Mein Feind, der Baum

3.3.2012, 10:00 Uhr
Mein Feind, der Baum

© Hans-Joachim Winckler

Es ist ein merkwürdiges Phänomen. Dass hier und da einmal ein Baum beschädigt wird, die Rinde angeritzt oder abgeschält wird, weil das Gewächs einen irgendwie gearteten Zorn auf sich zieht, das kennt man. Dass Bäume massenweise und in Serie verstümmelt werden, das ist jedoch ungewöhnlich. „Ich kenne keine vergleichbaren Fälle“, sagt Professor Christian Pfeiffer vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen.

Seit Monaten geht das nun so. Immer wieder werden in der Region verletzte junge Bäume entdeckt. Auf Fürther Stadtgebiet, im Kreis Fürth und in Abenberg bei Roth. Und erst vor wenigen Tagen im Kreis Erlangen-Höchstadt. Zählt man alle zusammen, kommt man auf rund 160 beschädigte Stämme und einen Schaden von gut 100000 Euro.

Auch in Neumarkt wurden Bäume massakriert, wobei bei den beiden zuletzt genannten Taten unklar ist, ob sie tatsächlich zur selben Serie gehören. Auch Nachahmungstäter könnten am Werk sein.

Die Polizei weiß einiges über das Vorgehen des Täters. „Er verwendet immer eine Handsäge mit dünnem Sägeblatt“, sagt Polizeisprecher Michael Sporrer. Ähnlich einer sogenannten Japansäge. Das doppelzackige Sägeblatt ist gerade einmal einen Millimeter dick.

Die Säge ist das Erkennungszeichen des Täters. Er hat es auf junge Bäume abgesehen, die er nie ganz umsägt, sondern nur zur Hälfte oder zwei Dritteln ansägt. „Selbst beim genauen Hinsehen ist der Schnitt schwer zu finden“, fährt Sporrer fort. Es gibt noch mehr Gemeinsamkeiten: Alle Tatorte liegen an einer Straße oder an einem Fuß- und Radweg. Nur die jüngste Tat — zwischen den Orten Neundorf und Oberniederndorf im Kreis Erlangen-Höchstadt wurden 60 Obstbäume angesägt — will nicht so recht in dieses Muster passen. „Der Tatort liegt etwas abseits einer Staatsstraße. Die Begehungsweise ist allerdings dieselbe“, meint Sporrer.

Mein Feind, der Baum

© Sippel

Man kann also einiges sagen zum Vorgehen, doch was den Täter antreibt, stellt die Ermittler vor Rätsel. Der Kriminologe Christian Pfeiffer hält einen „psychischen Defekt oder Rache für denkbare Motive“.

Pfeiffer vergleicht die Baumzerstörungen mit den Taten von Serienbrandstiftern, die Schuppen oder Scheunen anzünden. Oft steckten Täter dahinter, die ein bereits in der Kindheit tief verinnerlichtes Ohnmachtsgefühl kompensieren müssten, „indem man zum Beispiel ein Auto anzündet oder eben einen Baum ansägt“. „Dann ist man plötzlich derjenige, der die Puppen tanzen lässt“, fährt der Wissenschaftler fort.

Die ganze Aufmerksamkeit richtet sich auf den Täter. Der fühle sich dadurch superstark, meint Pfeiffer. „Es gibt Serienbrandstifter, die fast süchtig danach sind.“ Möglicherweise hat der Täter aber auch, so merkwürdig sich das vielleicht anhören mag, eine „prägende Erfahrung mit Bäumen gemacht“, weshalb er auf Bäume fixiert sei und diese vielleicht sogar als Feind betrachte.

Die andere denkbare Variante: Der Täter lebt seinen persönlichen Rachefeldzug aus. Pfeiffer konstruiert ein einfaches Beispiel: Es könnte jemand sein, der früher bei der Stadt Fürth angestellt war und sich schlecht behandelt fühlte. „Jetzt rächt er sich, indem er ihr Schaden zufügt.“

Solche Szenarien spielt natürlich auch die Fürther Polizei durch. Dort wurden die Ermittlungen zusammengefasst. Doch über das Motiv könne man erst etwas sagen, wenn der Täter gefasst sei, sagt Sporrer. „Wir sind wirklich am Rätseln.“

Von der Aufklärung der mysteriösen Serie ist die Polizei noch ein ganzes Stück entfernt. Fingerabdrücke lassen sich auf Baumrinde kaum feststellen. DNA wurde bislang nicht sichergestellt. Pfeiffer hält den Täter für klug. „Würde er die Bäume ganz durchsägen, würde er einen Fehler begehen.“ Seine Taten wären sofort erkennbar. So aber fliegen sie manchmal erst Wochen später auf. Sporrer: „Wir können nicht ausschließen, dass es noch mehr Tatorte gibt.“

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