
Ominöse Cadolzburger Flaschenpost

© Foto: Veronika Kügle

Ringsum Bauschutt und Erde, fast hüfthoch liegt das Geröll im sogenannten "Kühlen Grund" im Halsgraben der Cadolzburg. Christian Döring und Friedrich Knoll durchsuchen gründlich den aufgewühlten Boden, den eine Baggerschaufel vor sich herschiebt. Ein lautes Klirren lässt die beiden Männer innehalten: Direkt vor ihren Füßen zerspringt das Glas einer Flasche.

Der Inhalt stammt zwar nicht aus einem fernen Land, aber aus einer längst vergangenen Zeit. Es handelt sich um eine Urkunde zur Grundsteinlegung für ein Geflügelhaus aus dem Jahr 1941. Knapp zwölf Jahre ist das nun her, dass Knoll den Inhalt dieser Flasche zum ersten Mal zu Gesicht bekam. Das Fundstück übergaben die Gärtner damals direkt an das Landesamt für Denkmalpflege.

Erst seit 2013 ist es wieder auf der Cadolzburg und gab schließlich den Impuls für ein einmaliges Projekt. Zusammen mit Schülern der Mittelschule in Cadolzburg, einem Historiker und dem Bayerischen Rundfunk erarbeitete das Museum eine Sonderausstellung unter dem Namen "Flaschenpost aus der Vergangenheit".

Wobei, Flaschenpost ist eigentlich nicht ganz korrekt. Der Glasbehälter wurde schließlich nicht ins Wasser geworfen, sondern diente als eine Art "Zeitkapsel", wie sie heute häufig bei Grundsteinlegungen zum Einsatz kommen. Die Schrift aus dem Halsgraben ist ein Zeugnis aus der Nazi-Diktatur. Ab 1933 wurden die historischen Gemäuer der Burg als Gebietsführerschule der Hitlerjugend zweckentfremdet. Zuvor war die Cadolzburg ein Heim der evangelischen Kirche gewesen.

Massiver Druck

Wie konnte es so weit kommen? Das war eine der zentralen Fragen, die sich der Cadolzburger Historiker Hans-Werner Kress stellte, als er sich dem Flaschenpost-Projekt anschloss und Dokumente aus der damaligen Zeit durchforstete. Auf massiven Druck des NS-Regimes musste das Heim damals samt Inneneinrichtung weichen.

Die Nationalsozialisten beschlagnahmten freilich den Lebensmittelvorrat und die Postkarten. Anhand der Karten ist gut zu erkennen, wie jegliche Hinweise auf das evangelische Heim vernichtet und die Abbildungen systemkonform verfälscht wurden.

Wie ausgeklügelt die Nationalsozialisten Heranwachsende manipulieren konnten, haben Friedrich Pohl und Johann W. Lober am eigenen Leib erfahren müssen. Sie waren durch die Berichterstattung auf das Flaschenpost-Projekt aufmerksam geworden. Museumsleiterin Uta Piereth spricht von einer "glücklichen Fügung", dass die beiden sich meldeten.

Als Zeitzeugen erzählten die zwei Männer den Achtklässlern von ihren Erfahrungen bei der Hitler-Jugend. Das Gespräch zwischen den beiden Generationen nahm das BR-Studio Franken auf, die Aufzeichnungen sind nun Bestandteil der Ausstellung in der Burg.

"Es war bemerkenswert, wie offen sie über ihre Vergangenheit gesprochen haben", sagt Jacqueline Schurr, eine der 17 Schülerinnen und Schüler, die sich freiwillig für das Projekt gemeldet haben. Besonders aufgefallen sind den Jugendlichen die Lieder, die den Zeitzeugen im Gedächtnis geblieben sind. Für Jacqueline war die Beschäftigung mit der Vergangenheit eine tolle Erfahrung: "Ich fand es spannend, Menschen aus der Zeit damals kennenzulernen und zu erfahren: Wie sehen sie die Welt jetzt?"

InfoZu sehen ist die "Flaschenpost aus der Vergangenheit" noch bis Jahresende, die Sonderausstellung ist im Eintritt der Cadolzburg inbegriffen.

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