Hohe wbg-Miete: Maler Schmidt-Klör kapituliert

20.5.2009, 00:00 Uhr
Hohe wbg-Miete: Maler  Schmidt-Klör kapituliert

© Marc Johnston

20 solcher Ateliers hatte die kommunale Wohnungsbaugesellschaft vor Jahren noch im Kreuzgassenviertel, in Johannis und am Nordostbahnhof. Ihr Kennzeichen: Sie liegen meist im vierten oder fünften Stock, haben ein meterhohes Nordfenster samt Oberlicht und bieten Malern und Grafikern ideale Arbeitsbedingungen.

Als Vierzimmer-Wohnung vermietet

Heute gibt es nur noch 15 solcher Klausen, Tendenz fallend. Auch Schmidt-Klörs Wohnatelier wollte die wbg zunächst als ganz normale Vier-Zimmer-Wohnung weitervermieten. wbg-Sprecher Dieter Barth: «Wir werden nicht gerade überrannt von Künstlern auf Ateliersuche.« Seit junge Künstler in Etablissements wie dem Z-Bau oder am ehemaligen AEG-Gelände Unterschlupf gefunden haben, sei die Situation in der Stadt ein wenig entspannter, sagen Insider.

Aufgeschreckt von der NN-Anfrage verspricht Dieter Barth dennoch Umkehr; das Studio in der Sonneberger Straße werde jetzt ausdrücklich für Künstler ausgeschrieben. Davon, dass Kreative nicht mehr gefördert würden, könne keine Rede sein.

Doch was treibt den 63-jährigen Schmidt-Klör nach vier Jahrzehnten aus dem Haus? Es sei die hohe Miete für die unsanierte Altbauwohnung, klagt er, die im Lauf weniger Jahre auf über 800 Euro inklusive Nebenkosten erhöht worden sei. Für Freischaffende sei das zu viel, «da geht dir die Luft aus.«

Ersatz ist gefunden

Jetzt steht die Renovierung an und die 96-Quadratmeter-Behausung mit dem begehrten Nordlicht werde bald noch unerschwinglicher sein, mutmaßt der Mann mit der weißen Künstlermähne. Er hat längst neue Arbeitsräume am Stadtpark gefunden. Der Vermieter dort habe Gott sei Dank für Künstler etwas übrig und mache einen gnädigen Preis. In den Ateliers der wbg, die überwiegend Ende der 20er Jahre gebaut wurden, wehe dagegen «ein eiskalter Wind«.

Nur mit Zeugnis

Dass ein erfolgreiches Stück Kulturpolitik der Stadt langsam flöten geht, fürchtet Schmidt-Klör, der in Nürnberg die Bronzeskulptur neben dem DGB-Haus am Kornmarkt und den Brunnen am Stresemannplatz geschaffen hat. Er habe der wbg einst sein Akademiezeugnis und eine Bescheinigung des Berufsverbands bildender Künstler vorlegen müssen, um überhaupt an ein Atelier zu kommen. Solche Maßstäbe gälten heute längst nicht mehr.

Wie er haben viele renommierte und zum Teil schon verstorbene Nürnberger Künstler von den Arbeitsräumen im einstigen Sozialwohnungsbestand der wbg profitiert. Oskar Koller, Max Söllner, Toni Burghart, Michael Mathias Prechtl oder Günther Dollhopf - sie alle fanden hier am Beginn ihrer Karrieren eine günstige Bleibe - und traumhaftes Nordlicht.

Streit mit den Nachbarn

Auch Schmidt-Klörs Vormieter Werner Knaupp (73) hat sich hier als Maler freigeschwommen. Mit seiner Familie wohnte der Maler Ende der 60er Jahre in der Sonneberger Straße und sagt heute: «Als ich das Atelier bekam, habe ich mich zum ersten Mal als Künstler gefühlt.« Dieses «größte Glück überhaupt« bezahlte er freilich mit manchem Nachbarschaftskonflikt.

Knallte dem Nachtarbeiter Knaupp im Schaffensrausch ein Bild zu Boden, wurden die Debatten mit den Malerfreunden zu laut, dann war der Teufel los.

wbg in den 70ern eindeutig «pro Künstler«

Doch wenn der entnervte Mann aus der Wohnung unter ihm dann bei der wbg die Kündigung Knaupps einforderte, habe man ihm dort geraten, lieber selbst auszuziehen. Knaupp: «Die wbg war eindeutig pro Künstler damals.«

In der Gothaer Straße trat Maler Dieter Maria Scheppach vor fast 30 Jahren das Erbe seiner Kollegen Blalla W. Hallmann und Fred Ziegler an. Das kleine Atelier, das er von ihnen übernahm, sei zwar in erbärmlichem (Original-)Zustand, mit 260 Euro und optimalem Oberlicht jedoch nicht mit Gold aufzuwiegen.

Ein Schnäppchen

«Ich bleibe, ganz sicher«, sagt er und erzählt von den langen Wartelisten für Ateliers, die es in den 80er Jahren gab. Es wäre jammerschade, wenn diese Tradition ein Ende hätte, meint er mit Blick auf jüngere Kollegen, die Platz für Staffelei und Leinwände suchen. Wie die Alten sungen: Gerade für Absolventen der Kunstakademie, so könnte man meinen, wäre ein Atelier ein Schnäppchen. Doch Petra Meyer von der Hochschule an der Bingstraße hat in den Schaukästen noch keinen Aushang der wbg entdeckt. «Schon schade«, sei das. «Wenn die Mieten gut sind, hätten wir sicher Interessenten genug.«