Spur der Kettensäge

18.6.2015, 18:51 Uhr
Spur der Kettensäge

© Foto: Berny Meyer

Die Losung für seine Ausstellung in der Foerstermühle-Galerie sei ihm sehr bald in den Sinn gekommen, sagt Harald Kienle. Im Garten am Ufer der Rednitz, die sich breit macht vor dem nahen Wehr, drängt sich Heraklits Formel „Alles fließt“ beinahe auf und ist doch viel mehr als bloß naheliegend.

Kienles Werkstoff ist Holz. Mannshohen Stämmen rückt der 52-Jährige mit der Kettensäge zu Leibe, nachdem er sie mit Bagger und Flaschenzügen an seinen Arbeitsplatz gehievt hat. Eine Vorgehensweise, die erst einmal martialisch klingt, in Wahrheit aber aufs Feinfühligste hervorbringt, was bis dahin verborgen war. Das sind natürlich zum einen die Spuren eines langen Baumlebens, vor allem aber bringt Kienles Kunst unverhoffte Bewegung ins statisch anmutende Material.

Einer Welle ähnlich rollt seine größte Arbeit durch den Garten: Aus einem Japanischen Schnurbaum – der einst in Fürth stand – hat er gleichsam Schicht um Schicht herausbefördert. Hintereinander aufgestellt lassen die Stücke jetzt erkennen, dass sie wie ein Puzzle einander passen würden, käme jemand auf die Idee, alles wieder zusammenzufügen. Doch inzwischen mischt auch der Raum zwischen den Teilen mit und bringt Spannung und Weite in die Anordnung.

Wege von Würmern

Die Zeichen der Kettensäge bleiben deutlich erkennbar, sind Arbeitskerben, Markierung und fast schon Schmuck. Kienle glättet nichts, lässt auch zu, dass der Holz-Geschichte nachgespürt werden kann. Eine Skulptur, die jetzt in unmittelbarer Nähe zur Rednitz steht, entstand aus einem Eichenstamm. Einen unerwarteten harmonischen Schwung hat der Künstler, der aus Sindelfingen stammt und in Nürnberg lebt, darin freigelegt und zugleich Verletzungen offenbart. Die Wege von Würmern und Fäulnis sind nun nicht länger verborgen. Die mächtige Eiche ist fragil geworden.

Nicht vorbereitet und exakt geplant sei seine Herangehensweise an eine solche Arbeit, erklärt Kienle. Während der Auseinandersetzung mit dem Holz tauchen Fragen auf und die heißen zum Beispiel: „Lass’ ich das stehen? Soll ich das wegmachen? Drücke ich eine Form auf oder begleite ich den Prozess, der da ist?“ Für den Mann, der Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg bei Wilhelm Uhlig und Tim Scott studierte, fühlt sich sein Mut, Organisches wahrnehmbar in seine Skulpturen einzubeziehen, manchmal noch wie „ein Wagnis“ an.

Ein Spannungsfeld, das den Betrachter einbezieht und den Arbeiten zusätzlichen Reiz verleiht. Überhaupt würde Harald Kienle gerne Erfahrungen teilen, die ihn im Atelier bewegen: „Dieser Moment, wenn ich mit dem Flaschenzug so ein großes Stück aus einem Stamm ziehe, nachdem ich immer wieder von vorne und hinten mit der Kettensäge ins Holz hineingestochen habe, um das Teil zu trennen – wenn das glückt und der Fall gelöst ist, das ist ein unglaubliches Erlebnis.“

„Kracks, das war’s“

Die Gefahr des Scheiterns begleitet ihn, wenn er mit der Akku-Kettensäge unglaublich filigrane, dicht beieinander liegende Bögen arbeitet: „Da bist du fast am Ende und denkst, das hier muss jetzt auch noch klappen. Und dann: Kracks, das war’s.“ Die, die später bewundern, was ihm gelungen ist, werden zwangsläufig wieder um diesen Nervenkitzel gebracht: „Wenn man die fertige Arbeit anschaut, dann ist das ein bisschen so, als würde man vom ,Tatort‘ nur das Ende ansehen“, sagt der Bildhauer lachend.

Aber allein das ist schon unbedingt sehenswert. Nachzuprüfen in der Galerie in der Foerstermühle.

www.ra-foerster.de/galerie.htm

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