Spüre die Kraft!

6.3.2020, 17:35 Uhr
Spüre die Kraft!

Bergenien gehören zur Familie der Steinbrechgewächse. Pflanzenfreunde loben die Genügsamkeit der Staude, die als nahezu unverwüstlich gilt. Mit Blüten in allen Schattierungen von Rosa. Sabine Neubauer wurde von etwas ganz Anderem gefangen. Sie hob ein längst vertrocknetes Blatt auf und war fasziniert. "Ich habe die Farbe und die Kraft gespürt und wusste, ich möchte mit dieser Faser arbeiten."

Es war der Beginn eines langen Weges, den die Künstlerin mit großem Respekt beschritt. Nicht das Machen, sondern das Erkunden, das Geschehenlassen ist ihr Motiv. Ihre Art, sich mit den welken Bergenienblättern auseinanderzusetzen, ist leise und zurückhaltend. Sie beobachtet und erspürt, was geschieht, wenn neue Impulse wirken. Die eigentliche Arbeit, das Tun, überlässt sie im Grunde ihrem Material: den Fasern, die für sie "wie Chiffren" sind.

Im gefühlten Zentrum ihrer Ausstellung in den Räumen der Gesellschaft für Museum und Kunst Zirndorf (MUK) fängt jetzt eine Installation die Blicke ein, die als Ziel ihres Erforschens jener Blätter erscheint: Es sind Objekte, die fragil und kraftvoll zugleich wirken. Entstanden sind sie im traditionellen Verfahren der Papierherstellung. Geschöpft aus einer Masse, für die Neubauer die zerkrümelten Bergenienblätter zunächst in Wasser aufkochte.

Was sie entstehen ließ, mutet wie eine Transformation an. Wer schaut, spürt Eigenheiten in der Textur auf, geschuldet leicht veränderten Impulsen während des Herstellungsprozesses. Mit dem Schöpfen schuf Neubauer Blätter, die sie sorgsam faltete. Kreisförmig aneinandergereiht bilden mehrere dieser Blätter ein Objekt. Eine Technik, die an ein Buch ohne Anfang und Ende erinnert.

Unveränderlicher Begleiter durch sämtliche Auseinandersetzungen und Umformungen ist die Farbe, ein dunkles, samtiges Braun. Eine Schattierung, die zum Titel der Schau führt: "Erdengleich". Der Boden als Urgrund, auf dem wir leben und der hervorbringt, was Sabine Neubauer reizt: "Ich sehe Fasern als grundlegendes Element, das die organische Welt unseres Planeten bildet. Wenn wir Fasern berühren, rühren wir an unser Geheimnis."

Dass dem Titel "Erdengleich" auch etwas nahezu Schwereloses zu eigen sein kann, zeigt eine weitere Arbeit. Ein Wandrelief, geschöpft aus Spargelfasern, die sich mit über den Schöpfrahmen gewickelten Flachsgarn vereinen. Am Fenster der Galerie platziert, mischen Licht und Schatten spielerisch mit in dieser Anordnung. Neubauer hat mit diesem Objekt ein Statement zu ihrer Biografie gemacht. Geboren in Fürth, hat sie an der Hochschule in Zwickau Textilkunst studiert.

 

Salz auf feuchter Tusche

 

Für die seit zehn Jahren freischaffende Künstlerin im Bereich Papier und Textil stellt dieses Wandrelief eine Verbindung zwischen beiden Polen her. Entstanden aus einem Akt des Schöpfens, der das Thema Papier ins Spiel bringt, ist nichtsdestotrotz aus Flachsgarn und Spargelfaser eine Art von Gewebe entstanden, das Kette und Schuss erkennen lässt. Für Neubauer wird hier "das Verständnis für die Verbindung" zwischen Textil und Papier sichtbar gemacht.

Altes Papier, das aus einem Nachlass zur ihr kam, gibt mit zartem Gilb den Ton vor bei den kleinformatigen Zeichnungen. Wieder zollt die Schöpferin dem, was ist, ihren Tribut. Sie lässt Tusche, aufgetragen mit Holzwerkzeugen aus dem Garten, Spuren ziehen. Salz, gestreut auf die feuchte Tusche, setzt ungesteuert Akzente. "Wenn das, was ich zutage gefördert habe, unmittelbar auf mich und Andere wirkt, die Sicht auf die Welt verändert, dann hat das Werk eine Art von Tiefe erreicht, die ich in meiner Arbeit anstrebe."

"Erdengleich": Galerie Pinder Park, Im Pinderpark 5/EG. Donnerstags und freitags 15-18 Uhr. Am 14. und 28. März ist von 15 bis 18 Uhr in Anwesenheit der Künstlerin geöffnet. Bis 3. April.

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