4. Januar 1969: Stadtwerke hoffen auf Ferngas

4.1.2019, 11:25 Uhr
4. Januar 1969: Stadtwerke hoffen auf Ferngas

© Kammler

Die vereinbarten Preisbedingungen entsprächen den Vorstellungen der südbayerischen Gaswirtschaft, verlautete aus dem bayerischen Wirtschaftsministerium.

Nach der damit vollzogenen Neugruppierung der Gasversorgung bleibt auf der energiewirtschaftlichen Karte Süddeutschlands das mittelfränkische Gebiet der "Gruppenversorgung Nürnberg" als ein "weißer Fleck" zurück. Vergebens hielt man "auf den Zinnen" des Verwaltungshochhauses der Stadtwerke am Plärrer Ausschau nach Bundesgenossen, die bereit gewesen wären, das Panier mittelfränkischer Gas-Autarkie in dass neue Zeitalter der Erdgaswirtschaft zu tragen.

Doch die Front der Freunde des preisgünstigen Ferngases war festgefügt. Die nordbayerischen Städte haben sich überwiegend in der Ferngas Nordbayern GmbH eine zukunftsträchtige Versorgungseinrichtung geschaffen, im Süden dominiert die Bayern-Gas und im benachbarten Württemberg die Gasversorgung Süddeutschland. Die Gaspolitik der Stadtwerke wurde zu einer schmalen und gefährlichen Gratwanderung.

4. Januar 1969: Stadtwerke hoffen auf Ferngas

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Das Aufkommen des Erdgases erforderte für die regional und örtlich gegliederten Gaswirtschaften ein Umdenken zu einem System überregionaler und internationaler Verbundwirtschaft, wie sie sich auf dem Gebiet der Stromversorgung längst bewährt hatte. Zwar verschloß man sich bei den Stadtwerken nicht der Einsicht, daß das über Ferngasleitungen nach Süddeutschland herangeführte Erdgas nicht nur das herkömmliche Steinkohlengas und den "Lückenbüßer" Raffineriegas verdrängen, sondern auch den traditionellen Preisnachteil Süddeutschlands gegenüber den "reviernahen", westdeutschen Industriegebieten egalisieren wird.

Doch entschloß man sich bei den 1956 vorherrschenden Umständen für den eigenständigen Weg einer mittelfränkischen Gruppengasversorgung. Eindrucksvoll wurde dieser Wille durch die Übernahme eines zunächst 50prozentigen Anteils an der Kohlenbergwerksgesellschaft "Monopol" in Kamen im Jahre 1956 unterstrichen (Ende 1959 wurden die restlichen 50 v. H. erworben), obwohl zumindest seit 1955 die Ferngaswirtschaft wachsende Mengen deutschen Erdgases der öffentlichen Versorgung zugeführt hatte und eine neue Entwicklung sich deutlich abzuzeichnen begann. 480 Millionen DM kostete die Stadtwerke insgesamt der Erwerb der Schachtanlagen. Weitere 100 Millionen DM wurden investiert.

Kohlegas nicht konkurrenzfähig

Nach einigen Erfolgen der Gruppengasversorgung zeigte sich alsbald, daß das im revierfernen Nürnberg produzierte Steinkohlengas mit dem wesentlich billigeren Heizöl nicht konkurrieren konnte. Der Bau zweier Benzin-Spaltgas-Anlagen mit einer Tageskapazität von 550.000 Kubikmeter im Jahr 1965, der im Jahr 1968 eine weitere mit 300.000 Kubikmeter folgte, war zumindest das indirekte Eingeständnis, von der stürmischen Entwicklung auf dem Sektor Gaswirtschaft überrascht worden zu sein.

Die Gründung der Einheitsgesellschaft Ruhr erleichterte sichtlich den Entschluß der Stadtwerke, sich von der Zeche „Monopol“ zu trennen. "Alles in allem war die Zeche für die Stadtwerke kein schlechtes Geschäft", resümierte Direktor Fritz Vogel. Aber nicht nur die nordbayerischen Gemeinden und Städte zogen das preisgünstigere Ferngas dem teuren Nürnberger Kohlengas vor, auch die Verbraucherschaft innerhalb des Versorgungsgebiet der Stadtwerke bewies marktkonformes Verhalten. Das billige Heizöl verdrängte zunehmend das Stadtgas. Diese Entwicklung führte nicht zuletzt auch diejenigen Spötter ad absurdum, die glaubten, Stadtwerke-Generaldirektor Professor Dr. Josef Ipfelkofer sei es gelungen, aus stramm zentralistisch gesinnten Franken überzeugte Gas-Partikularisten formieren zu können.

Nach den Angaben des Landesamtes für Statistik ging der industrielle Gasverbrauch in Mittelfranken im Jahre 1967 gegenüber dem Vorjahr um zwölf v. H. zurück, während der Gasverbrauch im Landesdurchschnitt um 12 v. H. zugenommen hatte. Die Zunahme in den von der nordbayerischen Ferngasgesellschaft versorgten Gebieten betrug im Berichtsjahr 20 v. H. Auch der Bericht der Stadtwerke Nürnberg über das Geschäftsjahr 1967 verzeichnete deutliche Umsatzrückgänge bei Haushaltungen und industriellen Großabnehmern. Lediglich die Zunahme des Heizgasbedarfs konnte das Gesamtergebnis insgesamt etwas freundlicher gestalten.

Die Industrie- und Handelskammer in Nürnberg betrachtet die stagnierende Entwicklung in der mittelfränkischen Gaswirtschaft mit zunehmender Sorge. In einem Bericht über die Situation der mittelfränkischen Industrie 1967/68 stellt die IHK mit Nachdruck fest: "Künftig darf die Gaswirtschaft als die vierte SäuIe einer auf die wirtschaftliche Entfaltung Mittelfrankens gerichteten Energiepolitik nicht fehlen, zumal in absehbarer Zeit tatsächlich auch in Mittelfranken Erdgas angeboten werden kann. Es bleibt eine Frage an die Träger der Gasversorgung, ob die mittelfränkische Industrie an den neuen Entwicklungen auf dem Sektor Gas teilnehmen kann."

Die Zeit einer selbständigen, regionalen Gasversorgung gehört zunehmend der Vergangenheit an. Nur der Beitritt zu einem der großen bestehenden Gas-Zweckverbände kann den steigenden Gasbedarf in der Zukunft preisgünstig befriedigen. Der Beschluß des Nürnberger Stadtrates vom 11. November 1984 ist für Nürnberg auch heute noch aktuell: "Auf dem Gebiet der Gasversorgung ist eine nüchterne und sorgsame Beobachtung des sich bildenden neuen Marktes geboten, damit im Interesse der Abnehmer des Nürnberger Versorgungsgebietes das günstigste Angebot gewählt werden kann. Die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen, insbesondere auch mit München, ist richtig und daher zu pflegen."

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