Elektro-Zigaretten sind heiß begehrt

5.1.2012, 08:00 Uhr
Elektro-Zigaretten sind heiß begehrt

© Hagen Gerullis

Zwei weitere Gründe, warum die E-Zigarette plötzlich heiß begehrt ist: Auf Dauer kann man mit dem eher teueren Gerät und den günstigen Nachfüll-Kartuschen sehr viel Geld sparen – während konventionelle Zigaretten stetig teurer werden. Und man kann Rauchverbote umgehen. Noch, denn die E-Zigarette befindet sich in vielfacher Hinsicht in einer rechtlichen Grauzone. In der Stadt Köln wurde bereits klargestellt, dass sie ebenfalls unter das Rauchverbot in Kneipen fällt.

In Nürnberg gibt es noch keine entsprechende Regelung. Dafür wird die bislang nur übers Internet vertriebene E-Zigarette hier auch im Laden verkauft. In der Gleißbühlstraße hat Ugur Hamaloglu sein Geschäft eröffnet – und es läuft prächtig. „Ich mache fast keine Werbung, habe aber seit dem Sommer schon rund 1500 Elektro-Zigaretten verkauft – und unzählige Nachfüll-Fläschchen“, erzählt er. Die Tür geht auf, ein sichtlich angespannter Mittvierziger stürmt herein: „Ich brauche eine elektrische Zigarette“, sagt er und fügt erklärend hinzu: „Meine Frau muss ins Krankenhaus.“

Die letzte Rettung für Raucher auf Reisen

Ein typisches Motiv: Wer länger an einem Ort mit Rauchverbot bleiben muss, überbrückt die Zeit mit einer Dampfzigarette. „Neulich kam ein Kunde, der einen langen Flug nach Afrika gebucht hat“, erzählt Hamaloglu. Die Stewardessen werden vermutlich dennoch einschreiten, wenn im Passagierraum Dampf aufsteigt.

Der Fachinformatiker wurde eher zufällig zum Händler: „Ich hab’ die Elektro-Zigarette bei einem Bekannten probiert und war begeistert, bin gleich umgestiegen. Seitdem wurde ich ständig darauf angesprochen und viele Bekannte haben mich gebeten, ihnen auch eine zu besorgen.“

Früher hat der 30-Jährige eine bis eineinhalb Schachteln Zigaretten täglich geraucht, seit einem Jahr aber keine einzige mehr angerührt, nur noch Dampf aus der E-Zigarette inhaliert. Ein Kunde berichtet ähnliches: „Ich hab jeden Tag 30 Zigaretten gequalmt, 40 Jahre lang. Seit einem Vierteljahr aber überhaupt nicht mehr, nur noch Elektrozigarette. Und ich habe jetzt auch schon zu einer Flüssigkeit mit weniger Nikotingehalt gewechselt.“

Zwei erfolgreiche Umsteiger, zu denen Matthias Urlbauer viele Gegenbeispiele kennt: „Die meisten Raucher bekommen irgendwann wieder Lust auf eine richtige Zigarette“, berichtet der Assistenzarzt und Experte für Tabakentwöhnung am Nordklinikum.

Elektro-Zigaretten sind heiß begehrt

Für den Ausstieg aus der Nikotinsucht ist die Elektro-Zigarette seiner Erfahrung nach ungeeignet: „Das wichtigste bei der Rauchentwöhnung ist die Verhaltenstherapie: Man muss seine Gewohnheiten ändern, bestimmte Situationen vermeiden, seinen Alltag etwas umstellen. Die Elektro-Zigarette bringt hier überhaupt nichts, weil man exakt die gleichen Bewegungsabläufe, Situationen und Verhaltensweisen beibehält.“ Oder sie überhaupt erst lernt: Für Kinder oder Jugendliche könnten E-Zigaretten den Einstieg ins Rauchen wesentlich erleichtern.

Verführerisch wie Alkopops: Nikotin mit Erdbeergeschmack

Der Dampf lässt sich leichter inhalieren als Zigarettenrauch, hinzu kommt die Vielfalt an Geschmacksrichtungen bei den Flüssigkeiten: Neben Tabak- oder Whiskey-Aroma gibt es Erdbeere, Gummibärchen und vieles weitere, was auch dem jungen Gaumen Freude macht. So gesehen erinnern diese Produkte stark an Alkopops.

Wer seinen Nikotinkonsum schrittweise verringern und das Rauchen aufgeben will, sollte also andere Ersatzprodukte wie etwa Nikotinkaugummis nutzen. Diese haben entscheidende Vorteile gegenüber der E-Zigarette. Sie werden anders konsumiert, man durchbricht das suchtgeprägte Verhaltensmuster. Und vor allem: Sie wurden medizinisch und wissenschaftlich genau geprüft – was bei der Dampfzigarette nicht der Fall ist. „Ich staune, wie unbedarft die Leute etwas konsumieren, über das sie fast nichts wissen“, sagt Urlbauer.

Es gibt bislang kaum Untersuchungen über Schadstoffe im inhalierten Dampf – und noch überhaupt keine wissenschaftlichen Messungen, was davon in die Raumluft gelangen und die Mitmenschen belasten könnte. Langzeitstudien waren ohnehin noch nicht möglich.

Ein Beispiel für eine mögliche Gefahrenquelle: Der Dampf besteht zu bis zu 90 Prozent aus Propylenglykol, einem Zusatzstoff für Nahrungsmittel. Bei der Aufnahme im Essen gilt er als ungefährlich. Aber es ist bereits bekannt, dass er als Dampf – etwa in Nebelmaschinen – Atemwegsreizungen hervorrufen kann. Welche Folgen dieser Stoff bei langjährigem täglichen Inhalieren haben kann, weiß heute noch niemand. Wer Elektrozigaretten raucht, macht sich also zum Versuchskaninchen.
 

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