Hightech aus Bayern: Tonnenschwerer Koloss rodet Reichswald

7.3.2020, 06:00 Uhr
Der "Hannibal T 40" in Aktion: So sieht der tonnenschwere Koloss aus.

© Sebastian Linstädt Der "Hannibal T 40" in Aktion: So sieht der tonnenschwere Koloss aus.

Der Hannibal T 40 ist ein sogenannter Stehendentnahme-Harvester. Hinter dem komplizierten Namen verbirgt sich im Prinzip ein Raupenbagger mit einer Greifapparatur und einem Säge-Aggregat am Ausleger. Er transportiert Bäume auf die Rückegasse, dort wird der gefällte Baum dann direkt verarbeitet. Davon profitieren im Wachstum befindliche junge Bäume, die bei konventioneller Holzrückung häufig Schaden nehmen. 

Der Waldumbau im Nürnberger Reichswald ist in vollem Gange. Um besser an zu fällende Bäume heranzukommen, die inmitten junger Pflanzen stehen, setzt der Forstbetrieb Nürnberg versuchsweise auf Hightech aus Bayern: Einen sogenannten "Stehendentnahme-Harvester". Das grüne Ungetüm thront leise tuckernd in einer Schneise voller abgetrennter Äste mit Grün. Auf den ersten Blick sieht der Harvester vom Typ "Hannibal T 40" einem herkömmlichen Raupenbagger gar nicht so unähnlich – wäre da nicht der hydraulische Greifarm: An seinem Ende sitzt ein modernes Harvesteraggregat, also ein Werkzeug von der Größe eines kleinen Kühlschrankes.

Das Aggregat kann einen Baumstamm nicht nur binnen Sekunden durchtrennen – beim anschließenden Entasten ziehen die Rollen des Werkzeuges den Stamm mit Windeseile und einer beeindruckenden Leichtigkeit wie einen Faden durch das Nadelöhr, alle überstehenden Triebe werden von den rasiermesserscharfen Klingen abgetrennt. Binnen weniger Sekunden hat das Harvester Aggregat aus einem liegenden Baum einige sauber portionierte Festmeter Holz gemacht. Die eigentliche Stärke des "T40", wie der rund 40 Tonnen schwere Holzernter in Fachkreisen genannt wird, ist aber eine andere: Sie hat zu tun mit einer Greifvorrichtung, die bei diesem Stehendentnahme-Harvester direkt unterhalb des "Ellenbogen-Gelenks" des Baggerarms angebracht ist. Mit diesem Greifer umfasst der Fahrer den zu fällenden Baum, bevor die Säge des Aggregats spricht.

Den abgetrennten Baum schließlich hebt der Fahrer im stehen vorsichtig aus seinem Umfeld heraus. Erst auf der Rückegasse wird der geerntete Baum gelegt und verarbeitet. "Das ist der Hauptunterschied zur herkömmlichen maschinellen Ernte", erläutert Forstbetriebsleiter Johannes Wurm. "Ein herkömmlicher Harvester fällt die Bäume von sich weg und zieht sie dann zur Aufarbeitung heraus." Der Nachteil: Beim Fällen verursacht vor allem die Krone mit ihren Verästelungen Schäden in der darunterliegenden Vegetation. "Handelt es sich im eine homogene Fläche ist das auch überhaupt kein Problem", so Wurm. Doch bei den zahlreichen Flächen im Reichswald, wo bereits vor Jahren mit dem Waldumbau begonnen wurde, wäre der Effekt fatal: Gefällte Bäume würden hier die sorgsam hochgezogenen Jungbäume beschädigen. "Gerade junge Eichen sind äußerst klimaa resistent.

Deswegen müssen wir Wege finden, die Überdachung – also die darüber stehenden Fichten und Kiefern – zu fällen, ohne die Jungbäume zu gefährden", erklärt der Fachmann weiter. Manuelle Fällung durch Forstarbeiter sei möglich, gerade in unübersichtlichen Beständen mit hohem Jungwuchs aber sehr gefahrenträchtig. Auch deswegen sei der Stehendentnahme-Harvester eine neue sinnvolle Alternative, die in seinem Herkunftsland Bayern seit etwa zehn Jahren immer häufiger Verwendung findet. Jochen Stöberl, ein routinierter Harvesterfahrer, ist seit knapp drei Jahren auf dem T 40 unterwegs und kennt die zahllosen Bedienelemente aus dem FF. "Es ist zunächst ungewohnt, den Baum erst mal auf sich zuziehen", sagt Stöberl.

Er muss sich genau ins Bild setzen, wo er den Baum auch stehend herausheben kann, ohne dass sich dieser in den Kronen verhängt. Auch die Witterungsverhältnisse muss im Blick haben: Regen oder Schnee addieren schnell zum Gesamtgewicht des Baumes und auch starker Wind macht sich bemerkbar. Der rund 40 Tonnen schwere Hannibal kann rund 2,4 Tonnen schwere Bäume noch aus einer Entfernung von rund 15 Metern herausheben. "Das ist optimal, weil der durchschnittliche Rückegassenabstand im Staatsforst 30 Meter beträgt", erklärt Wurm.

Verdichtet das Gewicht der Maschine den Waldboden nicht enorm? "Wegen der breiten Kettenführung ist die Bodenbelastung durch den T 40 tatsächlich geringer, als durch manch konventionellen Harvester mit Radläufen", ist Wurm überzeugt. Erfahrene Fahrer wie Stöberl achten stets darauf, die Rückegasse mit Ästen zu "unterfüttern", damit sich der Druck noch besser verteilt. Wie lange der T 40 im Reichswald erprobt wird, steht wegen der Sturmsituation zuletzt nicht endgültig fest – die Spezialmaschinen und ihre Fahrer sind schließlich im ganzen Freistaat gefragt. 

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