EhrenWert-Preis

Er träumt von einem Radnetz ohne Lücken in Nürnberg: Jens Ott lebt für das Rad

Timo Schickler

Lokalredaktion Nürnberg

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1.10.2021, 18:32 Uhr
Obwohl er mehr als 20 Jahre den ADFC in Nürnberg geleitet hat, besitzt Jens Ott nur ein Fahrrad.

© Günter Distler, NNZ Obwohl er mehr als 20 Jahre den ADFC in Nürnberg geleitet hat, besitzt Jens Ott nur ein Fahrrad.

Als Jens Ott aus einem kleinen Ort bei Miltenberg nach Nürnberg zieht, macht er seiner Schwester kurze Zeit später ein Geschenk: sein Auto. "Ich habe schnell festgestellt, dass ich es in der Stadt einfach nicht brauche." Arbeit, Supermarkt, Freunde: Überall kommt Ott auch auf zwei Rädern hin.

Immer auf Nebenstraßen

Allerdings nicht immer auf dem kürzesten Weg. In die Arbeit fährt der Mittzwanziger damals nur über Nebenstraßen, mäandert mit seinem Rad an der Bayreuther Straße entlang. Denn: Einen Radweg gibt es dort in den Neunzigern nicht.

Deshalb tauchen Ott und ein Arbeitskollege irgendwann bei der Ortsgruppe des ADFC auf. Der Neu-Nürnberger ist damals bereits Mitglied beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club. Seit er mit 21 eine Annonce des Vereins in einer Jugendherbergszeitung entdeckt hat. Ott tritt bei, "aus Überzeugung", wie er sagt.

Aus der Überzeugung, etwas Gutes für die Umwelt zu tun. "Ich habe damals ein paar Bücher dazu gelesen und Joschka Fischer bei einem Auftritt erlebt." Zwar hat Ott als Dorfkind mit 15 Jahren auch ein Mofa und mit 18 einen Führerschein. Irgendwann aber fährt er nur noch Rad, sogar in den Urlaub.


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Die erste Reise führt ihn in die Niederlande. Die lückenlosen Radwegnetzen dort beeindrucken ihn nachhaltig. So etwas will Jens Ott auch in seiner Heimat. Deshalb packt er beim ADFC in Nürnberg mit an und will etwas verändern. 1998 wird Ott sogar zum Vorsitzenden gewählt - und bleibt es mehr als 20 Jahre lang. Erst im vergangenen Jahr zieht er sich zurück.

Loyal und kollegial

Die, die ihn begleiten, wissen, warum er so lang dabei ist. "Loyal, kollegial und mit unermüdlichen Einsatz" hat Ott den ADFC geführt, sagt Bärbel Sturm, seine langjährige Stellvertreterin. Die Liste der Leistungen, die der Verein mit Jens Ott erreicht, ist lang. Sie reicht von der Beschilderung von Rundwegen über das Radverleihsystem bis zum Konzept für Fahrradstraßen.

Bärbel Sturm verbindet vor allem eine Zahl mit Jens Ott. 1500 Mitglieder hat der ADFC in Nürnberg in den vergangenen 20 Jahren dazu gewonnen. Ott aber winkt ab. Anfangs habe der Fahrradclub dafür natürlich kämpfen müssen, mit geführten Touren die Werbetrommel gerührt. Irgendwann seien die Menschen aber von selbst gekommen.

Geblieben sind sie, weil der Verein gut geführt ist. Durch einen Vorsitzenden, der sogar seine Arbeitszeit in der IT-Abteilung der bayerischen Finanzverwaltung um ein Viertel reduziert, um sich sowohl dem ADFC, aber auch seiner Familie mehr widmen zu können. Otts Kinder werden mit dem ADFC und ihrem Vater als Vorstand groß. Und ohne Auto.

Auch das Zuhause ist radfreundlich

Um das zu ermöglichen, sucht sich die Familie ein passendes Zuhause. "Wir haben einen Fünf-Kilometer-Radius um die Fixpunkte gezogen, die wir anfahren, zum Beispiel die Arbeit. In den Schnittmengen haben wir gesucht." Gefunden hat die Familie ein Reihenhaus in Laufamholz.

Von dort hat die Familie alles auf zwei Rädern erreicht. "Je älter die Kinder geworden sind, umso schwerer war das natürlich manchmal." Obwohl der Weg zu Fußballspielen des Sohnes auf dem Eltern-Kind-Tandem "immer gut zum Aufwärmen war".


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Mühevoll sei es dagegen gewesen, seine Teenager-Tochter von einer Party in Heroldsberg abzuholen. "Damals gab es fürs Carsharing noch wenig Stationen", sagt Ott und lacht. Um halb eins in der Nacht also mit dem Rad zum Ostbahnhof, mit dem Leihauto dann nach Heroldsberg und das Kind nach Hause bringen und danach wieder mit dem Fahrrad nach Hause, sei durchaus anstrengend gewesen.

Wer sich nun eine Garage voller Räder für jede Lebenslage vorstellt, wird enttäuscht. "Ich hatte auch in meiner Zeit als Vorsitzender meistens nur ein Rad, manchmal zwei", sagt Ott. Und selbst das sei "eben ein Stadtrad, nichts besonderes". Auch ein Schrauber ist er nicht, "Kette ölen und Schlauch wechseln gehen aber".

Jens Ott ist kein Fahrrad-Nerd, sondern Alltagsradler. Genau das will er jahrelang verbessern: den täglichen Radverkehr in der Stadt. Er hat das immer unaufgeregt gemacht, "Straßenverkehr ist so schon emotional aufgeladen". Da bildet der Mann mit der grauen Kurzhaarfrisur einen Gegenpol. Auch wenn ihn gerade am Anfang die Haltung gegenüber Radfahrern schon sprachlos hinterlässt. "Wir haben mal an die Stadt geschrieben, weil ein Radweg in Finkenbrunn uneben ist - als Antwort kam zurück, dass er das nicht sei. Der Mitarbeiter sei ihn abgelaufen..."

Nöte der Radfahrer

Inzwischen hat sich viel verändert, "das Verständnis für Radverkehr ist gestiegen", sagt Ott. "Heute sitzen auch die Autofahrer öfter mal selbst auf dem Rad", sagt Ott. Und verstehen die Nöte der Fahrradfahrer deshalb besser.

Heute, sagt Ott, sei es definitiv schöner, durch Nürnberg mit dem Rad zu fahren. Doch andere Städte sind längst weiter, findet er, nicht nur Kopenhagen oder Amsterdam. In den Niederlanden ist Ott erst kürzlich wieder gewesen. Mit dem Rad - und seinem Sohn. Auch der träumt seitdem vom Radnetz ohne Lücken daheim. Ob das zuerst kommt oder die zehnte Meisterschaft des 1. FC Nürnberg? Club-Fan Ott lässt sich überraschen. Am liebsten positiv. "Was soll man als Clubfan sonst auch tun?"

Bei der Aktion „EhrenWert“ zeichnen die Stadt Nürnberg und die Universa-Versicherungen jeden Monat eine(n) Ehrenamtliche(n) aus dem Verbreitungsgebiet unserer Zeitung aus. Der Preis ist mit 1000 Euro dotiert. Vorschläge an ehrenwert@ stadt.nuernberg.de oder auch telefonisch unter der Rufnummer (09 11) 2 31 33 26.

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