Verwirrspiel um eine alte Platane

23.4.2014, 11:00 Uhr
Verwirrspiel um eine alte Platane

© Jean-Pierre Ziegler

„Da liegt er, der Johnny“, sagt Gisbert Kühne, als er die Reste des großen Baumes sieht. Es schwingt etwas Wehmut in seiner Stimme mit, schließlich handelt es sich um „seine“ Platane. Vor vielen Jahren hat der 71-Jährige sie selbst gespendet. Jetzt sind nur noch ein paar Äste, der Stumpf und ein Stück Stamm übrig.

An der Blütenstraße in Sack entsteht gerade ein großes Mehrfamilienhaus. Bevor die Stadt das Grundstück vor acht Jahren verkauft hat, befand sich hier eine Grünfläche. Engagierte Bürger aus der Ortschaft haben dafür eine Tischtennisplatte, einen Brunnen — und eben Bäume gespendet. Übrig blieben nach dem Verkauf nur die Bäume; den Rest musste die Gruppe wegschaffen.

Als Kühne vor sechs Wochen erfuhr, dass auf dem Gelände nun gebaut werden soll, rief er direkt beim städtischen Baureferent Joachim Krauße an. Er fürchtete um die etwa zwölf Meter hohe Platane. „Ihrem Baum passiert nichts“ habe Krauße ihm versprochen. Zwei Wochen später war der Schattenspender weg. Im Katalog würde der Baum zwischen 12000 und 17000 Euro kosten. Das hat Kühne bei einer Baumschule in Erfahrung gebracht. Hat Krauße sein Wort nicht gehalten? Der Baureferent sieht das anders: „Meines Wissens habe ich ihm nichts zugesichert.“ Nur, dass er sich darum kümmere, habe er versprochen.

Nach der Fällung rief Kühne nochmal bei Krauße an und erfuhr, dass diese vom Ordnungsamt genehmigt worden war. Der Grund: Die Baugrube war bereits zu weit in den Wurzelbereich des Baumes vorgedrungen. Das Gewächs hätte also nicht mehr gerettet werden können. Kühne war außer sich: „Ich habe mich fürchterlich geärgert, dass die Stadt mit einem Wisch über den Baum hinwegfegt.“

Als Ausgleich muss die für das Vorhaben verantwortliche Fäßler Vermögensverwaltung 13 Bäume auf dem Grundstück nachpflanzen oder 882 Euro für jeden Baum zahlen. „Wir hätten die Platane gerne erhalten“, sagt Monika Fäßler von der Firma. Das Grundstück sei groß und nicht ordentlich bewachsen — Fehler von ein bis zwei Metern beim Ausmessen können da nach ihrem Dafürhalten schnell passieren.

Ausgleichszahlungen drohen

Vielleicht hätte dieser jedoch vermieden werden können. Denn das Ordnungsamt hatte schon Mitte letzten Jahres Einwände. „Es war erkennbar, dass die Lage der Bäume in den Plänen nicht stimmt“, sagt Karin Sander von der ökologischen Bauaufsicht. Weil ihr Erhalt dadurch gefährdet war, forderte das Amt einen überarbeiteten Plan.

Die Stellungnahme ging vom Ordnungsamt an das Baureferat, das sie dem Architekten zukommen ließ. Doch der antwortete nicht — trotzdem genehmigte die Stadt im September 2013 das Vorhaben. „Wenn es keine Reaktion gibt, gehen wir davon aus, dass der Bauherr die Beanstandung berücksichtigt“, sagt Krauße. Warum er nicht weiter nachhakte und den überarbeiteten Plan anforderte? „Wenn wir jedes Mal nachbohren, gäbe es nur eine handvoll Genehmigungen im Jahr“, sagt er. Eigene Nachforschungen seien personell und zeitlich nicht machbar. Krauße appelliert zudem an die Bauherren, sich ihrer Verantwortung bewusst zu sein. Die sei wegen Gesetzesänderungen in den vergangenen Jahren gestiegen.

„Man hätte dem nachgehen müssen“, sagt dagegen Jürgen Tölk auf FN-Anfrage. Der stellvertretende Leiter des Ordnungamtes hält den Vorgang für naturschutzrechtlich unbefriedigend.

Kurios: Der Firma Fäßler zufolge ging nie ein Schreiben vom Ordnungsamt ein, das einen überarbeiteten Plan forderte. „Ich habe einen solchen Brief nicht bekommen“, beteuert auch Alexander Karnik, der Architekt des Neubaus.

Katrin Sander rechnet jedenfalls mit hohen Ausgleichszahlungen. Denn: „13 Bäume nachzupflanzen dürfte auf dem Gelände schwierig werden.“

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