Nach Brand in Schneizlreuth: Gemeinde wusste von Mängeln

1.2.2016, 07:48 Uhr
Nach Brand in Schneizlreuth: Gemeinde wusste von Mängeln

© Ferdinand Farthofer/aktivnews (dpa)

Jennifer Doppelhofer hat die Antworten bekommen, die ihr wichtig waren: Als vor drei Wochen der Prozess um das todbringende Inferno von Schneizlreuth begann, sagte die zierliche junge Frau in die Mikrofone der Radio- und Fernsehsender: "Ich hoffe, dass ans Tageslicht kommt, wer weggeschaut hat." Seit vorigen Dienstag weiß die 31-Jährige, dass auch Mitarbeiter im Rathaus der kleinen oberbayerischen Gemeinde weggeschaut haben. An diesem Dienstag sollen die Plädoyers gesprochen, am Freitag das Urteil verkündet werden.

Doppelhofer verlor bei dem verheerenden Brand mit sechs Toten und nahezu 20 Verletzten im Mai 2015 ihren Ehemann. Sie muss seitdem ihre drei und neun Jahre alten Kinder alleine erziehen. "Ich frage mich, wie das alles passieren konnte", sagte sie am ersten Prozesstag noch in die Kameras, ehe sie in den Schwurgerichtssaal am Landgericht Traunstein ging, um fortan als Nebenklägerin den Prozess ganz genau zu verfolgen.

Dort muss sich ein Veranstalter von Abenteuerurlauben wegen fahrlässiger Tötung verantworten. Bei dem Inferno waren an Pfingsten vergangenen Jahres sechs Mitarbeiter einer Baufirma aus dem niederbayerischen Arnstorf im Alter zwischen 30 und 42 Jahren erstickt. Besonders tragisch: Das Unternehmen hatte seinen Mitarbeitern das Eventwochenende zum 50-jährigen Bestehen spendiert.

Mangel an Brandschutz war bekannt

Der 47-Jährige wusste, dass er in dem von ihm gepachteten historischen "Pfarrerbauernhof" keine Gäste hätte übernachten lassen dürfen - wegen Mängeln beim Brandschutz. Er tat es trotzdem, auch nachdem er 2009 dem Landratsamt schriftlich versichert hatte, auf Gästeübernachtungen künftig zu verzichten. "Ich bin schon der Meinung, dass die Behörden genau Bescheid wussten, dass ich im Pfarrerbauernhof Gäste übernachten ließ", sagte der Angeklagte denn auch am ersten Prozesstag.

Bei seiner Vernehmung als Zeuge geriet der Ex-Bürgermeister von Schneizlreuth vorigen Dienstag arg in die Bredouille. Nachdem er - offenbar wenig glaubwürdig - gesagt hatte, nichts von der Übernachtung ganzer Schulklassen in dem denkmalgeschützten Gebäude mitbekommen zu haben, platzte einem der Richter der Kragen. Er solle jetzt lieber gar nichts mehr sagen als zu lügen, so der dringende Appell. Tatsächlich schwieg der frühere Bürgermeister nun lieber.

Eine Mitarbeiterin der Gemeindeverwaltung brachte es im Zeugenstand auf den Punkt, als sie sagte, jeder im Rathaus habe von den illegalen Übernachtungen gewusst. Und auch der seit 2014 amtierende Bürgermeister bestätigte, von Übernachtungen bei dem Angeklagten gewusst, sich aber über Genehmigungen keine Gedanken gemacht zu haben.

Fehlverhalten beteiligter Behörden

Für die beiden Verteidiger Harald Baumgärtl und Frank Starke ist damit erwiesen, dass die Gemeinde von der illegalen Praxis wusste. Die Anwälte sprechen unisono von einem "markanten Fehlverhalten aller beteiligten Behörden". Neben dem Wissen um die Übernachtungen habe es auch keine von der Gemeinde veranlasste Feuerbeschau gegeben. "Hätte es sie gegeben, wäre als erstes der Wäscheschrank verschwunden, in dem das Feuer ausbrach", so Baumgärtl. Der Anwalt hält für wahrscheinlich, dass ein Gast sich in der Brandnacht eine Zudecke holte und dabei eine glimmende Zigarette verlor.

Die Aussagen des Ex-Bürgermeisters und seines Nachfolgers haben auch die Staatsanwaltschaft aufhorchen lassen. Zwar wurde bisher nicht gegen Bedienstete im Rathaus ermittelt. "Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Amtsträgern wurde im Laufe des Ermittlungsverfahrens geprüft", so Staatsanwalt Björn Pfeifer. Bis zur Anklageerhebung habe aber kein Anlass für Ermittlungen bestanden.

Doch nun prüft die Behörde, ob sie nicht doch Ermittlungen gegen Amtsträger einleitet. Mit Spannung erwarten daher nicht nur der Angeklagte und seine Verteidiger, was Staatsanwältin Monika Veiglhuber am Dienstag in ihrem Plädoyer zu sagen hat.