"Die SPD ist dem Kapitalismus anheim gefallen"

7.12.2017, 14:57 Uhr

© Foto: Daniel Reinhardt/dpa

Viel Hoffnung in die SPD setzt Bernd Schnackig nicht mehr. Zumindest glaubt er nicht daran, dass sich die Sozialdemokraten in einer neuen Großen Koalition wieder auf ihre sozialen Wurzeln besinnen könnten. "Bei den Menschen, mit denen wir in der Beratungsstelle reden, ist die Hoffnung dahin", sagt der Diözesansekretär von der Arbeitslosenberatung des Bistums Bamberg: "Die SPD ist dem Kapitalismus anheim gefallen."

Und trotzdem könnte sie den Armen und sozial Schwachen dieser Gesellschaft einen Gefallen tun, glaubt er: Indem sie das Versprechen ihres Vorsitzenden Martin Schulz wahrmacht und in die Opposition geht, statt eben schon wieder eine Koalition mit der Union zu bilden.

Wer Idealist ist, der sollte meinen, dass sich die Politik besonders um solche Menschen kümmern müsste, die in Armut leben oder die arbeitslos und dadurch von der Gesellschaft abgehängt sind. In der Realität ist jedoch das genaue Gegenteil der Fall: "Seit Helmut Kohl Kanzler war, geht die Tendenz dahin, die Situation von sozial Schwächeren noch zu verschärfen", sagt Schnackig. Die beiden großen Volksparteien, die Union und die SPD, stünden sich da in nur wenigen Dingen nach: "Auch Gerhard Schröder hat sich gerühmt, den größten Niedriglohnsektor in Europa installiert zu haben."

Eine Politik auf dem Rücken derer, die sowieso schon wenig haben, ist nicht schwer umsetzbar. Es fehlt ihnen an Macht und Einfluss. Zumindest im Kleinen wollen Schnackig und sechs der Menschen, die er berät, daran etwas ändern: Sie haben in der Kontakt-Stelle für Arbeitslose in Erlangen, von der aus auch Herzogenaurach und Höchstadt betreut werden, einen politischen Arbeitskreis gegründet. Und der meldet sich mit zwei Forderungen an die Politik in Berlin zu Wort. Die erste lautet: "Wir haben erhebliche Bedenken gegen die Fortsetzung der Großen Koalition, weil wir befürchten, dass sich die zum Nachteil der armen Menschen betriebene Politik der letzten Jahre fortsetzt."

Schnackig begründet das zum Beispiel mit der Mütterrente. Eigentlich war geplant, diese Anerkennung von Erziehungszeit bei der Rente aus Steuermitteln zu finanzieren. Je mehr jemand verdient, desto mehr hätte er dazu beigetragen. Stattdessen griff die Große Koalition aber auf Sozialbeiträge zurück – und belastet damit vor allem Niedrig- und Normalverdiener. "Die unteren Einkommensgruppen beteiligen sich in vollem Umfang am Sozialsystem", betont Schnackig.

Nächstes Beispiel: die Grundsicherung. "Sie ist so angelegt, dass die Menschen nicht verhungern müssen, aber mehr wird ihnen nicht zugestanden", sagt der Berater: "Ihre Berechnung entspricht nicht der Lebensrealität." Etwa bei den Wohnungskosten, gerade im Landkreis Erlangen-Höchstadt: "Wer hier im Rahmen der Kosten etwas sucht, der wird verrückt." Entscheidend verändert oder gebessert habe die Große Koalition daran nichts. Die zweite Forderung des Arbeitskreises lautet daher: "Wir fordern Sie auf, politischen Mut zu beweisen und eine Minderheitsregierung zu bilden."

Andere Diskussionskultur

Die Hoffnung von Schnackig und seinen Mitstreitern: In einer Regierung, in der sich Mehrheiten abwechseln und gemeinsame Ziele deshalb mühsam erarbeitet werden müssen, wird eine andere Diskussionskultur herrschen. Mehr Debatten statt Fraktionszwängen und Verhandlungen hinter verschlossenen Türen – und so vielleicht auch eine stärkere Einbindung der Positionen, die sonst wenig Gehör finden. "Wir verbinden damit die Hoffnung auf eine sozialere Politik, auf andere Ideen und andere Koalitionen", sagt Schnackig.

Gesendet hat der Arbeitskreis seinen offenen Brief an die Vorstände aller Parteien, die bislang für Regierungskoalitionen im Gespräch waren, also CDU, CSU, SPD, FDP und Grüne. Geantwortet haben bislang nur zwei Parteien. Von den Sozialdemokraten kam bislang nur eine standardisierte Antwort zurück: Man sei so überlastet mit Anfragen zur Großen Koalition, dass man nicht individuell antworten könne.

Die Reaktion der Grünen macht Schnackig aber Hoffnung: "Sie wollen schauen, wo sie aktiver werden können." Klar ist aber auch: Um die Situation von armen Menschen zu verbessern, wird Hoffnung nicht reichen.

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