Demo gegen Kastenhaltung: "Lasst die Sau raus"

18.10.2020, 14:00 Uhr
So wenig Platz haben Mutterschweine im Kastenstand.

© Roland Fengler, NNZ So wenig Platz haben Mutterschweine im Kastenstand.

Lucy blickt traurig durch die Metallstangen. Die gehören zu dem Kasten, in dem die Sau steht. Sie muss stehen, seitlich hinlegen kann sie sich nicht. Mehrere Wochen verbringt Lucy in dieser Position - und das nicht nur einmal pro Jahr.

Kastenstand für Schweine "ist nicht artgerecht"

Das sonst so reinliche und soziale Tier leidet darunter, ist gestresst, weil es über lange Zeit mit so wenig Raum leben muss. Artgerecht? Da sind sich die 50 Tierschützer am Lorenzer Platz in Nürnberg einig, ist das nicht. Deswegen haben sie sich um Lucys Stall versammelt und halten Schilder hoch, mit denen sie gegen die Kastenhaltung demonstrieren.

Motto der Demo: "Lasst die Sau raus!"

Motto der Demo: "Lasst die Sau raus!" © Roland Fengler, NNZ

Lucy selbst leidet nicht. Die Sau ist aus Pappmasché. Doch Lucy steht für zwei Millionen Mutterschweine, die einen großen Teil ihres Lebens auf knapp eineinhalb Quadratmetern verbringen.

Obwohl seit 1992 gesetzlich vorgeschrieben ist, dass zumindest die Seitenlage möglich sein muss, erklärt Lukas Feldmeier. Er gehört zur Deutschen Tier-Lobby in Nürnberg, die zum Protest vor das Heimatministerium geladen hat. Auch weil die Politik jahrzehntelang nicht genau kontrolliert hat, wie klein die Kasten der Sauen sind, in denen sie zwei-, dreimal pro Jahr zehn Wochen zum Abferkeln und Besamen verbringen, weiß Feldmeier.

Binnen acht Jahren soll Schluss sein - zum Teil

Doch damit soll Schluss sein. Die Mehrheit der Deutschen, sagt der Tierschützer, ist schon lange dafür, den Kastenstand zu verbieten. Inzwischen hat auch die Politik eingelenkt. Wenn auch nicht genug, sagt die Tier-Lobby. Zwar wird die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung so geändert, dass das Leben auf engstem Raum eingeschränkt wird.

Doch erst binnen der nächsten acht Jahre bei der Besamung. Im Abferkelbereich werden die Zustände sogar noch bis zu 17 Jahre anhalten. "Und damit werden auch die viel zu kleinen Kasten, die es derzeit überall gibt, akzeptiert", erklärt Lukas Feldmeier.

Er weiß: Der Kompromiss ist zwar faul, aber dennoch ein Erfolg für die Tier-Lobby.

Auch die Landwirte sind mit dem Kompromiss nicht glücklich. Eine Handvoll hat sich ebenfalls auf dem Lorenzer Platz versammelt, einer von ihnen ist Jürgen Dierauff, Schweinemäster und Kreisobmann beim Bayerischen Bauernverband in Neustadt/Aisch-Bad Windsheim. Dadurch, dass die Mutterschweine fixiert werden, wird verhindert, dass viele Ferkel erdrückt werden.

Dass nun wieder demonstriert wird, obwohl die Tierschutz-Verordnung frisch durchgesetzt ist, ist für ihn "als wenn es nach einem Krieg zum Friedensschluss kommt - und danach doch wieder geschossen wird". Dabei hätte Deutschland mit dem Ausstieg aus dem Kastenstand "die strengsten Regeln in der EU". Die Tierschützer halten Schweden, Norwegen und Großbritannien dagegen, die schon auf die Kastenhaltung verzichten.

Ausstieg von Bauern besser fördern

"Wir wollen kein Bauern-Bashing betreiben", sagt Tierschützer Johannes. Die Tier-Lobby will deshalb, dass "die Förderungen für den Ausstieg aus dem Kastenstand müssen besser werden", sagt er. So einfach sei es aber nicht, sagt Landwirt Dierauff. Die Umstellung bedeute ein hohes Investitionsvolumen, "die Hälfte wird das gar nicht schaffen". Besonders bedauert er am Kompromiss, dass die Schweinehalter die Sauen auch in der Rausche nicht fixieren dürfen, fünf Tage, "in denen die Gefahr groß ist, dass die Tiere aufeinander losgehen.

Die Tierschützer haben derweil eifrig Postkarten verteilt. Die unterschreiben viele Passanten, die Tier-Lobby schickt sie unter anderem an Ministerpräsident Söder und die Landwirschaftsministerin Julia Klöckner (beide CSU).

50 Tierschützer der Deutschen Tier-Lobby Nürnberg protestieren vor dem Heimatministerium.

50 Tierschützer der Deutschen Tier-Lobby Nürnberg protestieren vor dem Heimatministerium. © Roland Fengler, NNZ

Auf den Postkarten steht, was auch auf Plakaten und einer großen Leinwand zu lesen ist: Lasst die Sau raus! Vor der Wand hat sich auch Mayra Baltensperger fotografieren lassen. "Dass poste ich jetzt auf Instagram", sagt die junge Frau. Auch für Lucy.

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