Alternative zur maroden Oper? 

Neue Idee: Die Kongresshalle könnte bald ganz anders genutzt werden

15.7.2021, 05:58 Uhr
Teile der Kongresshalle können Interimsspielstätte für die Oper werden, wenn das Opernhaus saniert wird.

© imago images/imagebroker, NNZ Teile der Kongresshalle können Interimsspielstätte für die Oper werden, wenn das Opernhaus saniert wird.

Die Oper soll für die Nürnberger Bevölkerung identitätsstiftend sein. Gilt das pauschal für die ganze Bevölkerung? Oder doch nur für eine kleine bürgerliche Schicht?

Das stolze Jugendstil-Gebäude von 1905 prägt das Stadtbild in prominenter Lage und ist allein physisch ein Symbolbau der Stadt. Selbstverständlich identifizieren sich Bürgerinnen und Bürger mit einem solchen Haus, zumal es zum Selbstverständnis einer Großstadt gehört, ein relevantes Musiktheater zu unterhalten.

Generationen von Nürnbergerinnen und Nürnbergern haben hier, etwa während der Schulzeit im Rahmen der Schulplatzmiete, das Haus und sein kulturelles Angebot schätzen gelernt. Der Anspruch ist natürlich auch der, das Haus attraktiv und zugänglich zu machen für ein junges und neues Publikum, die Teile der Bürgerschaft zu erreichen, die das hier formulierte Angebot von Kunst und Kultur bislang nicht oder kaum angenommen haben.

Was ist denn überhaupt Identität?

Das Opernhaus ist eine Institution, als Bau und als Kulturstätte. Es wird als solche auch wahrgenommen. Da verhält es sich ähnlich wie etwa mit dem Germanischen Nationalmuseum oder der Burg. Nicht jede und jeder ist mit den gebotenen Inhalten an diesen emblematischen Orten gleichermaßen vertraut, jedoch gehören diese Institutionen zur DNA der Stadt.

Warum soll gerade die Kongresshalle zur Interimsspielstätte der Oper während der Sanierung des Opernhauses werden?

Beschlossen oder entschieden ist noch nichts. Dieser Hinweis ist mir sehr wichtig. Der Stadtrat hat erst jüngst eine Opernhaus-Kommission eingesetzt, bestehend aus Vertretungen aller Fraktionen und Ausschussgemeinschaften, aber auch externen Stakeholdern. Alle im Zusammenhang mit der Baumaßnahme Opernhaus zu treffenden Entscheidungen werden zuvor hier vorgestellt und besprochen, ein notwendiger politischer und gesellschaftlicher Konsens wird hier abgebildet.

Welche Gründe würden denn für eine Interimslösung an dieser Stelle sprechen?

Zum einen stehen dort bislang ungenutzte Flächen zur Verfügung, die zum anderen auch nach Beendigung der Interimszeit den hohen Bedarf an künstlerischen und kreativen Ermöglichungsräumen weiter decken könnten. Darüber hinaus sollte die Nutzung der Kongresshalle für Kunst und Kultur auch im Hinblick auf die Entwicklung der TU in unmittelbarer Nachbarschaft gesehen werden. Angrenzend an das neue Stadtviertel steht der Z-Bau. Reicht das nicht als Ort für kulturelle Nutzung? Die Eröffnung des Z-Baus liegt erst ein paar Jahre zurück und dennoch war das Haus für Gegenwartskultur bereits vor Ausbruch der Pandemie voll belegt und alle Räumlichkeiten und Außenflächen beansprucht. Ich erinnere mich auch an Debatten im Vorfeld der Eröffnung - es sei kein Platz in Nürnberg für einen derartigen, einen weiteren Kulturort, hieß es. Das Gegenteil ist nachweislich der Fall.

Was ist an dem Vorhaben nachhaltig, Büros und Werkstätten in der Kongresshalle unterzubringen, wenn am Ende noch zusätzlich eine Ausweichspielstätte für die Aufführungen gebaut werden muss?

Das bedeutet doch, dass die Ausweichspielstätte nur während der Sanierungsarbeiten benötigt wird und dann wieder abgebaut werden muss. Ich bin prinzipiell davon überzeugt, dass die Kongresshalle eine strukturelle Aufwertung erfährt, wenn man den Ort mit kulturellen oder kulturtechnischen Möglichkeiten nutzen würde. Dieser Ort kann, wie gesagt, eine wichtige Rolle bei der Entstehung des neuen Stadtteils Lichtenreuth spielen und es ist denkbar, dass auch eine Aufführungsstätte nachhaltige Nutzung erhalten wird.

Kultur an einen Ort der Unkultur bringen: Was würde die Umnutzung der Kongresshalle für das Reichsparteitagsgelände bedeuten?

Diesen Ort mit seinen Möglichkeiten auf Dauer für eine weitergehende kulturelle Nutzung zu befähigen, erfordert sicher Fingerspitzengefühl. Ich halte es aber auch für eine städtebauliche und gesellschaftspolitische Vision, diesen historischen Ort noch weiter als bisher, mit Dokumentationszentrum, Museumsdepots und den Nürnberger Symphonikern, die hier bereits verortet sind, für die Künste zu öffnen. So dieses Areal einmal für Kunst und Kultur erschlossen und in das öffentliche Bewusstsein eingedrungen ist, dann liegen die Möglichkeiten für eine nachhaltige Nutzung auf der Hand.

Die Kongresshalle steht unter Denkmalschutz. Kommt der Umbau nicht teurer als ein Neubau? Allein schon durch die Raumhöhe?

Die Kongresshalle ist eine Liegenschaft der Stadt Nürnberg. So ist die Stadt ohnehin für Erhalt und Unterhalt des denkmalgeschützten Baus verantwortlich, wodurch ständig Kosten entstehen. Denkbar ist es daher auch, unabhängig von einer künftigen Nutzung, dass Investitionen in den baulichen Bestand über verschiedene Förderprogramme bezuschusst werden. Die Räumlichkeiten sollen auch in erster Linie nur ertüchtigt werden, nicht vollkommen umgebaut. Die Kubatur bleibt unangetastet. Die nutzbaren Räume sind unterschiedlich dimensioniert und somit nicht für jede Art der Nutzung geeignet. Vor einer grundsätzlichen Entscheidung, hier eine Interimslösung für die Oper unterzubringen, sind Aussagen über mögliche Kosten noch nicht möglich. Und eine Entscheidung, ich betone es abermals, steht noch aus

Mit der Interimsspielstätte soll es gezielt ein niederschwelliges Angebot für ein Publikum geben, das bislang nur selten oder gar nicht in das Opernhaus gegangen ist. Vor allem ein jüngeres Publikum soll angesprochen werden. Wie sieht das Konzept aus?

Es ist wichtig, die Angebote an ein jüngeres Publikum an den spezifischen Ansprüchen auszurichten. Es kann und darf nicht so sein, dass im stillen Kämmerlein geplant und die Zielgruppen dann mit einem Konzept konfrontiert werden, das ohne eigenes Zutun entstanden ist. Der partizipative Ansatz ist zwingend. Auch zur kulturellen Nutzung der Kongresshalle haben schon Befragungen und Interviews mit potentiellen Akteurinnen und Akteuren stattgefunden. Es ist unabdingbar, diese Perspektive einzubinden in den Prozess. Auch Workshops zu inhaltlichen Fragen werden noch angeboten werden.

Die Kongresshalle ist nicht weit von der Messe weg: Wird eine Messehalle vielleicht doch noch zur Interimsspielstätte?

Die Messe Nürnberg hat äußerst stark unter den Folgen der Pandemie gelitten. Aber die Rückkehr zu einer Art Normalbetrieb ist absehbar - und dann wird die Messe ihre eigenen Räumlichkeiten wieder benötigen. Neubauten würden wohl keine große Einsparung bedeuten.

Wie sieht denn das Ergebnis der Umfragen zur kulturellen Nutzung der Kongresshalle aus?

Drängendste Bedarfe sind Produktionsräume und Ateliers in verschiedenster Ausprägung. Desweiteren wurden multifunktional nutzbare Präsentationsflächen, neuartige Arbeitsräume für temporäre, interdisziplinäre wie internationale Zusammenarbeit sowie Lager- und Depotflächen benannt. Besonders wichtig war bei der Entwicklung einer Vision der zukünftigen Kongresshallennutzung eine bewusste Auseinandersetzung mit dem historischen Ort.

Es soll wohl einen Interimsbau im Innenhof der Kongresshalle geben, der am Ende der Opernhaussanierung wieder wegkommt. Wie kann man sich das konkret vorstellen? Ein Containerbau?

Wir brauchen eine Aufführungsgelegenheit und zudem Raum für das, was hinter der Bühne passiert. Im Bestandsgebäude der Kongresshalle wäre eine Vielzahl an Nutzungen durch das Staatstheater denkbar: Foyer, Gastronomie, Kantine, Proberäume, Garderoben, Büros, Werkstätten, Fundus oder Lager. Nicht im Bestand abbildbar wären Bühne, Orchestergraben und Zuschauerbereich. Hierfür würde eine temporäre Struktur benötigt werden, deren konkrete Ausgestaltung erst nach erfolgtem politischen Votum Kontur annehmen kann. Dieses Votum trifft zu gegebener Zeit der Stadtrat.

Ein Gedankenspiel: Kann die Kongresshalle zusammen mit dem Interimsbau auf Dauer ein neues Opernhaus sein?

Das Opernhaus am Ring müsste dann neu genutzt werden. Das kann ich mir nicht vorstellen und das wäre auch der Stadtgesellschaft nur schwer vermittelbar.

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