Hochhäuser in Neuselsbrunn: Anwalt jetzt selbst vor Gericht

1.7.2019, 12:12 Uhr
Hochhäuser in Neuselsbrunn: Anwalt jetzt selbst vor Gericht

© Roland Fengler

Eine Berliner Anwaltskanzlei bringt das Strafverfahren im Internet an die Öffentlichkeit. Längst nicht alle Informationen dort sind zutreffend. Aber das Aktenzeichen, das die Netzseite für den Prozess vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth nennt, stimmt – und macht deutlich, dass es sich um eine Berufungsverhandlung nach einem Urteil des Amtsgerichts Nürnberg handeln muss.


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Justizsprecher Friedrich Weitner bestätigt dies auf Anfrage. Danach verurteilte ein Schöffengericht des Amtsgerichts Nürnberg Klaus Kratzer Ende November 2018 wegen Untreue in fünf Fällen zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten. Ein Strafmaß, das nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Nach Überzeugung des Gerichts hatte der Anwalt mehrfach Geld für Mandaten vereinnahmt (ein durchaus normaler Vorgang), aber die Beträge in einigen Fällen nicht oder nicht sofort an die Mandanten weitergeleitet. Dies erfülle den Tatbestand der Untreue.

Untreue-Vorwurf ein "völliger Blödsinn"?

Sein Verteidiger legte Rechtsmittel ein, weshalb das Urteil nicht rechtskräftig ist. Kratzer selbst möchte sich zu dem Vorgang nur "zurückhaltend äußern", betont aber, es sei "völliger Blödsinn", dass er Geldbeträge an Mandanten zu spät überwiesen habe. "Wir können das alles erklären." Das Amtsgericht habe sich nicht wirklich mit den Vorgängen beschäftigt. Das habe die Berufungsinstanz am Landgericht "sofort erkannt", so Kratzer, und das Verfahren deshalb ausgesetzt.

Klaus Kratzer will einen Millionenbetrag einklagen. Hunderte von Neuselsbrunner hoffen darauf, dass ihre Wohnhäuser bald wieder durch Fassadendämmungen geschützt werden.

Klaus Kratzer will einen Millionenbetrag einklagen. Hunderte von Neuselsbrunner hoffen darauf, dass ihre Wohnhäuser bald wieder durch Fassadendämmungen geschützt werden. © Archivfoto: elbmotion

Prozessbeobachter, die am 30. April, dem ersten Verhandlungstag der Berufung, im Zuschauerraum saßen, wiederum berichten, dass Kratzers Verteidiger, Jürgen Lubojanski, gegen Ende der Verhandlung eine ganze Reihe von neuen Beweisanträgen gestellt habe. Dies sei der Grund dafür gewesen, dass die Kammer den Prozess bis Anfang August ausgesetzt habe.

Hohe Vorauszahlung auf Anwaltskosten

Zu diesen Beobachtern gehört ein Berliner Makler. Er berichtet von einer nennenswerten Zahl erneuter Strafanzeigen gegen Kratzer, die in jüngster Zeit bei der Nürnberger Kripo eingegangen seien. Dahinter stünden ehemalige Mandanten, die der Anwalt als Geschädigte der – seit 2014 insolventen – Vertriebsfirma Consortis vertreten habe. Consortis soll Hunderten von Anlegern Steuersparmodelle versprochen und ihnen dabei sogenannte Schrottimmobilien angedreht haben.

Gegenüber der Lokalredaktion spricht einer dieser Wohnungskäufer von hohen Vorauszahlungen auf Anwaltskosten, für die es von der Kanzlei Kratzer aber kaum greifbare Leistungen gegeben habe. Er gehe deshalb unter anderem straf- und zivilrechtlich gegen den Nürnberger Rechtsanwalt vor. Auch von einer Wohnungs- und einer Kanzleidurchsuchung durch die Polizei ist die Rede. Klaus Kratzer hält dem entgegen, vonseiten der Kriminalpolizei lägen "weder mir noch meinem Anwalt irgendwelche Nachrichten zu Strafanzeigen vor".


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Er konzentriert sich jetzt auf die Nichtigkeitsklage, die seine Kanzlei vor einiger Zeit beim Amtsgericht eingereicht hat. Sie richtet sich gegen den Mehrheitsbeschluss der Neuselsbrunner Eigentümergemeinschaft im vergangenen Jahr, die nach städtischer Auffassung brandgefährlichen Fassaden der Neuselsbrunner Hochhäuser kurzfristig abreißen zu lassen.

Millionenhohe Forderungen

Ein neuer Termin für die Güteverhandlung steht noch aus. Parallel dazu soll nun die geplante Schadenersatzklage gegen die frühere Verwalterin, die Vonovia Immobilien Treuhand (VIT), angestrengt werden. Auf rund 25 Millionen Euro beziffert Kratzer die Forderungen. Am heutigen Montag soll die Eigentümergemeinschaft entsprechende Beschlüsse fassen.

Rund 350 Neuselsbrunner Miteigentümer vertritt der Rechtsanwalt nach eigenen Angaben inzwischen. Jeder dieser Mandanten habe eine Vorauszahlung auf die Anwaltsgebühren von 1000 Euro geleistet, bestätigt Kratzer. Die ersten 100 Mandanten, die ihn beauftragt haben, hätten zudem jeweils 816 Euro Vorschuss auf die Gerichtskosten der Anfechtungsklage einzahlen müssen. Denn das Gericht hat laut Kratzer den Gegenstandswert dieser Klage auf 25 Millionen Euro festgelegt. Und daraus berechneten sich die entsprechenden Gerichts- und Anwaltsgebühren.

Die Vertretung all dieser Mandanten muss der Anwalt einem Kanzlei-Kollegen überlassen: Die Nürnberger Anwaltskammer hat ein Vertretungsverbot gegen Klaus Kratzer erlassen – wegen der Vorwürfe, die ab August in zweiter Instanz vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth gegen Kratzer verhandelt werden. Nach Informationen der Lokalredaktion besteht dieses Vertretungsverbot seit Juli 2014.

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