Hochwasserschutz

Im Herzen Weißenburgs liegt ein Überschwemmungsgebiet

9.9.2021, 06:01 Uhr
Im Herzen Weißenburgs liegt ein Überschwemmungsgebiet

© Jan Stephan, NN

Wer hätte es gedacht, dass mitten im Herzen der Weißenburger Stadt ein Überschwemmungsgebiet liegt? Die neue Weißenburger Mittelschule ist mitten hineingebaut worden. Und das kann man auch sehen, wenn man weiß, wo man hinschauen muss.

Punkt eins: Die längst von Blumen eroberte Mulde, die aussieht wie eine vergessene Baugrube, ist gar nicht so absichtslos, wie sie aussieht. „Das ist der Ausgleich für die Mittelschule“, erklärt Robert Schmidtlein, der bei der Stadt für den Tiefbau zuständig ist und sich daher auch mit dem Hochwasserschutz befassen muss.

Nur unter besonderen Bedingungen wird es erlaubt, in Hochwassergebieten zu bauen. In diesem Fall war es leichter, weil die neue Mittelschule einen Bestandsbau ersetzte. Das Volumen allerdings, das der Neubau nun mehr umfasst, musste wieder ausgeglichen werden.

Denn wo jetzt umbauter Raum ist, da kann im Falle eines Falles eben kein Wasser mehr hin. Also hat man für das neu verdrängte Volumen eine Blumenmulde neben das Gebäude gebuddelt.

Die Schotten dicht machen

Punkt zwei: In den großen Betonblöcken, die entlang der Straße An der Hagenau als Sitzbänke vor der Schule liegen, sind Schienen eingelassen. „Da werden Schotten eingesetzt, wenn es zu einem Hochwasserereignis käme“, erklärt Schmidtlein. Diese Hochwasser-Metallwände liegen im Depot und warten auf ihren Einsatz.

Man hat sich also einige Mühe gegeben mit dem Hochwasserschutz. Nur fragt man sich: Woher soll dieses Hochwasser denn eigentlich kommen? Es gibt ja weit und breit keinen Fluss. Denkt man zumindest.

Tatsächlich aber läuft der Stadtbach unterirdisch verrohrt vom Aumühlweiher durch das Mittelschulgelände und den Seeweiher durch den Schießgraben und taucht erst kurz vor seiner Mündung in die Schwäbische Rezat im Weißenburger Westen wieder auf.

Der Bach bezieht sein Wasser von den Hügeln im Weißenburger Osten. Bärenloch, Sommerkeller oder Ludwigshöhe. „Die Weiherkette, die da angelegt ist, vom Erlweiher, Badeweiher über den Aumühlweiher bis zum Seeweiher hat auch eine Hochwasserschutzfunktion“, erklärt Schmidtlein. So darf der Aumühlweiher etwa nur bis zu einer bestimmten Höhe aufgestaut werden, um bei Starkregenereignissen Wasser zwischenspeichern zu können.

Weiher sind ein Schutzsystem

Das System hat sich in den vergangenen Jahrzehnten bewährt. An Überschwemmungen rund um den Seeweiher kann sich in jüngerer Vergangenheit keiner erinnern. Anders sieht es bei einem weiteren Blick in die Vergangenheit aus. Als der Seeweiher noch keinen Auslass hatte, überschwemmte er immer wieder die umliegenden Wiesen und Teile des Schießgrabens, in dem sich heute der Kinderspielplatz befindet.

Unter einem vom Stadtbach verursachten Hochwasser hätte vor allem die Innenstadt zu leiden. Denn der überlaufende Seeweiher würde dann via Knebberlesbuck in die tiefergelegenen Stadtteile abfließen. Und dort ist es tatsächlich schon mal nass geworden.

Man erinnert sich etwa an ein Überschwemmungsereignis in der Friedrich-Ebert-Straße, wo (heute Teil des Landratsamtes) der tiefste Punkt der Stadt liegt. Damals allerdings war es nicht ein übergelaufener Stadtgraben, sondern eine überforderte Kanalisation, die dafür sorgte, dass das Wasser dort zusammenlief.

Die wahrscheinlichste Gefahr

Fragt man Schmidtlein vom Stadtbauamt, hält er dieser Variante mittelfristig für die wahrscheinlichere Gefahr. „Die Kanalisation ist auf ein sogenanntes fünfjähriges Regenereignis ausgelegt“, erklärt er. Der Hochwasserschutz dagegen will mit 100-jährigen Regenereignissen zurechtkommen. Wobei sich die Frage stellt, wie viel diese Hochrechnungen angesichts des Klimawandels noch wert sind.

Sollte es über dem gesamten Weißenburger Stadtgebiet flächendeckend und anhaltend schütten, könnten die Kanalisationen sehr wohl nachgeben. Speziell, wenn noch einige unglückliche Umstände zusammen kommen. Etwa verstopfte Gullybehälter oder viel Dreck und Laub auf den Straßen.

In der Praxis sei es bislang aber selten, dass ein so starkes Gewitter sich flächendeckend über die ganze Stadt abregnet, weiß Schmidtlein. Das sorgt dafür, dass sich das Kanalsystem in Teilen selbst hilft, weil es überschüssiges Wasser in Rohre drückt, in denen noch Platz ist.

Die Rezat ist gebändigt

„Es gibt keinen Grund, Panik zu machen“, stellt der Fachmann deshalb fest. „Allerdings kann man es auch nicht ausschließen, dass das mal passiert.“ Die Topografie der Stadt mit ihren steilen Hängen auf mehreren Seiten und dem historischen Zentrum am tiefsten Punkt macht ein solches Ereignis jedenfalls nicht unmöglich.

Dass mit der Schwäbischen Rezat der einzig größere Fluss außerhalb und vor allem unterhalb des Stadtzentrums fließt, lässt von dieser Seite aus immerhin wenig befürchten. Zumal es auch hier eine ganze Reihe von Vorsichtsmaßnahmen gibt, die dem normalen Bürger kaum auffallen.

„An der B2 und vielen anderen Stellen haben wir Regenbecken geschaffen“, erklärt Schmidtlein. Diese Becken sorgen dafür, dass beiStarkregenereignissen die Niederschläge erst mit einiger Verzögerung in die Rezat abgeleitet werden, die sonst schnell überfordert und erheblich öfter über die Ufer treten würde. Ein Beispiel für solche wasserregulierenden Bauten ist das „McDonald‘s-Loch“ an der Auffahrt der Augsburger Straße auf die B2.

Weißenburg ist vorbereitet

Hinzu kommt, dass auch bei der Anlage neuer Baugebiete wie etwa in Holzingen inzwischen standardmäßig solche Regenbecken eingeplant werden, um den Niederschlägen ihre Spitze für die Kanalisation zu nehmen. Weißenburg geht also nicht unvorbereitet in eine zu extremeren Ereignissen neigende Wetterphase.

Ob diese Vorbereitungen reichen, wird die Zeit zeigen. Denn ob man sich auf Regenfälle wie in Nordrhein-Westfalen vorbereiten kann, wo innerhalb von 24 Stunden fast 160 Liter auf den Quadratmeter vom Himmel kamen, ist unklar. Diese Menge entspricht ungefähr einem Viertel dessen, was sonst im Lauf eines gesamten Jahres in Weißenburg an Niederschlag fällt.