Bestürzt und enttäuscht: Das sagen die entlassenen PMG-Mitarbeiter

5.12.2020, 08:19 Uhr
Ein Teil der Belegschaft wurde am Mittwoch sofort nach Hause geschickt, der Rest soll die übrigen Aufträge abarbeiten.

© Foto: Fredrik von Erichsen/dpa Ein Teil der Belegschaft wurde am Mittwoch sofort nach Hause geschickt, der Rest soll die übrigen Aufträge abarbeiten.

Wirklich überrascht von den schlechten Nachrichten kurz vor Weihnachten ist zumindest Markus Huber nicht (alle Namen geändert). "Das war ein Sterben auf Raten". Seit 20 Jahren arbeitet der Gunzenhäuser für die Firma, die Aluminium-Druckgusskomponenten für die Automobilindustrie herstellt, und hat dabei so einiges mitgemacht.

"Da kann einen nicht so schnell etwas schocken, das ist wie bei einem Club-Fan. Man wird leidensfähig", meint er. Trotzdem hätten er und seine Kollegen gehofft, dass sich noch rechtzeitig ein Investor findet und die Lichter in der Alemannenstraße nicht ausgehen. Wie schlecht es um ihren Betrieb steht, hatte die Belegschaft vor ziemlich genau einem Jahr erfahren, als PMG das Insolvenzverfahren startete. Auf der Betriebsversammlung diese Woche wurde dann die Hiobsbotschaft verkündet: "Vorher gab es nur den Flurfunk."

Nicht zum ersten Mal in Schieflage

Es ist nicht das erste Mal, dass das Unternehmen in Schieflage geraten ist, erinnert sich Huber. Schon vor etwa zehn Jahren wurde ein Investor an Bord geholt und ein Sanierungstarifvertrag eingeführt. Für die Mitarbeiter bedeutete das unter anderem, jede Woche 3,5 Stunden "für den Betrieb", das heißt ohne Entgelt, zu arbeiten. Auch Urlaubs- und Weihnachtsgeld wurden reduziert, alles mit dem Ziel, PMG zu erhalten.


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"Das haben wir alles mitgemacht, waren immer an vorderster Front – und jetzt das!" Die Enttäuschung und der Schock sind Stefan Schmidt deutlich anzumerken. 33 Jahre, quasi sein ganzes Arbeitsleben, ist er bei PMG, hatte stets sämtliche Maßnahmen zur Sanierung der Firma mitgetragen. "Wir haben so viel umsonst gearbeitet. Jetzt haben wir zum zweiten Mal voll eins auf die Nase bekommen – und wieder vor Weihnachten", sagt er mit belegter Stimme. Er wurde, wie rund 130 andere Beschäftigte, mit sofortiger Wirkung freigestellt. Nun bleibt dem Familienvater nur der Gang zum Arbeitsamt.

Markus Huber arbeitet vorerst weiter, noch gibt es Aufträge, die erfüllt werden müssen. "Und vielleicht kommt ja doch noch ein Investor um die Ecke", hofft der 40-Jährige, auch mit Blick auf seine Kollegen: "An denen hängt man mehr als an PMG."

Richtig hart getroffen

Er weiß, dass es etliche von ihnen richtig hart trifft. Da sind Leute Ende 50 dabei, die Angst haben, für den Arbeitsmarkt nicht mehr attraktiv zu sein. Wie es für ihn beruflich weitergeht, weiß er noch nicht. Eine Zeitlang kämen er und seine Familie auch mit dem Arbeitslosengeld zurecht, er ist zuversichtlich, zügig eine neue Anstellung zu finden.

Seit rund fünf Jahren arbeitet Tobias Haller bei PMG. Mittwochnachmittag hätte er eigentlich Spätschicht gehabt, doch als er ankam, teilte ihm sein Abteilungsleiter mit, er müsse wieder gehen – freigestellt. Zwar hatten den jungen Mann seine Kollegen schon vorgewarnt, dennoch war es ein Schock für ihn. "Ich wollte nie in die Arbeitslosigkeit abrutschen", sagt er niedergeschlagen. Sein Abteilungsleiter habe alles versucht, doch die Entscheidung träfen andere. Und Haller bemängelt, dass diese keine Ahnung von den Kompetenzen der Mitarbeiter hätten.


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"Von jetzt auf gleich gehen zu müssen, ist hart. Ich konnte mich nicht mal richtig von meinen Kollegen verabschieden. Das lässt einen nicht kalt", so Haller weiter. Es seien Freundschaften entstanden, man habe immer zusammengehalten. Die Kündigung hat Haller rückwirkend zum 1. Dezember erhalten: "Zwei Tage habe ich also umsonst gearbeitet." Für ihn steckt da Taktik dahinter. Nun sitzt er zuhause und schaut sich bereits nach Jobs um. Doch er glaubt, dass sich vor Weihnachten nichts mehr ergeben wird.

Vor Schichtbeginn noch optimistisch

Vor seinem Schichtbeginn klang Haller noch optimistischer. Im ersten Gespräch mit dem Altmühl-Boten erwähnte er, dass er aufgrund seines jungen Alters noch viele Chancen hat: "Ich kann auf die Schule gehen, meinen Meister machen und abwarten, bis es wieder besser ist." An einen frühzeitigen Jobwechsel hatte er nicht gedacht, weil er stets die Hoffnung hatte, seinen Arbeitsplatz behalten zu können. Immerhin hieß es bis vor anderthalb Wochen, es sei noch ein Käufer da. Wie ernst die Lage ist, zeigte sich für die Mitarbeiter erst sehr kurzfristig, als die Nachricht kam, dass dieser abgesprungen ist.

"Es ging alles zu schnell", sagt auch Jochen Günther. "Das war ein furchtbar schrecklicher Tag. Ich kann es gar nicht beschreiben", sagt er über den vergangenen Mittwoch. Er habe ein paar Leute unter sich, denen er die Nachricht persönlich überbracht hat: "Das habe ich ihnen freiwillig gesagt. Ich wollte niemanden gehen und den Brief zuhause vorfinden lassen."

"Es war grausam"

Günther hatte damit gerechnet, dass die Kündigungen erst einen Tag später ankommen. Bis die Anrufe der Mitarbeiter aus der Nachtschicht kamen, die bereits zu Hause waren, als die ersten Briefe eintrafen: "Es war grausam. Ich musste den Leuten die Schlüssel abnehmen und zusehen, wie sie ihre Spinde leeren. Manche Abteilungsleiter saßen in ihren Büros und haben geweint, weil sie es nicht mehr gepackt haben." PMG sei kein anonymer Betrieb, sondern eher wie eine Familie. Die Hoffnung hätten sie dennoch nicht aufgegeben. "Keiner kommt mit dem Gedanken rein, wir fertigen jetzt aus. Die Leute stehen an den Maschinen und arbeiten", sagt er anerkennend.


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Eine, die bis Ende März weiterarbeiten soll, ist Anette Specht. Das bedeutet also, sie muss zusehen, wie es nach und nach ruhiger wird: "Es war heute morgen schon komisch, als der halbe Parkplatz leer war. Normalerweise bekommt man fast keinen." Specht arbeitet quasi schon ihr Leben lang bei PMG, seit der Ausbildung. Ihre langjährigen Kollegen zu verabschieden war hart. Viele seien mit der Situation überfordert, wüssten nicht, was sie jetzt tun müssen, wie sie sich arbeitslos melden. "Da werden manche in ein Loch fallen. Einer hat gesagt, die müssen mich raustragen, ich bleib einfach sitzen", erzählt Specht, die sich auch fragt, wo die vielen Leute jetzt unterkommen sollen.

Sie weiß, dass viele Schicksale an der Werkschließung hängen. Schon allein, weil einige Paare bei PMG arbeiten und auch junge Leute, die erst gebaut haben und einen Kredit abzahlen müssen. Für sich selbst habe Specht das alles noch nicht realisiert. "Man schiebt das von sich weg", sagt sie. Die Feiertage werden schlimm werden. Dennoch will sie die Zeit zum Bewerbung schreiben nutzen. Es bleibe ihr ja nichts anderes übrig – auch wenn sie ebenfalls noch ein klein wenig hofft.

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