Kindesmissbrauch: Prozess gegen Logopäden beginnt

1.3.2020, 09:13 Uhr
"Praxis vorübergehend geschlossen" steht auf einem Zettel am Eingang zur einer Praxis für Logopädie.

© Daniel Karmann, dpa "Praxis vorübergehend geschlossen" steht auf einem Zettel am Eingang zur einer Praxis für Logopädie.

Fast ein Jahr nach seiner Festnahme muss sich von Donnerstag (5. März) an ein Logopäde wegen schweren sexuellen Missbrauchs von kleinen Jungen vor Gericht verantworten. Der Mann, der an diesem Montag 38 Jahre alt wird, soll sich in 66 Fällen massiv an Kindern vergangen haben, darunter vor allem körperlich und geistig behinderte. Manche von ihnen waren erst zwei Jahre alt.

Die Jugendschutzkammer am Landgericht Würzburg hat elf Verhandlungstage bis Ende April anberaumt. Der Deutsche ist laut Generalstaatsanwaltschaft weitgehend geständig. Denkbar ist, dass ein Teil des Prozesses unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet, um die Opfer zu schützen. (Az. JSch JK KLs 510 Js 541/19 jug)

Die mutmaßlichen Taten des Sprachtherapeuten waren im März 2019 ans Licht gekommen. Die Ermittlungen von Cybercrime-Experten hatten ergeben, dass der Mann seit 2008 bis zu seiner Festnahme insgesamt sieben Jungen im Alter von bis zu sechs Jahren in unterschiedlicher Weise missbraucht haben soll. Die Tatorte lassen aufschrecken: Der Mann nutzte den Ermittlern zufolge Behandlungssitzungen in seinen zwei Praxen und in zwei Würzburger Kindergärten für die Übergriffe - Orte, an denen Eltern ihre Kinder in Sicherheit wähnen.

Der Verdächtige filmte und fotografierte Taten

Nach Darstellung der Staatsanwaltschaft - festgehalten in 54 Seiten Anklageschrift - fotografierte und filmte der Verdächtige die Taten und stellte sie in einschlägige Foren im sogenannten Darknet. Dort können sich Internetnutzer fast anonym bewegen. Bei einer Wohnungsdurchsuchung am 20. März 2019 stellten Polizisten knapp 23.000 Dateien mit kinderpornografischen Inhalten sicher.

"Wir können davon ausgehen, dass der Täter sich gezielt Opfer rausgesucht hat, bei denen zu erwarten war, dass sie sich nicht an Eltern oder Erzieher wenden", sagte Staatsanwalt Thomas Janovsky zum Abschluss der Ermittlungen im vergangenen September. Außerdem habe der Mann stets gewartet, bis sein aktuelles Opfer die jeweilige Einrichtung verlassen hatte, ehe er sich am nächsten Buben verging - offenbar, um einen Austausch der Kinder untereinander zu verhindern.

Die Mitarbeiter der Kindergärten sollen von den Übergriffen nichts mitbekommen haben. Auch der Ehemann des angeklagten Therapeuten wusste offenbar nichts von den Umtrieben seines Partners.

Bei dem Therapeuten wurden nicht nur Aufnahmen der Würzburger Kinder gefunden, sondern auch viele andere. Diese lieferten den Ermittlern Hinweise auf weitere Missbrauchsfälle - mehrere Beschuldigte sind seither ermittelt worden.

Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern ist in Paragraf 176a des Strafgesetzbuches definiert. Das sind alle Handlungen an Kindern, die mit dem Eindringen in den Körper verbunden sind.

Laut Polizeilicher Kriminalstatistik wurden 2018 bundesweit 12 321 Fälle von sexuellem Missbrauch von Kindern registriert - 6,7 Prozent mehr als im Vorjahr. 9357 Verdächtige gab es 2018; fast 96 Prozent davon sind Männer.