Wie aus Autofensterscheiben Echsen werden

17.8.2017, 18:45 Uhr
Wie aus Autofensterscheiben Echsen werden

© Foto: Rempe

Eine mutwillig zerbrochene Autofensterscheibe ist ärgerlich, zumindest für 99,9 Prozent der Menschheit. Bei Sabine Weinhold löste der Anblick der Glasscherben vor ihrem demolierten Wagen allerdings etwas ganz anderes aus.

"Ich bin sehr ideenreich", sagt die 45-Jährige, "und auch ein positiver Mensch." Und deshalb hob sie die Bruchstücke des Vandalismus vor den Augen erstaunter Polizisten sorgfältig vom Boden auf: "Mir war sofort klar, dass ich damit irgendwann einmal arbeiten möchte."

Bis es jedoch so weit war, zogen die Scheiben-Überbleibsel sogar noch mehrmals mit ihrer Retterin um; dann kam der Zeitpunkt, an dem Weinhold endlich wusste, was daraus werden soll: Mosaikartige Schuppenpanzer für drei großformatige Echsen. In der aktuellen Kofferfabrik-Ausstellung fällt jetzt das Licht eines Sommernachmittags auf die irisierende Struktur, die Weinhold in minutiöser Feinarbeit zusammengefügt hat. "Mir gefällt die Idee, dass das Material eine Art von Recycling erfahren hat und es mir obendrein möglich war, aus einem unerfreulichen Vorfall letztlich etwas Schönes zu machen."

Vorfahrt für Biologie

Die drei Arbeiten sind absolut zutreffend mit "Echse I", "Echse II", "Echse III" betitelt. Sabine Weinhold sagt lachend: "Da bin ich vielleicht ein bisschen zu sehr Wissenschaftlerin. . ." Denn obwohl bereits zu Schulzeiten ihr Talent fürs Malen und Zeichnen auffiel, entschied sie sich dafür, an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen Biologie zu studieren. Es war für sie der richtige Weg. Auch, weil sie ihre Liebe zur Kreativität — mit Öl, Bleistift und Pastellkreide ist sie ernsthaft seit 1990 unterwegs — trotzdem nie vernachlässigte. Nach dem Diplom, das sie im Jahr 1997 machte, war sie zunächst im Klinikaußendienst tätig, heute arbeitet die Nürnbergerin in der Pharma-Marktforschung. Daneben malt und zeichnet sie nebenberuflich.

Weiter Radius

Aber was heißt schon nebenberuflich: "Frühmorgens kommen mir meist die Ideen, abends setze ich das dann um." In die Kofferfabrik hat sie nun großformatige Arbeiten mitgebracht, die in leuchtenden Acrylfarben gestaltet sind. Beinahe fotorealistisch wirkt etwa die geäderte Unterseite eines Blattes, die, wenn auch um ein Vielfaches vergrößert, direkt von irgendeinem Baum zu stammen scheint. Zu ihren bevorzugten Sujets zählen aber auch Zeichnungen und Porträts. Ihr Radius in ihrem künstlerischen Schaffen ist weit und reicht von Kindern, jungen Mädchen oder Paaren bis hin zu zarten Bienen-Bildern oder ausdrucksstarken Pferde-Profilen: "Immer absolut detailgetreu."

Eine besondere Idee hatte Sabine Weinhold auch, als sie sich Gedanken darüber machte, wie ihre Werke zum passenden Rahmen – oder besser gesagt: Raum – kommen können. Dabei herausgekommen ist "Rent-an-Artwork". Sie vermietet ihre Bilder nach Wahl und Wunsch zum Beispiel an Ärzte, Anwälte, Firmen, aber auch an Privatleute, die ihre Praxen beziehungsweise Geschäftsräume oder Wohnungen mit individuellem Charme gestalten wollen. Der Vorteil dabei ist nicht zuletzt, dass Büros, Rezeptionen oder Besprechungszimmer bei einem planmäßigen Wechsel der Arbeiten immer wieder frische Impulse bekommen. Ein Konzept, das bereits mehrere renommierte Unternehmen im Großraum auf den Pfad der Kunst führte.

In der Kofferfabrik — wo der Sommerbetrieb zwar mit übersichtlichem Programm, aber ohne Pause weiter geht — werden ihre Bilder jetzt noch bis Ende August gezeigt. Sabine Weinhold indessen setzt sich längst wieder mit neuen kreativen Impulsen auseinander. Wie das genau funktioniert? "Ich gehe mit offenen Augen durch die Welt, dann kommt vieles einfach auf mich zu."

Z"Stückwerke": Siehe "Fürther Kunststücke" auf dieser Seite.

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