Ausreisesperre: Franken sitzen weiter in der Türkei fest

15.1.2020, 05:59 Uhr
Vor kurzem wurde auch eine Nürnberger Lokalpolitikerin in der Türkei festgenommen, mittlerweile ist sie wieder frei. Hier ist Senem Kartal (Mitte) auf einem Archivbild mit ihrer Partei, der Linken Liste, zu sehen.

© Eduard Weigert Vor kurzem wurde auch eine Nürnberger Lokalpolitikerin in der Türkei festgenommen, mittlerweile ist sie wieder frei. Hier ist Senem Kartal (Mitte) auf einem Archivbild mit ihrer Partei, der Linken Liste, zu sehen.

Es gehe ihr "von Tag zu Tag schlechter", sagt Ali Kartal über seine Ehefrau Senem (57), die seit Oktober 2019 schwer krank in der Türkei festgehalten wird. Wie berichtet, ist die Nürnberger Gewerkschafterin eine von drei kurdischen Betroffenen aus der Region, gegen die der türkische Staat eine Ausreisesperre verhängt hat – trotz ihres deutschen Passes. 74 solche Fälle sind der Bundesregierung bekannt.

Die Verzweiflung ist den Angehörigen anzusehen, die sich auf Einladung des Nürnberger Bündnisses für Frieden in Kurdistan erneut an die Presse wenden. Darunter sind die Eltern und die Schwester eines 30-Jährigen aus einer mittelfränkischen Kreisstadt, der seit Oktober in Izmir festsitzt. Seine schwangere Ehefrau durfte nach Hause. Ob ihr Mann, dessen Namen die verängstigte Familie nicht veröffentlichen will, bei der Geburt im Februar dabei sein kann, weiß niemand. Er darf nicht zurück nach Deutschland, wo er Arbeitsplatz, Haus und Familie hat.

Ein Facebook-Post reicht

Dritter im Bunde ist ein Nürnberger Musiker mit kurdischen Wurzeln und deutscher Staatsangehörigkeit, dessen Urlaub in der Türkei ebenfalls zum Zwangsaufenthalt wurde. Pauschal vorgeworfen wird allen Betroffenen die Unterstützung terroristischer Organisationen. In Nürnberg reicht dazu die Mitgliedschaft im Medya Volkshaus, einem kurdischen Verein in der Südstadt, der nicht verboten ist, oder ein Erdogan-kritischer Facebook-Post.

Es gehe gar nicht um die einzelnen Betroffenen, mutmaßt Bündnissprecherin Sonja Ziyal. Da gebe es weit bekanntere kurdische Oppositionelle, die dem autoritären türkischen Staat ein Dorn im Auge sein könnten. Man wolle vielmehr, dass sich willkürliche Verhaftungen und Ausreisesperren in der kurdischen Gemeinde herumsprechen und politische Gegner zum Verstummen bringen.


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"Kurden in Deutschland sind extrem verunsichert", sagt Rechtsanwalt Yunus Ziyal, der Senem Kartal von Nürnberg aus zu unterstützen versucht. Sein Honorar übernimmt Kartals Gewerkschaft IG Metall. Unterstützen will sie die 57-Jährige angeblich nur inoffiziell. Anderswo haben Gewerkschaften bereits Probleme mit Erdogan-freundlichen Mitgliedern, die in solchen Fällen mit Austritten drohen.

Kritik an der Botschaft

Dass die deutsche Botschaft in Ankara wenig für die gegen ihren Willen festgesetzten Franken tut, kritisieren alle Angehörigen. Senem Kartals Sohn erfuhr von einer Botschafts-Mitarbeiterin, ihr seien die Hände gebunden. Man möge sich an die Presse wenden.

Der Verdacht, dass Bundeskriminalamt und türkische Behörden regelmäßig sensible Informationen zum Nachteil kurdischer Deutscher austauschen, sei mittlerweile belegt, hieß es bei dem Pressegespräch. "Über prominente Fälle wie Deniz Yücel, Mesale Tolu oder Peter Steudtner wurde noch ausführlich berichtet. Alle konnten die Türkei inzwischen wieder verlassen", heißt es in einer Presseerklärung des Bündnisses.


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Die Angst, in Vergessenheit zu geraten, sitzt den Angehörigen in den Knochen. Eine Petition (auf change.org) für Senem Kartal fordert nun ihre Rückkehr aus medizinischen und humanitären Gründen.

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