8. Dezember 1970: Es geht um 800 Millionen

8.12.2020, 07:06 Uhr
 Der Ausbau des Stadions mit Überdachung der Stehtribüne hat praktisch keine Chance mehr. Die erforderlichen Kosten - etwa 30 Millionen Mark – sind bis zum nächsten Jahr nicht aufzubringen.

© NN  Der Ausbau des Stadions mit Überdachung der Stehtribüne hat praktisch keine Chance mehr. Die erforderlichen Kosten - etwa 30 Millionen Mark – sind bis zum nächsten Jahr nicht aufzubringen.

Tatsächlich scheint die Stadt ärmer geworden zu sein als in den Jahren zuvor. Trotz eines Rekordhaushaltes, der für 1971 Einnahmen und Ausgaben von über 800 Millionen Mark vorsieht. Trotzdem herrscht Ebbe in der Kasse.

Der Grund: der Anteil der Personalkosten ist in der Stadt Nürnberg größer denn je zuvor. Der Aufnahme neuer Schulden sind enge Grenzen gesetzt. Das bedeutet: neue Großprojekte sind im kommenden Jahr kaum möglich.

Kein neues Krankenhaus

Die Stadt wird 1971 kurztreten müssen. An den Baubeginn für ein neues Krankenhaus im Süden ist nicht zu denken, ebenso wenig an eine Überdachung des Stadions. Für das Messegelände ist ein relativ bescheidenes Anfangskapital von 10 Millionen Mark vorgesehen und lediglich die bereits begonnenen Bauvorhaben (Schulhäuser und U-Bahn) sollen auch 1971 planmäßig weitergetrieben werden.

Auf jeden Fall werden die Nürnberger tiefer in die Tasche greifen müssen: die Gebühren für fast alle möglichen städtischen Dienstleistungen werden steigen. Die Notwendigkeit dazu wird von allen Parteien zähneknirschend anerkannt.

Daneben hoffen die Stadträte auf Hilfe von oben: die SPD – so ihr Sprecher Willy Prölß – möchte vor allem das CSUregierte Land Bayern schröpfen, während die Rathaus-CSU unter ihrem Fraktionschef Georg Holzbauer die SPD/FDP-Regierung in Bonn wegen ihrer mangelnden Hilfe für die Städte attackierte.

So bewegten sich der OBM und die Sprecher der Parteien bei ihren Etatreden zwischen Forderungen an Bund und Land und dem Willen, den Gürtel enger zu schnallen und äußerste Sparsamkeit walten zu lassen. Mancher liebgewonnene Plan muß wieder in der Schublade verschwinden, wenn in diesen Tagen zugleich mit dem Haushalt die mittelfristige Finanzplanung erarbeitet wird, die die Basis wiederum für eine fünfjährige Investitionsplanung bildet. Diese Investitionsplanung soll – so Dr. Urschlechter – Ende April beschlossen werden.

Zunächst zum Ausweg aus der Finanzmisere, der von oben gewiesen werden könnte: Das Stadtoberhaupt verlangte nachdrücklich den zweiten Abschnitt der Gemeindefinanzreform mit der Erhöhung des Anteils aus der Lohn- und Einkommensteuer von 14 auf 18 Prozent und einem um drei Pfennige je Liter hinaufgesetzten Anteil aus der Mineralölsteuer. Auf seiner Liste stehen unter anderen gesetzlich festgelegte Beiträge von Bund und Land beim Krankenhausbau (mindestens 70 Prozent) und ein 80prozentiger Ersatz der Polizeikosten.

Alle Parteien aber wollten sich doch im Grunde nicht auf fremde Hilfe allein verlassen. "Ich meine, alle Wünsche müssen gestutzt werden", erklärte Dr. Bergold, der nach wie vor den U-Bahn-Bau für ein Jahr auf Eis gelegt sähe, im übrigen aber einen interessanten Vorschlag über eine geänderte Trasse machte:

Ab dem Plärrer nicht weiter in Richtung Fürth, sondern nach Norden nach Erlangen, nicht zuletzt der Universitätsverflechtung und eines Standortes für die TH wegen. Hans Hoffmann (CSU), steter Verfechter der Belange der nördlichen Stadtteile, nickte beifällig. Eintracht zwischen CSU und FDP war über weite Strecken auch zu spüren, wenn die bevorstehenden Gebührenerhöhungen und die geplante Heraufsetzung des Hebesatzes bei der Grundsteuer B um zehn Punkte zur Sprache kam.

Die höhere Grundsteuer lehnen CSU und FDP ab. Sie wollen auch die angehobenen Gebühren nicht in Bausch und Bogen so genehmigen, wie sie von der Verwaltung beantragt wurden. Die CSU erkärte sich außerdem nur bereit, die vorgeschlagene Gebührenerhöhung bei den Altenheimen nur zu etwa 50 Prozent mitzumachen.

Als Optimist zeigte sich nur Willy Prölß. "Es besteht kein Anlaß, die Lage zu dramatisieren. Immerhin gehört zur Politik – und auch zur Finanzpolitik – ein bißchen Optimismus und der sollte uns trotz der großen vor uns liegenden Aufgaben nicht verlassen." Einigkeit sogar herrscht darüber, daß die freien Wohlfahrtsverbände höhere Zuschüsse für ihre Kindergärten und Jugendhorte bekommen sollen, wenn auch nicht soviel, wie sie sich vorgestellt haben.

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