Anklage: Schwerer Raub

K.O.-Tropfen statt Sex: Nürnberger Liebesdame legte einen Kunden im Hotel lahm

1.12.2021, 16:43 Uhr
K.O.-Tropfen statt Sex: Nürnberger Liebesdame legte einen Kunden im Hotel lahm

© Ulrike Löw, NNZ

Das Sex-Treffen begann mit einem Schwindel: Der potentielle Freier wurde mit dem Nacktbild einer attraktiven Frau gelockt - ein Preis von 500 Euro für die ganze Nacht wurde vereinbart. Doch am 16. März 2021 wartete eine andere Dame auf ihn, als er zu dem vereinbarten Hotel kam. Kurz vor 22 Uhr traf er auf Renate T. , eine 32-Jährige mit rötlich gefärbten, strohigen Haaren und Drogenproblemen. Der Kunde reduzierte sein Angebot. Er buchte drei Stunden im Hotelzimmer für 100 Euro.

WhatsApp-Nachrichten als Beweis

Was sich tatsächlich in dem Hotelzimmer abspielte, ist ein Dreivierteljahr später vor der 18. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth nicht schwer zu rekonstruieren - denn die Frau schrieb und schickte während des Treffens via Handy und per WhatsApp ständig Nachrichten an ihren Komplizen Emra B. Kurze Texte, die nun für die Staatsanwaltschaft zu stabilen Beweisen eines schweren Raubes werden.

Im Hotelzimmer mixte der Freier zwei Whiskey-Cola, dann verschwand er im Badezimmer. Ein unbeobachteter Moment, den Renate T. (Namen der Betroffenen geändert) ausnutzte - sie kippte K.O.-Tropfen in das Glas des Mannes.

Analyse: Drogen-Rückstände in den Haaren

Heute erklärt die Frau über ihre Strafverteidiger, Maximilian Bär und Alicia Schröder, sie sei bereits mit Crystal-Meth "zugedröhnt" zu dem Treffen gekommen. Und auch nach dem Date habe sie sich von ihrer Diebesbeute sofort wieder Drogen gekauft. Ein toxikologisches Gutachten der Rechtsmedizin bestätigt ihren Konsum: Methamphetamin-Rückstände fanden sich bei der Analyse einer ihrer Haarsträhnen.

Es sei der Plan gewesen, den Freier mit K.O.-Tropfen matt zu setzen, um ihn abzuzocken, räumt Renate T. ein. Doch schweren Schaden habe sie dem Mann gewiss nicht zufügen wollen. Eine ähnliche Erklärung gibt ihr Komplize Emra B. (34) über seine Rechtsanwälte Manfred Neder und Michael Zahareas ab.

Bei den K.O.-Tropfen - das Gutachten eines forensischen Toxikologen der Rechtsmedizin steht noch aus - handelte es sich laut Anklage um GBL.

Brandgefährlich: Modedroge GBL

GBL, Gamma-Butyrolacton, wird in Party-Kreisen seit vielen Jahren als "flüssiges Ecstasy" konsumiert, mehr als zwei Milliliter der Modedroge können den Ausflug in das Land der Träume zum Todestrip machen. Gamma-Butyrolacton wird in der Industrie eigentlich als Reinigungsmittel, Fleckenmittel oder Lösungsmittel eingesetzt.

Wie viele K.O.-Tropfen die Frau in das Getränk des Freiers träufelte, ist offen - fest steht, dass ihm eine halbe Stunde, nachdem er das Glas geleert hatte, übel wurde. Er klagte über Schwindel, sein Herz raste, er schwitzte und musste sich mehrfach übergeben.

Als er zu Boden sank und bewusstlos wurde, zog die Frau ein Bündel Hundert-Euro-Scheine aus seinem Portemonnaie, insgesamt 2.300 Euro. Von der Diebesbeute gab sie später 500 Euro an ihren Komplizen Emra B. weiter.

Schlafstörungen und Panikattacken

Heute sitzt der Freier, ein 30-jähriger Gebäudereiniger, als Nebenkläger im Zeugenstand. Er habe damals unter "Depressionen" gelitten, sagt er und schildert, dass er plante, seine Laune durch "einen schönen Abend mit einer Frau" zu heben. Von seinem Bekannten Emra B. hatte er den Tipp bekommen, sich mit einer Prostituierten zu treffen. Doch Entspannung habe er an jenem Abend nicht gefunden - er leide bis heute unter Schlafstörungen und hin und wieder überfielen ihn Panikattacken, so der Zeuge.

An jenem Abend habe er soviel Bargeld im Geldbeutel gehabt, weil er am nächsten Tag geschäftliche Termine erledigen musste. Doch in jener Nacht wachte er erst gegen 1 Uhr im Hotelzimmer auf, die Dame war weg. Er ging zur Polizei.

Die Beweise lasten schwer auf den beiden Angeklagten - doch Renate T. und Emra B. wollen ihr Leben nun endlich ändern und hoffen auf eine Therapie in einer Entzugsklinik.

Sechs bis sieben Jahre Freiheitsstrafe stehen im Raum

Sie räumen die Vorwürfe ein und so wird bereits zu Beginn der Hauptverhandlung deutlich, was den beiden Angeklagten blühen wird: Der Vorsitzende Richter Cornelius Sello gibt angesichts der frühzeitig abgelegten Geständnisse die Strafvorstellung der 18. Strafkammer bekannt: Renate T. und Emra B., beide sind mehrfach massiv vorbestraft, müssen wegen schweren Raubes jeweils mit Freiheitsstrafen zwischen sechs und siebeneinhalb Jahren rechnen.

Dies bedeutet, dass die beiden Angeklagten, selbst wenn die Richter deren Einweisung in eine Entzugsklinik anordnen sollten, vorweg einen großen Teil der Strafe in der Justizvollzugsanstalt verbüßen müssen.

Der Prozess wird fortgesetzt.