Handwerk leidet unter Imageproblem

27.8.2015, 08:00 Uhr
Azubi Maximilian Stimpfle (18) ist momentan bei der Bäckerei Kleeberger im zweiten Lehrjahr. Damit ist er einer von wenigen Auszubildenden, die noch Bäcker werden wollen.

© Alexander Pfaehler Azubi Maximilian Stimpfle (18) ist momentan bei der Bäckerei Kleeberger im zweiten Lehrjahr. Damit ist er einer von wenigen Auszubildenden, die noch Bäcker werden wollen.

GUNZENHAUSEN – Junge Leute sitzen lieber im Büro, als Brot zu backen oder Häuser zu bauen. Das legt zumindest die Ausbildungssituation im Landkreis nahe – es gibt generell immer weniger Bewerber auf freie Lehrlingsstellen. Doch das Handwerk ist besonders betroffen.

Eigentlich hätte Robert Prosiegel zwei Ausbildungsplätze in seiner Metzgerei in Markt Berolzheim anzubieten, einen im Verkauf, einen in der Wurstküche, nur: Gemeldet hat sich bisher noch niemand. Und das ist auch keine neue Entwicklung, sondern so gehe das in der Branche schon seit ein paar Jahren, sagt Prosiegel.

Gerhard Durst vom Jobcenter Weißenburg-Gunzenhausen kann das nur bestätigen: „Für Metzger war es schon immer schwer, doch in der momentanen Situation ist es noch schwieriger“, sagt er. Die „momentane Situation“ sieht so aus: Im Juli 2015 gab es im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen insgesamt 5,9 Prozent weniger Bewerber auf freie Azubi-Stellen als noch im Vorjahr. Mitte Juli waren im Landkreis noch 196 Bewerber ohne Stelle, 15,5 Prozent weniger als 2015. Zum einen liegt der Trend am demografischen Wandel, aber nicht nur: „Die Bewerberzahlen sind auch deshalb rückgängig, weil der Trend zu weiterführenden Schulen zugenommen hat“, sagt Durst.

Robert Prosiegel gibt allerdings auch seiner eigenen Zunft eine Mitschuld an den geringen Bewerberzahlen: Im Metzgerwesen habe sich in den letzten Jahren kaum etwas Grund­legendes verändert. „Wir unterscheiden uns nicht mehr groß von den Supermärkten“, sagt Prosiegel mit Blick auf Metzger, die ihr Fleisch ausschließlich aus der Massentierhaltung beziehen. „Die Branche ist erstarrt vor Schreck.“ Prosiegel versucht dagegen, verstärkt auf Bio-Fleisch zu setzen. Aber auch Innovationen gebe es im Metzgerwesen kaum noch. Das alles zusammengenommen ergebe ein „Imageproblem“ für den Beruf, glaubt Prosiegel, der allerdings auch nicht zu pessimistisch werden will: „Bis jetzt habe ich immer die Leute bekommen, die ich wollte.“

Wer mittlere Reife habe, der wolle nicht mehr ins Handwerk, sondern ins Büro, hat auch Gabriele Rebelein, Ehefrau des Inhabers der Metzgerei Rebelein mit vier Filialen in Gunzenhausen, einer in Ornbau und einer in Dittenheim festgestellt: „Irgendwann verwalten wir uns zu Tode.“ Auch bei ihnen ist in diesem Jahr keine neue Bewerbung eingegangen.

Ein Problem, nicht nur für Metzger, sondern auch für Bäcker. „Die Bewerber sind weniger geworden“, sagt Udo Kleeberger, einer der beiden Geschäftsführer der gleichnamigen Bäckerei aus Gunzenhausen mit insgesamt neun Filialen. Auch der Bäckerberuf hatte schon immer seine Nachteile: Die Arbeitszeiten sind gewöhnungsbedürftig, bei der Bäckerei Kleeberger geht es für Auszubildende um vier bis fünf Uhr in der Früh los – wenn sie ausgelernt haben, sogar noch früher. Allerdings, meint Kleeberger: In anderen Berufen, etwa bei der Polizei und in Krankenhäusern, sei das ja ähnlich. Er ist überzeugt: Es muss mehr Werbung für den Beruf gemacht werden. Die Bäckerei Kleeberger arbeitet bereits mit Praktikumsklassen von Hauptschulen zusammen, sodass immer wieder Praktikanten hier in den Beruf hineinschnuppern können. Und mit dem Arbeitsamt hat Kleeberger bei einer Kampagne zusammengearbeitet, bei der Berufe angehenden Azubis vorgestellt werden sollten. Nur: Für den Bäckerberuf hat sich am Ende niemand angemeldet. Dabei sind die Voraussetzungen gar nicht hoch: Einen Hauptschulabschluss sollten die Azubis haben, über handwerkliches Geschick verfügen, technischen Neuerungen gegenüber aufgeschlossen und vor allem kein Morgenmuffel sein, sagt Kleeberger.

Und auch auf dem Bau gibt es Probleme, Nachwuchs zu finden. „Ich war in der komfortablen Situation, sechs Lehrlinge zu haben, momentan sind es noch vier“, sagt Jürgen Schmidt, Geschäftsführer des Bauunternehmens Karl Schmidt in Dittenheim. Dieses Jahr habe es aber keine neuen Bewerber gegeben. Und es gibt noch ein weiteres Problem: „Viele hören nach der Ausbildung auf.“ Dabei investieren die Betriebe nicht gerade wenig in ihre Lehrlinge, etwa 15000 Euro koste sie eine Ausbildung, schätzt Schmidt. Woran es liegt, dass immer weniger Maurer werden wollen? „Es ist nun mal eine körperlich anspruchsvolle Arbeit. Die Jungs sind Wind, Wetter und Hitze ausgesetzt“, sagt Schmidt. Ein Argument, das sein Kollege Hannes Buck vom Baugeschäft Bau-Buck in Muhr am See nicht gelten lassen will, denn: Die körperliche Arbeit sei ja nicht mehr geworden. Tatsächlich hat es im Vergleich zu früher Erleichterungen gegeben, mehr als 25 Kilogramm darf niemand mehr schleppen. „Aber es ist dennoch ein harter Job“, sagt Schmidt. Und auch Buck hat festgestellt: „Es sind immer weniger junge Leute bereit, die Arbeit zu machen.“ Woran es liegt, kann er nicht wirklich verstehen: „Die Bezahlung passt ja.“ Der Maurerberuf komme in der Öffentlichkeit viel zu schlecht weg, glaubt sein Kollege Schmidt. Dass es auf dem Bau zum Beispiel gute Aufstiegschancen gebe, wisse kaum jemand. So kann man sich etwa vom Vorarbeiter zum Polier hocharbeiten und verdient dann 22 Euro pro Stunde. Das sei, sagt Schmidt, besser als jeder Metzger oder Technische Kaufmann im Büro verdiene.

Wer sich nach einem Beruf umschaut, der hat noch alle Chancen: „Jeder, der noch nach einer Ausbildungsstelle sucht und sich noch nicht bei uns gemeldet hat, sollte sich schnellstens an die Bundesagentur für Arbeit wenden“, sagt Gerhard Durst von der Arbeitsagentur. Bis 1. September dreht sich das Lehrlings-Roulette noch, doch auch danach können über das Nachvermittlungsverfahren Stellen besetzt werden. Und da hat jeder eine Chance. „Der Markt ist so gut, dass es besser gelingen kann, auch Bewerber mit Handicap zu integrieren“, sagt Gerhard Durst.


ALEXANDER PFAEHLER


Mehr Informationen und Tipps zur Ausbildungssuche gibt es in unserer Azubi-Beilage, die der Zeitung am 26. September beiliegen wird.

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