Drohen wieder mehr Missstände in Altenheimen?

22.1.2012, 09:00 Uhr
Drohen wieder mehr Missstände in Altenheimen?

© dpa

Rita S. lebt in einem Seniorenheim. Die Nürnbergerin macht ihrem Ärger Luft. Sie spricht von „unzumutbaren Zuständen“ in ihrer Einrichtung. Spricht von einer leitenden Pflegerin, die „wie ein Feldwebel“ die Bewohner herumkommandiert. Als sich S. einmal nicht schnell genug aus dem Bett bewegt habe, sei sie mit den Worten „Spielen Sie wieder einmal die Lady?“ von einer Pflegekraft angeraunzt worden. Als demütigend, entwürdigend empfindet es die Frau, wie hier mit alten Menschen umgegangen wird.

Manche Beschwerden landen bei der städtischen Heimaufsicht. Immer wieder stellen sich Hinweise bei genauerem Hinsehen, etwa bei unangekündigten Prüfungen der Behörde, als handfeste Missstände heraus. So verhängte einst die Heimaufsicht bei einer privaten Nürnberger Einrichtung einen sofortigen Aufnahme-Stopp, weil demenzkranke Bewohner nicht ausreichend zu trinken erhalten hatten. In einem anderen Pflegeheim soll eine Mitarbeiterin Bewohner geohrfeigt und Kopfnüsse verteilt haben.

Das Spektrum in den Prüfberichten reicht von mangelnder Pflegequalität über zu häufigen und falschen Einsatz von Psychopharmaka, Defiziten bei der ärztlichen Versorgung der Bewohner, Fehl- und Mangelernährung bis hin zu schlechter Hygiene.

Eine Errungenschaft für mehr Transparenz in Pflegeheimen war ein von der Regierung auf den Weg gebrachtes Gesetz, das die Veröffentlichung der Prüfberichte der Heimaufsicht vorgibt. Die Informationen darin sollen Angehörigen, Senioren und gesetzlichen Betreuern ermöglichen, die Qualität einzelner Heime zu vergleichen — als Hilfe für eine Entscheidung, in welcher Einrichtung der Betroffene untergebracht werden soll.

Im vergangenen Oktober ging auch Nürnberg mit Berichten ins Internet. Doch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat Anfang Januar in seinem Urteil die Veröffentlichung durch Kommunen verboten — anlässlich einer Klage, die der Träger einer Pflegeeinrichtung in Regensburg einreichte. Nun musste auch die Nürnberger Heimaufsicht ihre Berichte aus dem Netz nehmen (wir berichteten).

Eine Blamage für Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU), findet Dr.Fred Bayer, Leiter des städtischen Gesundheitsamtes und damit auch Chef der Heimaufsicht. „Haderthauer hat vor Gericht verloren.“ Knackpunkt ist aus seiner Sicht, dass im Pflege- und Wohnqualitätsgesetz unklar ist, wer für die Veröffentlichung der Berichte zuständig sein soll.

Möglicherweise sei die Sozialministerin davon ausgegangen, dass die Heimaufsichten für die Veröffentlichung der Prüfberichte zuständig seien. Doch nach Ansicht des Gerichtshofs gilt diese Pflicht durch das seit einem Jahr geltende Gesetz allein für Heimträger. „Wer aber überprüft, ob ein Heim die Berichte veröffentlicht?“, wundert sich Bayer. Hier sei Eile geboten. „Ich hoffe, dass die Landesregierung ein wasserdichtes Gesetz zügig auf den Tisch legt.“

Grüne, SPD und ÖDP im Stadtrat kritisieren diese Entwicklung. „Städte und Gemeinden brauchen eine Handhabe, um Berichte auch dann zu veröffentlichen, wenn Heimbetreiber damit nicht einverstanden sind“, sagt Christine Limbacher, sozialpolitische Sprecherin der SPD-Stadtratsfraktion. Thomas Schrollinger, Stadtratskollege der ÖDP: „Es ist nun zu befürchten, dass wieder die Schlagzeilen über skandalträchtige Vorfälle in Heimen diese Kontrollfunktion übernehmen.“

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