18. Dezember 1970: 8,77 Mio. für neues Gefängnis

18.12.2020, 07:00 Uhr
18. Dezember 1970: 8,77 Mio. für neues Gefängnis

© NN

Wäre das Geld der Steuerzahler nicht besser in Schulen und Krankenhäusern angelegt? Ministeraldirektor Dr. Karl Bengl vom bayerischen Justizministerium gab die Antwort darauf. „Wenn der Staat Menschen nach Recht und Gesetz einsperrt, dann hat er auch Verpflichtungen. Er muß für entsprechende Unterkünfte sorgen.“ Der Gast aus München ließ alle, die unter den Unzulänglichkeiten der über hundert Jahre alten Gefängnisses in Nürnberg leiden, optimistisch-gedämpft hoffen. Das neue Untersuchungsgefängnis soll nur der Anfang einer längst überfälligen Gesamterneuerung sein.

Vater Staat verlangt, daß im U-Gefängnis jedem ein Einzelzimmer zur Verfügung gestellt wird, und deshalb baut man vordringlich rund 200 neue vergitterte Appartements. Oberregierungsdirektor Elmar Groß, Hausherr in den Nürnberger Justizvollzugsanstalten, klagte: „Die Gefangenen wollen oft nicht in Einzelzellen.“ Immerhin, in der neuen Anstalt wird es auch einen Gemeinschafts- und einen Gymnastikraum geben.

Baurat Karlheinz Kurzidem vom Landbauamt hatte zuvor gesagt, man werde sich wohl dem Jahr 2000 nähern, bis alle geplanten Vorhaben des Strafvollzugs in Nürnberg vollendet seien. Zuerst müssen Dienstwohnungen in der Nachbarschaft abgerissen und an anderer Stelle neu gebaut werden. Dann müsse man einen Trakt für Werkstätten und Arbeitsbetriebe erstellen, dann müsse man prüfen, ob der Zellenbau aus der Zeit des Siebzigerkrieges modernisiert werden kann, und schließlich habe auch die Verwaltung ein Recht auf eine bessere Unterkunft.

Mißt man Zukunftspläne an der Baugschichte des U-Gefängnisses, dann erhält man folgende Daten: 1964 erste Überlegungen, 1967 Entwürfe, 1968 Baubeginn, 1970 Richtfest. Ende 1971 voraussichtlicher Bezugstermin. Wenn die Überlegungsfristen kürzer werden, steigt der Nutzeffekt des für den Strafvollzug zu investierenden Geldes.

Bauherr, Planer und Bauleute haben sich das dreifache „Hoch“ des Poliers ehrlich verdient, auch wenn Ministerialdirigent Dr. Bengl sagte, er wünsche, daß viele Zellen leer bleiben. Das war das Paradox an dieser Richtfeier.

Hundert Meter vom geschmückten Rednerpodium entfernt drehten Gefangene ihre Runden beim Hofgang. Sie marschierten als die Gruppe, die nach Recht und Gesetz eingesperrt ist. Vielleicht wird mancher in der neuen Untersuchungshaftanstalt einmal Quartier beziehen müssen, der heute nicht im entferntesten daran denkt.

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