Adlig, ledig, nicht mehr ganz jung, sucht . . .

30.12.2008, 00:00 Uhr

angeblich so demokratischen bürgerlichen Gesellschaft. Wir sprachen mit der Regisseurin und einer ihrer Protagonistinnen, Verena von Zerboni di Sposetti.

NZ: Frau von Heinz, Sie stammen selbst aus einer adligen Familie und tragen auch nach Ihrer Heirat mit einem Bürgerlichen Ihren adligen Namen. Warum? Erstens dürfen Sie es eigentlich nicht. Zweitens hängen Sie gar nicht am blaublütigen Status.

Julia von Heinz: Das Adelsgesetz ist ja 1918 ungültig geworden. Seither wird es nur noch innerhalb der Adelsverbände tradiert, und man kann sich freiwillig daran halten – was viele auch tun. Ich habe meinen Namen behalten, weil ich mir als Regisseurin mit meinen Kurzfilmen schon einen Namen gemacht hatte und es grundsätzlich absolut richtig finde, wenn Frauen nicht den Namen des Mannes annehmen. Wie sehr ich an meiner adeligen Herkunft hänge, ist ein etwas komplexeres Thema. Da habe ich sehr gemischte Gefühle.

NZ: Nach welchen Gesichtspunkten haben Sie die drei Frauen, die Sie in Ihrem Film porträtieren, ausgewählt?

Von Heinz: Ich habe nach mehreren Gesichtspunkten entschieden: Sympathie natürlich, dann: Werden sie sich mir öffnen, finde ich einen Bezug zu ihnen? Wichtig war auch: Finde ich bei ihnen das Ambivalente, das auch ich mit dem Thema verbinde, d. h. dass sie sich reflektiert mit dem Thema Adel auseinandersetzen und in diesem «Teich» nicht nur wie ein Fisch im Wasser schwimmen; solche Frauen gibt es im Adel ja zur Genüge. Ich aber wollte Frauen, die auch einen problematischen Umgang damit haben.

NZ: Gab es auch Frauen, die lieber nicht mitmachen wollten, weil sie fürchteten, Ihr Film könnte doch zu kritisch in der Tendenz werden?

Von Heinz: Ja, die gab es, wie es natürlich überhaupt eine gewisse Skepsis gegenüber dem Film gibt, von Leuten, die ihn noch gar nicht gesehen haben, die beispielsweise fragen: Ist das überhaupt ein Thema? Was kommt da auf uns zu? Es fiel auch der Begriff «Nestbeschmutzerin».

Verena von Zerboni di Sposetti: Ja absolut. Die Leute, denen ich von dem Film erzählt habe, haben mit viel Skepsis reagiert oder gesagt «Was tretet Ihr da los?» Die haben, ich weiß nicht was für Erschütterungen befürchtet. (lacht)

NZ: Aber so kritisch der Film mit dem Adel umgeht, so politisch inkorrekt traut er sich zugleich ja zu sagen: Zum Adel zu gehören macht es einem mitunter schwer, nicht erst, wenn es bei Frauen ans Heiraten geht. Gräfin von Bredow erinnert sich daran, wie Lehrer herablassend zu ihr sagten «Na, der Adel kann wohl nicht aufpassen». Das kann für Kinder sehr verletzend sein.

Von Zerboni: Das war für uns auch verletzend. Das hat wahrscheinlich jeder, der so einen Namen trägt, irgendwann einmal erlebt. Wenn meine Freundin und ich in der Schule Unsinn gemacht haben, dann sagten die Lehrer zu ihr «Mach keinen Quatsch» und zu mir, ich solle mich nicht für ’was Besseres halten. Das empfindet ein Kind als Ausgrenzung. NZ: Apropos Kindheit: Sie sind von Ihren Eltern schon mit neun Jahren in klassische Konzert geschleppt worden. Wie haben Sie das damals erlebt?

Von Zerboni: Das war total zwiespältig. Auf der einen Seite fand ich’s toll, dass mich die Eltern da mitnahmen und dafür eine ihre Karten abgaben. Das war eine Auszeichnung. Sich vorzubereiten, sich chic anzuziehen, mit den Eltern hingehen, sich gut benehmen – das hatte so eine feierliche Atmosphäre, das war schon schön. Aber wenn man erst mal auf seinem Stuhl saß und das ganze Drumherum nicht mehr so wichtig war, dann ließ die Begeisterung doch etwas nach (lacht).

NZ: Was nun das Mannesstammprinzip angeht . . .

Von Heinz: Beim Adel ist es ja sehr wichtig, dass er sich geschichtlich zurückverfolgen lässt. Das Mannesstammprinzip nun besagt, dass der Familienname nur über eine Linie, nämlich die männliche weitergegeben werden kann. Adlige Frauen fühlen sich deshalb verpflichtet, ihren Namen nicht an ihre Kinder weiterzugeben, weil sie wissen, dass dann die Nachvollziehbarkeit kaputt geht. Die meisten Frauen haben mit der Muttermilch aufgesogen, dass alles andere eine Geschmacklosigkeit wäre. Selbst ich, die früh gegen den Adel rebelliert hat und seine Abschaffung absolut richtig findet, habe meinen Kindern nicht meinen Namen gegeben. Das ist etwas, was «man nicht tut». Meine Kinder tragen den bürgerlichen Namen meines Mannes. Adlige Frauen aber, die anders als ich eng mit dem Adel verbunden bleiben wollen, müssen sich eigentlich einen adligen Mann suchen, sonst sind ihre Kinder quasi «raus» aus dem Adel. Es gibt aber wiederum kaum ledige adlige

Männer, denn die können ja ohne Verluste jede bürgerliche Frau ehelichen und bleiben voll im Adelsstand. Um diese klare Benachteilung der Frauen geht es mir in diesem Film.

Von Zerboni: Das Problem ist: Wenn ich mich dagegen wehre – meinen Kindern also trotzdem meinen Namen weitergebe –, tue ich ihnen keinen Gefallen. Im «Gotha», dem dicken Adelsbuch, ist das alles akribisch aufgezeichnet, und wer nicht genau nach Adelsgesetzen handelt, steht dort sozusagen «unterm Strich». Da heißt es in Gesprächen dann ganz schnell: Die und die «sind aber keine Echten».

Von Heinz: Für mich ist das eine echte Diskriminierung.

Von Zerboni: Als ich unter meinen adligen Bekannten einmal nur vorsichtig anfragte, ob man dieses Gesetz in der jüngeren Generation nicht wenigstens mal diskutieren sollte, stieß ich auf überhaupt kein Verständnis. Andererseits ist es eben ein Jahrhunderte altes System, das für mich auch Sinn ergibt. Würde man zu einem anderen System übergehen, würde das vielleicht andere Ungerechtigkeiten bergen. Ich glaube auch , es ist ein Bedürfnis des Menschen, zu wissen, wo seine Vorfahren herkommen. Auch viele nicht-adlige Leute betreiben intensive Familienforschung. Als Hobby. Erst die moderne Zeit kennt ja den starken Individualismus. Zum Adel zu gehören, das bedeutet auch, Teil einer «Familie» zu sein – genau wie es das bei landwirtschaftlichen Generationen oder Unternehmerfamilien der Fall war.

NZ: Wenn sich adlige Frauen aus dem adligen Umfeld lösen, dann ist davon ja auch oft das Verhältnis zu den eigenen Eltern und Freunden betroffen. Verena, Sie sind konsequent Ihren eigenen Weg gegangen und haben trotzdem eine sehr enge Beziehung zu Ihren Eltern. Worauf führen Sie das zurück?

Von Zerboni: Ich glaube, das hat sehr viel mit Liebe und Vertrauen zu tun. Natürlich machen sich meine Eltern permanent Sorgen, was auch legitim und nachvollziehbar ist. Ich fände es sogar merkwürdig, wenn das nicht so wäre. Aber letztendlich wollen meine Eltern, dass ich glücklich werde. Dass das vor meinem Berufswechsel (siehe Text unten) nicht der Fall war, haben sie natürlich mitgekriegt. Objektiv gesehen ist es sicher toller, wenn man Rechtsanwältin ist, aber wenn man dann wie ich, immer schlechter aussieht und immer schlechter drauf ist, dann geht das an den Eltern nicht einfach vorbei. Aber letztendlich wollen beide, dass ich glücklich bin, und sehen jetzt, dass ich es tatsächlich bin.

NZ: Wie waren die Reaktionen in Ihrem Freundeskreis?

Von Zerboni: Ganz unterschiedlich. Die erste Frage war, ob ich schon mal an meine Altersvorsorge gedacht hätte (lacht).

NZ: Hat sich Ihr Freundeskreis geändert?

Von Zerboni: Ja, da hat sich schon etwas geändert. Es sind mir natürlich ein paar abhanden gekommen. Ich denke, das hat viel mit dem Wertesystem in unserer heutigen Gesellschaft zu tun. Was zählt, ist, welchen Status, wieviel Geld man hat. Für viele Leute ist es wohl einfacher, mit einer Rechtsanwältin befreundet zu sein als mit einer Schneiderin. Und natürlich ist es angenehmer, wenn man tolle Freunde hat, als wenn man nicht so tolle hat. Aber vielleicht hat das auch nur mit meiner fehlenden Menschenkenntnis zu tun, damit, dass ich früher einfach nicht gemerkt habe, mit wievielen oberflächlichen Leuten ich mich eigentlich angefreundet habe. Dafür ist mein Freundeskreis intensiver geworden, und ich weiß, wer wirklich meine Freunde sind. Fragen: Tamara Dotterweich

«Standesgemäß» läuft heute um 23.45 Uhr in der ARD

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